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Iphofen/Würzburg
Kommt Knaufs großes Gipsbergwerk? Was jetzt noch geprüft wird
Der Weltkonzern Knauf braucht dringend Naturgips und plant deshalb ein Gipsbergwerk im Westen von Würzburg. Ob das tatsächlich Realität wird, hängt an einer entscheidenden Frage.
So könnte es 2025 im größten Bergwerk Bayerns in der Altertheimer Mulde (Lkr. Würzburg) aussehen: In Hüttenheim (Lkr. Kitzingen) baut Knauf schon seit 1957 Anhydrit ab.
Foto: ArchivHerbert Ehehalt | So könnte es 2025 im größten Bergwerk Bayerns in der Altertheimer Mulde (Lkr. Würzburg) aussehen: In Hüttenheim (Lkr. Kitzingen) baut Knauf schon seit 1957 Anhydrit ab.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:54 Uhr

Es ist noch nicht in trockenen Tüchern: Bayerns größtes Gipsbergwerk, das der mainfränkische Familienkonzern Knauf und weltgrößter Gipsveredler mit mehr als zehn Milliarden Euro Jahresumsatz und über 35 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf allen Kontinenten, im Westen von Würzburg errichten will. Wir haben alles Wichtige zu dem Großprojekt zusammengefasst.

Was Knauf plant

Nach den Plänen des Unternehmens soll das Bergwerk in vier Jahren zwischen Altertheim, Helmstadt und Waldbrunn, in der "Altertheimer Mulde" im Landkreis Würzburg errichtet sein. Ein Labyrinth unterirdischer Tunnel in einer Tiefe zwischen 70 und 130 Metern, mit einer Ausdehnung von 7,4 Quadratkilometern. Der Abbau soll 2025 beginnen. 300 000 Tonnen Gips pro Jahr will Knauf aus der "Grube Franken" holen. Insgesamt 70 Millionen Tonnen Naturgips sind unterirdisch vorhanden. Davon sollen etwa 40 Millionen tatsächlich gewinnbar sein, so haben es die Ingenieure errechnet. Mit 43 Millionen Euro Investitionsvolumen rechne man bei Knauf, bevor überhaupt der erste Brocken Gips aus dem Bergwerk nach Iphofen transportiert wird, sagt Manfred Grundke, persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär) der Knauf-Gruppe.

Woran es scheitern könnte

Doch ebenfalls westlich von Würzburg, zwischen Zell am Main und Altertheim, fließen unter der Erde wasserreiche Grundwasserströme. Seit 1915 bezieht nicht nur die Hälfte der Bevölkerung Würzburgs, etwa 65 000 Menschen, ihr Trinkwasser aus diesem Wasserreservoir, das in den Zeller Quellstollen ans Tageslicht sprudelt. Auch die Trinkwasserbrunnen von Altertheim und Waldbrunn (Lkr. Würzburg) hängen an den Grundwasserleitern. Um diese langfristig zu schützen, soll jetzt das Trinkwasserschutzgebiet von aktuell sieben auf 66 Quadratkilometer erweitert werden, so der Plan der Trinkwasserversorgung Würzburg GmbH. 

Brisant: Die geplante "Grube Franken" läge mitten im neu ausgewiesenen Trinkwasserschutzgebiet. Laut Musterverordnung für Wasserschutzgebiete des Bayerischen Landesamts für Umwelt ist ein Bergwerk unter Tage in einem Wasserschutzgebiet grundsätzlich verboten. Eine Ausnahmegenehmigung wäre nötig.

Doch noch steht nicht fest, welche Verbote und Einschränkungen der Musterverordnung später einmal tatsächlich im neu ausgewiesenen Trinkwasserschutzgebiet Zeller Quellen gelten. Denn noch wurde weder das Verfahren zur Neuausweisung des Wasserschutzgebietes eingeleitet, noch das Genehmigungsverfahren für die "Grube Franken".

Vielmehr ruht das im Dezember 2017 angestoßene Genehmigungsverfahren für das Bergwerk beim Bergamt Nordbayern in Bayreuth, angesiedelt bei der Regierung von Oberfranken. Denn die Regierung von Unterfranken ist auf die Bremse getreten. 

Kommt Knaufs großes Gipsbergwerk? Was jetzt noch geprüft wird

Was aus Sicht der Regierung noch geklärt werden muss

Die höhere Landesplanungsbehörde der Regierung von Unterfranken bestand auf einem Raumordnungsverfahren. Und verlangte vor dessen Eröffnung noch neun verschiedene Fachgutachten, unter anderem zu Hydrogeologie, Verkehr, Lärm, Staub und Artenschutz. Knauf hat all die Gutachten im November 2019 geliefert.

Zweifel an dem Bergwerk gibt es offenbar nur in einem Punkt: nämlich bei der alles entscheidenden Frage, inwieweit die Grube nicht doch einen Einfluss auf das Grundwasser haben könnte. Erst wenn auch das Wasserwirtschaftsamt überzeugt sei, dass auch langfristig keine Gefahr fürs Grundwasser besteht, werde das Raumordnungsverfahren eröffnet, so ein Sprecher der Regierung von Unterfranken auf Nachfrage. Dann allerdings könne es schnell gehen. 

Wovon die Entscheidung des Bergamtes abhängt

Man habe sich darauf verständigt, das Raumordnungsverfahren, wenn es so weit sei, in das bergrechtliche Verfahren zu integrieren, bestätigt das Bergamt. "Besonderer Augenmerk aller Behörden und Fachstellen liegt auf dem Grundwasserschutz", antwortet eine Sprecherin der Regierung von Oberfranken auf Nachfrage. Unabhängig davon, ob die Grube künftig in einem Trinkwasserschutzgebiet liege oder nicht. Deshalb gehe es auch nicht darum, welches Verfahren (Bergwerk oder Wasserschutzgebiet) nun schneller abgeschlossen sei.

Was das Sicht des Wasserwirtschaftsamtes noch geprüft werden muss

Laut Jens Reimer, dem verantwortlichen Projektleiter und Bergbauingenieur bei Knauf, sollen die unterirdischen Tunnel einen Sicherheitsabstand von neun Metern zum darüber liegenden Grundwasserleiter haben. Außerdem seien bereits 70 Bohrungen aus den Jahren 1997 bis 2019 von einem Ingenieurbüro hydrogeologisch ausgewertet worden. Darüber hinaus sei eindringendes Wasser für das Unternehmen ein finanzielles Desaster und würde den Rohstoffabbau erschweren, so Reimer.

Ingenieur Jens Reimer wird für das geplante Bergwerk im Landkreis Würzburg verantwortlich sein.
Foto: Angelika Kleinhenz | Ingenieur Jens Reimer wird für das geplante Bergwerk im Landkreis Würzburg verantwortlich sein.

Trotzdem ist das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg noch nicht überzeugt. Denn es geht nicht nur um Wasser, das in die Grube eindringen könnte. Vielmehr besteht die Behörde darauf, dass auch "eine langfristige Gefährdung der Trinkwassergewinnungen der Gemeinden Altertheim, Waldbrunn sowie der Zeller Stollen der Trinkwasserversorgung Würzburg im Hinblick auf das Wasserdargebot (Menge) wie auch die Wasserqualität ausgeschlossen sein muss".

Deshalb wird jetzt untersucht, ob "Veränderungen der Wasserwegsamkeiten" - gemeint ist die Durchlässigkeit des Untergrundes, die sich durch das Bergwerk verändern könnte - eintreten können, die "zu höheren Sulfatgehalten im Grund- und Trinkwasser oder zu einer Reduzierung der Wassermenge führen", erklärt Wasserwirtschaftsamtleiter Herbert Walter.

Was jetzt gerade passiert

Aktuell entstehen deshalb nach den Vorgaben der Wasserwirtschaftsverwaltung 18 neue Bohrungen. 17 von ihnen sollen zu Grundwassermesstellen ausgebaut werden und auch den späteren Betrieb, insofern er genehmigt wird, dauerhaft überwachen. Mit den daraus gewonnenen Daten sollen in verschiedenen Szenarien mögliche Auswirkungen auf Grund- und Trinkwasser untersucht werden.

Bei Knauf rechnet man damit, dass die Untersuchungen im Februar 2022 abgeschlossen sein werden. Danach erfolgt die Auswertung der Daten bis Mitte 2022. Das neue Bohrprogramm, für das Knauf die DMT, eine Tochterfirma der TÜV Nord AG beauftragt hat, kostet den Konzern zwei Millionen Euro extra. Und bedeutet: eineinhalb Jahre Zeitverzug für das Projekt. 

Was Knauf sagt

Zeit, die in der Baubranche gerade sehr kostbar ist. Denn mit Deutschlands Ausstieg aus der Kohle geht Knauf der Gips aus. Genauer gesagt, der sogenannte REA-Gips. Der synthetische und wegen seiner Reinheit geschätzte Rohstoff entsteht in Anlagen zur Rauchgasentschwefelung (kurz: REA) von Kohlekraftwerken. REA-Gips hat immerhin noch einen Marktanteil von 43 Prozent in Deutschland. Doch bei Knauf befürchtet man, dass es bereits 2030 nur noch Restmengen an REA-Gips geben wird.

"Wenn das Projekt scheitert, wäre es keine Existenzfrage für Knauf, aber möglicherweise für den Standort Iphofen."
Manfred Grundke, Komplementär der Knauf-Gruppe

Nur etwa drei Prozent der benötigten Gipsmengen könne man über Recycling abdecken. Und Naturgips aus Südspanien oder Nordafrika nach Iphofen zu transportieren, lohne sich nicht. Manfred Grundke sagt: "Wenn das Projekt scheitert, wäre es keine Existenzfrage für Knauf, aber möglicherweise für den Standort Iphofen." Daran wolle man aber gegenwärtig noch nicht denken. "Wir sind zuversichtlich, dass das Abbauvorhaben in Altertheim von den Behörden genehmigt wird."

Bei aller Zuversicht betont Baldwin Knauf: "Wir nehmen die Bedenken der Menschen sehr ernst." Und Gesellschafter Manfred Grundke fügt hinzu: "Wir gehen davon aus, dass wir das Grundwasser nicht gefährden. Wenn es ein Risiko wäre, würden wir es nicht machen."

Wann das Trinkwasserschutzgebiet kommen könnte

Die hydrogeologischen Untersuchungen, um die Grenzen des künftigen 66 Quadratkilometer großen Trinkwasserschutzgebietes zu bestimmen, ziehen sich seit 1992. Doch noch in diesem Jahr könnte es vorangehen: Laut Umweltamt des Landratsamtes Würzburg arbeitet der Trinkwasserversorger gerade an den Details zu einzelnen Wasserschutzzonen, Einschränkungen und Verboten. Die Unterlagen sollen im zweiten Halbjahr 2021 eingereicht werden. Im Anschluss wird das Landratsamt das förmliche Verfahren einleiten.
Quelle: akl
 
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