
Die Freiheit des angeklagten Mönchs Abraham Sauer ist gerade stark eingeschränkt - aber nicht wegen seines mutigen Eintretens per Kirchenasyl zum Schutz eines Flüchtlings aus dem Gazastreifen. Wegen eines Corona-Ausbruchs im Benediktiner-Kloster Münsterschwarzach (Lkr. Kitzingen) saß der 50-jährige Ordensmann am Freitag zu Hause in Quarantäne statt erneut auf der Anklagebank. Deshalb erfuhr er vom endgültigen Freispruch am Bayerischen Obersten Landesgericht in Bamberg erst am Telefon.
Das Handeln für die Menschenwürde erhält rechtliche Bestätigung
Seiner Freude über den Freispruch in letzter Instanz tat das keinen Abbruch: "Ich bin froh und dankbar für das Urteil", teilt der unterfränkische Mönch mit. In einer Presseerklärung des Klosters heißt es: Es sei "gut, dass vor Gericht noch einmal dargestellt wurde, dass die Kirchen hier kein staatliches Sonderrecht bekommen und man den Rechtsstaat untergraben wolle." Wichtig sei für ihn in der Zeit zwischen den beiden Gerichtsterminen auch der Rückhalt innerhalb seiner Gemeinschaft gewesen. Auch der Abt des Klosters, Michael Reepen, zeigte sich in einer Presseerklärung vom Urteil erfreut. "Unser Handeln für die Menschenwürde hat nun auch eine rechtliche Bestätigung erhalten," heißt es in einer Nachricht an die Redaktion.
Das Urteil gilt als wegweisend für andere Verfahren
Entscheidend sei gewesen, dass Bruder Abraham sich strikt an die Vereinbarung zwischen Staat und Kirchen zum Umgang mit Kirchenasylen von 2015 gehalten habe. Es gebe keine Pflicht für die Aufnehmenden, ein Kirchenasyl aktiv zu beenden, selbst wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die erneute Prüfung des Falls ablehnend beschieden habe - wie im vorliegenden Fall. Der Flüchtling sollte nach Rumänien abgeschoben werden, der Mönch gewährte weiterhin Asyl.
Nach diesem Urteil ist es laut Rechtsanwalt Franz Bethäuser, dem Verteidiger des Mönchs, "nun für andere Verfahren einfacher, Ordensleute und Pfarrer vor einer Strafverfolgung zu bewahren". Mehrere in der Bamberger "Mahnwache Asyl" zusammengeschlossene Gruppen begrüßten, dass sich das Bayerische Oberste Landesgericht in seiner Begründung nicht nur auf den Einzelfall bezogen habe. Es habe auch einen rechtlichen Rahmen für grundsätzliche Fragen der Strafbarkeit von Kirchenasyl und Entscheidungen aufgrund von Gewissensfreiheit formuliert.
In ihrem Namen erklärte Pfarrerin Mirjam Elsel: Das Urteil schaffe Klarheit für Verantwortliche und sei wegweisend für noch laufende andere Verfahren. Es stärke Ordensleute, Pfarrer und Pfarrerinnen sowie Gemeinden, die nach sorgfältiger Prüfung Kirchenasyl gewährten und so Menschen in höchster Not beistünden. Elsel koordiniert die Flüchtlingsarbeit im evangelischen Dekanatsbezirk Bamberg.
Erinnerung an das Kirchenasyl durch die Oberzeller Franziskanerin Juliana Seelmann
Zuletzt gab es außer im Fall des Ordensmannes zwei weitere Urteile in Franken gegen Kirchenangehörige wegen der Gewährung von Kirchenasyl. In Würzburg erhielt die Oberzeller Franziskanerin Juliana Seelmann eine Verwarnung mit Strafvorbehalt.
Die Schwester hatte sich ebenso wie der Benediktiner in Kitzingen auf ihr Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit berufen. Auch hier ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Ein Termin für die Berufungsverhandlung steht aus.
Eine Verwarnung mit Strafvorbehalt erteilte das Amtsgericht Bayreuth im November dem methodistischen Pastor Stefan Schörk. Im September 2019 stellte das Amtsgericht Sonthofen ein Verfahren gegen den evangelischen Pfarrer von Immenstadt, Ulrich Gampert, wegen geringer Schuld gegen eine Geldbuße ein. Noch anhängig ist ein Verfahren gegen die oberfränkische Benediktineräbtissin Mechthild Thürmer. Auch sie wird von Anwalt Bethäuser vertreten.
2020 wurden nach Angaben des Justizministeriums 27 und im vergangenen Jahr 43 Verfahren gegen Kirchenangehörige eingeleitet. In insgesamt sechs der eingeleiteten Verfahren sei Anklage erhoben worden. Das Kloster in Münsterschwarzach will sich im Laufe der Woche bei einer Pressekonferenz umfassend zum Thema äußern.