Wer kann schon von sich sagen, dass er in einem Schloss wohnt? Für die 140 Schülerinnen und Schüler, die im "Franken-Landschulheim Schloss Gaibach" das Internat besuchen, ist das so. Sie leben dort in dem historischen Gemäuer, das vor 300 Jahren von einem Wasser- in ein Lustschloss umgewandelt wurde. Es gehört dem Haus Schönborn; das Internat ist der Mieter.
Internatsleiter Ralf Behr hat sein Büro gleich am Haupteingang, direkt unter einer Wendeltreppe aus Stein. Dort empfängt er auch die künftigen Schüler. Die Nachfrage nach Plätzen in dem Volkacher Ortsteil sei zurzeit groß. "Wir sind übervoll belegt", sagt der Internatsleiter. Das liege auch daran, dass Gaibach mit der dazugehörigen Realschule breit aufgestellt sei. Gut die Hälfte der 140 Internatsschüler sind Mädchen; bei ihnen sei die Tendenz in den letzten Jahren steigend gewesen.
Was sind die Gründe für eine Anmeldung im Internat?
Für den Schritt ins Internat seien in der Regel eher Eltern die treibende Kraft, erklärt Behr, der seit 1998 am Internat ist. Die Gründe sind vielfältig. Wichtig sei für viele, dass ihr Nachwuchs damit einen strukturierten Tagesablauf bekomme. Wenn beide Elternteile arbeiten oder bei Alleinerziehenden sei das zu Hause oft schwierig. Hinzu kämen die Erwartung, dass sich die schulischen Leistungen verbessern, oder der Wunsch, das Kind in einer Gemeinschaft aufwachsen zu lassen.
Der Internatsleiter weiß um das Besondere des Gebäudes. "Wenn sich Neue anmelden, zeigen wir ihnen erst einmal das Haus." Nach einem Rundgang kämen viele der potenziellen neuen Bewohner gewandelt zurück, auch weil sie der Charme des alten Gebäudes einfange. Schulleiter Bernhard Seißinger ergänzt: "Wir wissen schon, was wir an dem Schloss haben. Es ist auch eine Herausforderung; die Gebäudesubstanz ist zum Teil 500 Jahre alt."
Hohe Decken und majestätische Namen
Dass viel Leben in den alten Mauern steckt, zeigt sich gleich beim Rundgang in der Mittags- und Unterrichtspause, zu dem Behr einlädt. "Wir sind ein recht quirliges Haus", sagt er schmunzelnd, als einige seiner Zöglinge die Treppe hoch an ihm vorbeilaufen.
Als Leiter betreut er zusammen mit einem Erzieher eine Gruppe Jungen, Sechstklässler. Deren Dreier- und Vierer-Zimmer sind großzügig geschnitten, mit den hohen Decken, wie man sie überall im Schloss findet. Anstelle von Nummern haben die Zimmer im gesamten Gebäude fast majestätische Namen, wie "Malerwinkel" oder "Schönborn-Zimmer".
"Unser Zimmer ist das ordentlichste. Die Putzfrau hat uns geschrieben und uns Gummibärchen als Belohnung geschenkt", empfängt Jannik Hommel die Gäste. Der Sechstklässler aus Schweinfurt teilt sich mit zwei weiteren Jungs den "Malerwinkel".
Man verstehe sich gut, auch wenn einem die Zimmerkollegen schon mal auf die Nerven gehen können, sagt einer. Miteinander auszukommen sei bei den Jugendlichen im Internat häufig schwieriger als das Heimweh, lautet die Erfahrung des Internatsleiters. Er ergänzt, dass bei den Jüngeren die größeren Zimmer gefragter und leichter zu belegen seien. Zumal dort auch jeder Einzelne seinen eigenen Bereich habe.
Ordnung und festgelegte Zeiten für das Handy
In den Zimmern wird großer Wert auf Ordnung gelegt, fast täglich schauen sich die Erzieherinnen und Erzieher um, ob aufgeräumt ist. Überhaupt seien Ordnung und ein fester Tagesablauf das A und O, sagt Ralf Behr. Anfangs müsse man das den Jugendlichen antrainieren. "Sie gewöhnen sich aber recht schnell daran."
Zu diesen Regeln gehören bei den Internatsschülern genau festgelegte Zeiten für Handy und Computer. Wer sie überschreitet und erwischt wird, dem wird die Zeit gekürzt. Die Handys müssen übrigens nachts ausgeschaltet sein und kommen in den Schrank.
Der Tagesablauf ist insgesamt ziemlich getaktet, vom Aufstehen über die Schul- und Lernzeiten bis zum Essen und der Freizeit. Festgelegt ist je nach Alter auch, wann "Lichtschluss", also Nachtruhe, ist.
Wie kommen die Mädchen auf engem Raum klar?
Auf der anderen Seite des Schlosses, wo der "Mädchen-Flügel" eingerichtet ist, läuft das im Prinzip genauso. Der Bereich verfügt ebenfalls über großzügige Räume. "Grafen-Zimmer", "Linkes Depot", oder "Rechtes Depot" steht auf den Türschildern. Wie die Mädels mit den anderen auf engem Raum klarkommen?
Die meisten gewöhnten sich daran relativ schnell, sagt Kerstin Lindauer-Fürst. Sie ist seit 20 Jahren als Erzieherin im Internat und hat dort in der Zeit so manches erlebt. Einmal habe sie sich sogar für eine Schülerin notariell eintragen lassen, wegen einer Vorsorgesache.
Kerstin Lindauer-Fürst ist überzeugt, dass in Gaibach die umgebende Natur auf die Heranwachsenden einwirke; sie tue ihnen richtig gut. "Die Jungs und Mädels sind häufig draußen im Freien. Durch die Natur sind sie anders drauf, ruhiger. Sie sind abends müde." Lindauer-Fürst erzählt vom etwa zwei Kilometer langen Weg durch die Flur zum Denkmal der Konstitutionssäule. Die Strecke werde häufig und gerne von den jungen Menschen genutzt.
Von sich und dem Leben im Internat erzählen Kate Löwel und Hanar Kawan, zwei zwölfjährige Mädchen aus der Gruppe von Kerstin Lindauer-Fürst. Ehrlich und offen berichten sie vom Eingewöhnen, den Eigenheiten und Schwierigkeiten im Internat. "Zu Hause wäre ich garantiert nicht auf einem Gymnasium", sagt Kate.
Die Nürnbergerin erzählt, sie sei auch nach Gaibach gegangen, weil sie daheim keine Hausaufgaben machte. Ihr fehlten Ordnung und Regelmäßigkeit. Die Stadt vermisse sie schon, sagt die Zwölfjährige. Dagegen schätzt die aus der Nähe von Köln kommende Hanar gerade die Natur. "Ich finde es schön, dass hier so viel Wald ist. Im Sommer ist das toll."
Drei Internatssprecher vertreten die Schülerinnen und Schüler
Später stellen sich mit Josephine Amilov (17), Lucas Linder und Andrei Pusak (beide 18) die drei Sprecher kurz vor, die die Internatsschüler aus ihren Reihen als Vertreter gewählt haben. Diese drei besprechen im Internatsrat regelmäßig mit den Erzieherinnen und Erziehern, was gut ist, wo es Probleme gibt oder wo es hakt. Ihre Anliegen und Wünsche werden auch berücksichtigt, sagen sie.
Das seien "zum Teil ganz handfeste Sachen", so Internatsleiter Behr. Als Beispiele nannte er Hinweise auf nicht funktionierende Heizkörper oder Duschen. Oder Vorschläge zum Speiseplan und für Ausflüge.
Einer der Internatssprecher, der 18-jährige Rumäne Andrei Pusak, stammt aus der Nähe von Cluj im Nordwesten des Landes. Andrei lebt im vierten Jahr in Gaibach und besucht die 10. Klasse der Realschule. Er suchte die Schule extra wegen der Umgebung aus und ist froh darüber. "Ich mag die Ruhe; da kann ich besser lernen. Wir haben hier alles. Für mich ist das wie ein zweites Zuhause."
Lucas Linder ergänzt, dass es im Internat nie langweilig werde – wegen der vielen Gruppen und Freizeitmöglichkeiten. So ist am Samstag oft neben einer Fahrt zum Einkaufen nach Volkach auch ein Ausflug angesagt. Das ist beliebt bei den Jungen und Mädchen, wenn es etwa zum Bowlingspielen, auf die Eisbahn oder zu anderen Aktivitäten in der Umgebung geht. Oft schlagen die Internatsschüler die Ziele selbst vor.
Jugendliche haben einen Fitnessraum und Partykeller
Dazu bietet die Einrichtung selbst eine Vielzahl an Möglichkeiten. Das reicht vom Clubraum über Fitnessraum und Partykeller bis hin zu einer Menge Arbeitsgemeinschaften. Die Jugendlichen können sich mit Musik, Sport, ja sogar bei der Schulfeuerwehr beschäftigen.
Dass viele der jungen Menschen im Internat einen Familienersatz sehen, mit dem sie viel Zeit verbringen, weiß Ralf Behr. Etwa die Hälfte der Schülerinnen und Schüler bleibe auch an den Wochenenden im Schloss, außer die Heimfahrt ist vorgeschrieben. Das diene dazu, den Kontakt zur Familie nicht zu verlieren.
Natürlich, sagt Behr, gebe es im Internat auch Ärger und Strafen, wenn die Regeln nicht eingehalten werden. Die Konsequenzen reichen dann von Hofkehren über Sozialaufgaben wie Freizeitbeschäftigung mit Jüngeren bis hin zu Verweisen.
Internat mit zwei Schulen
Ebenfalls Mitglieder sind die Städte und Gemeinden Berg, Chieming, Ebrach, Gerolzhofen, Kelheim, Mainburg, München, Seeon-Seebruck, Volkach, Wiesentheid und Würzburg.