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Iphofen
Kehrtwende: Iphofen zeigt sich offen für Solaranlagen
Das Thema brennt Bauherren unter den Nägeln, aber bisher hieß es für die Altstadt immer: kein Solarstrom. Jetzt deutet sich in dieser strittigen Frage ein Klimawandel an.
Solaranlagen sind in Zeiten des Klimawandels immer gefragter und zum Teil schon vom Gesetzgeber vorgeschrieben. In der Altstadt lösen sie oft hitzige Diskussionen aus.
Foto: djd/E.ON/Simon Kraus - Fotolia | Solaranlagen sind in Zeiten des Klimawandels immer gefragter und zum Teil schon vom Gesetzgeber vorgeschrieben. In der Altstadt lösen sie oft hitzige Diskussionen aus.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:24 Uhr

Glitzernde Solarpaneele in historischen Altstädten, das ist in etwa so wie ein Tesla auf einer Oldtimer-Ausfahrt. In Zeiten wie diesen nicht ganz ausgeschlossen, aber doch ein Fremdkörper, der auffällt und sich abhebt, unpassend und irgendwie nicht gewollt. Wer wissen will, warum es die Sonnenenergie in deutschen Innenstädten immer noch schwer hat, sollte dieses Bild vor Augen haben. Da sind die einen, die Vertrautes schützen und bewahren möchten, die schwarze Technikmodule und rote Biberschwanzziegel nicht zusammenbringen – und da gibt es die anderen, die den Fortschritt forcieren und die Zukunft in die Stadt holen wollen.

Der Iphöfer Stadtrat Otto Kolesch, der seit 30 Jahren im Gremium sitzt, sagt: „Eher kurz- als mittelfristig werden wir den Spagat zwischen Energiewende und Denkmalschutz hinbekommen müssen.“ Solartechnik in Altstädten grundsätzlich zu verbieten sei nicht mehr zeitgemäß.

Bisher lautete der Konsens: keine Solaranlagen in der Altstadt

Das sehen mittlerweile auch andere so, voran Iphofens Bürgermeister Dieter Lenzer und Stadtplaner Franz Ullrich. Seit diesem Sommer häufen sich laut Lenzer die Anfragen nach Solarstrom auf den Dächern – „in den Stadtteilen noch stärker als in der Stadt“, wie Ullrich sagt. Das wachsende Interesse sieht der Stadtplaner als „Auftakt zu einem Prozess, um gemeinsam nachzudenken, wie wir künftig mit dem Thema umgehen“.

Bisher folgte Iphofen in dieser Sache eher einem kategorischen Imperativ: keine Solaranlagen in der Altstadt! Das war Konsens, quer durch alle Gruppierungen im Stadtrat. Die Frage ist: Können Kommunen sich bei der Bedeutung der Klimapolitik dem Thema weiter verschließen? Können sie die Sache angesichts immer neuer Auflagen des Bundes weiter wie eine lästige Fliege vom Tisch wischen?

Als erstes deutsches Bundesland hat Hamburg ab 2023 eine Pflicht zur Installierung von Solaranlagen gesetzlich vorgeschrieben. Baden Württemberg plant ein solches Gebot für Nichtwohngebäude. Und Bayern will nach Worten von Ministerpräsident Markus Söder zum Top-Sonnenland werden. Im „Münchner Merkur“ kündigte er im Juli dieses Jahres bereits für 2022 eine mögliche Pflicht zur Nutzung von Solarstrom an – zunächst für gewerbliche Neubauten, später dann für private.

Am 1. November ist in Deutschland das Gebäudeenergiegesetz in Kraft getreten, das Photovoltaikanlagen auf oder an Gebäuden mehr Gewicht für die energetische Beurteilung der Gebäude gibt. Laut Ullrich sind denkmalgeschützte Ensembles wie die Iphöfer Altstadt zwar von der Verordnung ausgenommen. Dennoch will Bürgermeister Lenzer sich „an das Thema herantasten“ und „Ansätze finden, um mit der wachsenden Zahl an Anträgen umzugehen“.

In anderen Städten sind sie schon einen Schritt weiter

Andere Städte im Landkreis sind in dieser Frage schon kompromissbereiter. In der Kitzinger Altstadt dürfen Solaranlagen installiert werden, wenn sie von öffentlichen Flächen aus nicht zu sehen sind und keine Nachbargebäude stören, etwa durch Blendwirkung. Weiter öffnen will sich die Stadt bislang aber nicht, bestärkt vom Landesamt für Denkmalpflege. Dort heißt es, Photovoltaikanlagen würden die „Seele“ Kitzingens entstellen. Auch in der Volkacher Altstadt sind Solaranlagen erlaubt, wenn sie nicht von der Straße aus zu sehen sind. Die Stadt hat unter dem neuen Bürgermeister Heiko Bäuerlein allerdings schon angekündigt, die für solche Fragen relevante Gestaltungssatzung im Stadtrat „überarbeiten“ zu wollen.

Vor allem in der Nähe zu historischen oder denkmalgeschützten Bauten sind die schwarzen Solarmodule umstritten.
Foto: Renate Reichl | Vor allem in der Nähe zu historischen oder denkmalgeschützten Bauten sind die schwarzen Solarmodule umstritten.

Dem Iphöfer Bauausschuss hat Stadtplaner Ullrich Bilder aus einer Broschüre des Landesamts für Denkmalpflege präsentiert. Wenn Solaranlagen an oder vor historischen Bauten in der Vergangenheit gescheitert sind, dann in der Regel am Widerstand der Denkmalschützer. Inzwischen gibt es Signale, die auf eine Öffnung deuten. Selbst hinter dem Münchner Maximilianeum, dem Sitz des Landtags, ist in Absprache mit dem Denkmalschutz ein großes Feld mit Solarpaneelen entstanden, gut versteckt hinter Bäumen.

Die Lösung zeigt, wie es künftig funktionieren könnte, Fortschritt und Tradition miteinander zu versöhnen. Es geht um nicht einsehbare Bereiche. In sensiblen Zonen wie der Altstadt bergen sie das größte Potenzial für die Solartechnologie. Für Ullrich geht es darum „moderne Technik zu nutzen und in Einklang mit der Qualität des Ortsbilds zu bringen“. Diesen Anspruch könnte die Stadt demnächst auch in eine Satzung fassen.

Auch in Iphofen gibt es wohl genügend geeignete Dächer

Iphofens Zweiter Bürgermeister Hans Brummer sagt, man müsse auch mal mutig sein. Für ihn heißt das, „Flächen in der Altstadt festzulegen, die für Solarstrom geeignet sind“. Das läuft auf ein Solarkataster hinaus, wie es andere Städte bereits eingerichtet haben. In Landsberg am Lech etwa soll es helfen, einen ersten Eindruck über die grundsätzliche Eignung von Dachflächen für Solaranlagen zu bekommen. „Das Solarkataster versteht sich als ein erster Baustein in einem integrierten kommunalen Klimaschutzkonzept“, heißt es dort.

Stadtrat Kolesch verweist darauf, dass es auch in Iphofen ausreichend Möglichkeiten gebe, Solaranlagen „verträglich“ auf denkmalgeschützten Gebäuden zu installieren. In den Stadtteilen könne man in dieser Hinsicht sogar „einen Tick liberaler“ sein, findet Hans Brummer. Dort ist es meist auch leichter möglich, solche Anlagen auf Nebengebäuden und damit weniger störend anzubringen.

Aus Sicht von Bürgermeister Lenzer geht es darum, „übergroße Anlagen“ auf den Dächern zu verhindern. Deshalb soll es in der Satzung den Passus geben, Solaranlagen nur in einer Größe zuzulassen, die den Stromeigenbedarf decken. Noch sind das alles nur Absichtsbekundungen. Konkrete Beschlüsse hat der Bauausschuss am Montagabend nicht gefasst. Und doch ist all das mehr, als in den vergangenen 20 Jahren zu dem heiklen Thema gekommen ist.

 
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