
Mit dem Glockenläuten um 18 Uhr strömten gut 300 Menschen auf die weitläufige Wiese am Gemeindeheim der Johanneskirche in Hallstadt. Die "Bamberger Mahnwache Asyl" hatte zu dieser Kundgebung für das Pfarrersehepaar Andreas Schlechtweg und Susanne Wittmann-Schlechtweg aufgerufen.
Das Paar muss sich wegen Gewährung von Kirchenasyl vor dem Amtsgericht Bamberg verantworten. Dabei "ist Kirchenasyl ein wichtiges Zeichen für Menschlichkeit und Barmherzigkeit!", rief Pfarrerin Mirjam Elsel, Sprecherin der "Bamberger Mahnwache Asyl" der versammelten Schar zu.

Es war eine ökumenische Gemeinschaft aus beiden großen Kirchen, die "ein riesiges Zeichen größter Solidarität mit dem Pfarrersehepaar" zeigten. So freute sich Dekan Hans-Martin Lechner über die Anteilnahme an dem bevorstehenden Justizverfahren. "Hier stehen keine Verbrecher vor Gericht, sondern Menschen, die aus christlicher Verantwortung gehandelt haben – auf der Spur Jesu Christi!", rief der Dekan.
Dekan
Mit Kirchenasyl stelle sich die Kirche nicht gegen das staatliche Recht, sondern trage dazu bei, dass "der Gerechtigkeit Geltung verschafft wird". Er stehe "voll hinter dem Kirchenasyl", so Lechner, wie auch die Bischöfe Heinrich Bedford-Strohm und Dorothea Greiner, deren gemeinsame Grußbotschaft an die "Mahnwache" er verlas.
Thomas Schmitt, Beauftragter für Kirchenasyl der Evangelischen Landeskirche in Bayern, erinnerte an die 82,4 Millionen Menschen, die 2020 weltweit auf der Flucht waren, davon 80 Prozent jenseits sicherer Nahrungsversorgung. Lediglich 200 000 Flüchtlinge gelangten nach Europa.
Schmitt nannte des Weiteren die Zahl von aktuell 13 Kirchenasylen in bayerischen evangelischen Gemeinden: "Liebe Politiker, lasst die Kirche im Dorf!", mahnte der Redner angesichts dieser niedrigen Zahl. Die Kirche beanspruche keine Sonderrechte: "Sie verantwortet sich ja", betonte Schmitt und wandelte ein bekanntes Bibelwort um: "Als Christen geben wir dem Rechtsstaat, was Sache des Staates ist, Gott geben wir durch die Hilfe für Menschen in Not, was seines ist." Und: "Unser Platz als Christen ist zwischen den Stühlen!"
Ein Grußwort sprach auch der Münsterschwarzacher Benediktiner-Bruder Abraham Sauer, der wegen Kirchenasyl in der Abtei vor dem Amtsgericht Kitzingen stand und zunächst freigesprochen wurde. Doch die Staatsanwaltschaft hat gegen den Freispruch Revision eingelegt. "Ich lebe gern in Deutschland und stelle den Rechtsstaat und das Grundgesetz nicht in Frage", betonte Bruder Abraham. Er richtete einen eindringlichen Appell an die Politiker in Bayern im Blick auf die Strafverfolgung in Sachen Kirchenasyl: "Schaut auf eure Gesinnung! Muss das sein?!"
Mucksmäuschenstill wurde es auf der Wiese, als die Kirchschlettener Äbtissin Mechthild Thürmer ans Mikrofon trat. Sie muss sich ebenfalls wegen mehrerer Fälle von gewährtem Kirchenasyl vor Gericht verantworten. Der Termin steht noch nicht fest. Die Äbtissin dankte dem Pfarrersehepaar Wittmann-Schlechtweg und der ganzen Johannesgemeinde, dass "sie Zeugnis dafür ablegen, wie wichtig ihnen menschliches Handeln an Mitmenschen ist, die der Hilfe bedürfen".
Solches Handeln aus dem Geist der Bergpredigt Jesu "kann keine Straftat sein, weil uns unser christliches Gewissen keine andere Wahl lässt". Mutter Mechthild bat alle um das Gebet, dass "dies auch die Gerichte anerkennen, damit Kirchenasyl auch in Zukunft ein rettender Anker nach unvorstellbar schrecklichen Erlebnissen auf der Flucht bleiben kann".
Pfarrerin Elsel resümierte, dass auch weiterhin Kirchenasyle gebraucht werden, da sich die Flüchtlingspolitik verschärft habe. "Andere Lösungen sind immer der bessere Weg", räumte Elsel ein. Doch es würden mehr denn je "couragierte Gemeinden und Ordensgemeinschaften gebraucht".
Das Ehepaar Wittmann-Schlechtweg dankte den Teilnehmern an der "Mahnwache": "Ihre Solidarität stärkt uns den Rücken!" Rückgrat zeigte auch Liedermacher Wolfgang Buck, der die Kundgebung mit passenden Songs bereicherte: "Nicht spar’n, wenn ein Armer vor deiner Tür steht, nicht spar’n an Herz und Verstand…", hieß es sinnigerweise in einem Lied.
Schriftlich richtete auch die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Bamberg (ACK) eine Grußadresse an das Pfarrersehepaar. "Wir sprechen ihnen öffentlich unsere Solidarität aus", heißt es in dem vom Vorstand – der katholische Diakon Ulrich Ortner und die evangelische Diakonin Andrea Hofmann – unterzeichneten Brief.
Das Hallstadter Kirchenasyl sei eine Tat der praktizierten Nächstenliebe und sei aus einer Gewissensentscheidung heraus geschehen: "Es war keinesfalls eine willkürliche Missachtung der staatlichen Autorität." Keine staatliche Regelung stehe höher als die Freiheit des Gewissens und das Gebot der Nächstenliebe: "Mit Unverständnis und Protest begegnen wir daher den gegenwärtigen Bestrebungen der Rechtsprechung, Gewissensentscheidungen einzuschüchtern und Akte der Nächstenliebe zu kriminalisieren", so die ACK.