Frühlingshaft warm und sonnig war der 23. Februar 1945. Er wurde zum dunkelsten Tag in Kitzingens Geschichte. Es war noch nicht einmal 13 Uhr und nichts war mehr wie es war. Die Stadt lag in Schutt und Asche. Die Evangelische Volksschule gab es nicht mehr, das Deuster-Schloss war schwer beschädigt und auch der Alte Friedhof in der Stadtmitte wurde zerstört.
Bereits um 7 Uhr läuteten die Sirenen, weil Aufklärungsflugzeuge über Mainfranken gesehen wurden, schreibt Stadtarchivarin Doris Badel in einer Abhandlung über den Luftangriff von 1945. Um kurz nach 11.30 Uhr brach das Inferno los. Oberst Warren, der am frühen Vormittag mit gut 1200 Bombern in Südengland gestartet war, setzte eine Markierung von der Neuen Mainbrücke in Richtung Bahnhof. 444 Sprengbomben ließen die Piloten daraufhin aus etwa fünf Kilometern Höhe fallen. Der Bahnhof und die Gleisanlagen wurden schwer getroffen. Auch die Oberschule für Jungen im Rosengarten, in der ein Lazarett eingerichtet war, wurde voll getroffen.
700 Menschen sind im Bombenhagel gestorben
In der Stadt brach das Chaos aus. Die Menschen rannten in Panik und voller Angst durch die Straßen und suchten Schutz in den Kellern – in der Hoffnung, dass der Albtraum bald ein Ende haben möge. Was sie damals noch nicht wussten: Es sollten noch vier Angriffswellen folgen. Am Ende sind 35 Prozent der Stadt zerstört, 700 Kitzingerinnen und Kitzinger gestorben.
Nur zwei Minuten dauerte die nächste Angriffswelle. Von 11.40 bis 11.42 Uhr warfen 36 Bomber 432 Bomben auf den Bahnhof sowie die umliegenden Straßen. Viele der notdürftigen Luftschutzkeller, meistens Weinkeller, hielten den Sprengungen nicht stand. Gerade dort fanden viele Menschen den Tod. Noch vor 12 Uhr folgte der dritte Angriff. Dieses Mal traf es vor allem das Gebiet rund um die Sulzfelder Unterführung. 192 Sprengladungen fielen innerhalb von 120 Sekunden auf Kitzingen.
446 Bomben in zwei Minuten
Dann war Ruhe – 45 Minuten lang. Die ersten trauten sich aus den Schutzräumen und fanden nichts mehr vor, wie sie es kannten. Der Zeitzeuge Franz Heinz Krauß, beim Angriff acht Jahre alt, erinnert sich: "Die ganze Welt hatte sich verändert“, sagt er – überall Schutt und Dreck. „Das Dach von unserem Haus war wie ein Korbgeflecht, genauso bei den Nachbarn.“ Die Straßen um die Nürnberger Eisenbahnbrücke sahen aus wie eine Kraterlandschaft, viele Häuser in der Inneren Sulzfelder Straße waren zerbombt, darunter auch die Kunstwabenfabrik von Martin Englert.
Kitzingen war nur ein Gelegenheitsziel
Doch die amerikanischen Bomber kannten kein Erbarmen. Um 12.37 Uhr startete die vierte Angriffswelle. Dieses Mal traf es den Bereich zwischen Stadtpark und der Brauerei Scheuernstuhl. Innerhalb vom zwei Minuten warfen 37 Piloten 446 Bomben ab. Ziel des Angriffs: Der Bahnhof, an dem "gerade die weithin in der Sonne glänzenden Flakgeschütze verladen wurden", wie Doris Badel schreibt.
Doch noch immer war der Albtraum nicht vorbei. Das Ziel des fünften und letzten Angriffs waren die nördlich gelegenen Viertel bis zum Bahnhof. Was bis dahin noch stand, war nach der fünften Welle zerstört. 586 Sprengladungen warfen die Bomber ab und da sie in einem größeren Abstand flogen, traf es dieses Mal die gesamte Stadt. Der Krainberg lagen ebenso in Trümmern wie der nördliche und westliche Hindenburgring, die Alte Poststraße, Falter- und Herrnstraße oder der Friedhof. Um 12.45 Uhr war es endlich vorbei.
"Der Himmel hat sich rot gefärbt. Wir haben die vielen, dumpfen Einschläge gehört und Flammen gesehen", erzählt Adolf Prechtlein Jahre später von diesem schwarzen Freitag im Februar 1945. Der damals Sechsjährige machte mit seiner Mutter und seinen Geschwistern Holz im Klosterforst, als die Bomben auf Kitzingen fielen. "An der Alten Mainbrücke waren Soldaten-Posten, die uns zuerst nicht in die Stadt gelassen haben."
Erst Stunden später durften sie passieren. Obwohl Prechtlein noch ein Kind war, haben sich die Eindrücke in sein Gehirn gebrannt: "Wir sind über tote Ziegen und Kühe gestiegen. Dann haben wir gesehen, dass unser Haus total zerbombt war. Die Wasserleitung vom Eselsberg runter war aufgerissen, überall war Schutt und Chaos."
Wäre es nicht so ein schöner warmer Tag gewesen, wäre Kitzingen vielleicht sogar verschont geblieben. Denn eigentlich sollten Bahnhöfe in Oberfranken und die Gegend zwischen Eger und Plauen bombardiert werden. Doch wegen schlechter Sicht entschlossen sich die Bomberpiloten für einen schnellen Abwurf über sogenannten Gelegenheitszielen. Außer über Kitzingen wurden am 23. Februar 1945 auch Bomben auf Lichtenfels, Schweinfurt, Meiningen, Hildburghausen und Crailsheim abgeworfen.
Der Text über den Luftangriff auf Kitzingen wurde aus mehreren Zeitzeugenberichten und einer Abhandlung von Stadtarchivarin Doris Badel zusammengefasst. Alle Berichte zum Jahrtag des Bombardements finden Sie in unserem Dossier.
Der Kitzinger Bombenangriff
Beteiligte Flugzeuge: 174 amerikanische Bomber
Anzahl der abgeworfenen Bomben: etwa 2100 Sprengbomben von jeweils 227 Kilogramm
Gewicht aller abgeworfenen Bomben: 476,7 Tonnen
Dauer des Angriffs: 75 Minuten
Dauer des Bombenhagels: etwa 8 Minuten
Tote: 700 Kitzingerinnen und Kitzinger, das entspricht etwa 5 Prozent der damaligen Bevölkerung
Zerstörte Gebäude: etwa 800 Wohnhäuser mit 2020 Wohnungen, das entspricht etwa 35 Prozent der Gebäude in der Stadt
Zerstörte Brücken: 1 der 4 Mainbrücken schwer beschädigt