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Kitzingen
Kastanienhof: Gasthaus weicht Kitzingens erster Tagespflege
Die Tradition des Kastanienhofs als Gaststätte ist zu Ende: Jolanta Uschok hat dort eine Tagespflege für Senioren eingerichtet. Auch der frühere Biergarten wird sich wandeln.
Tagespflege statt Gaststätte: Jolanta Uschok bietet im Kastanienhof in Kitzingen nun die Möglichkeit, hilfsbedürftige Senioren tagsüber betreuen zu lassen. In den offenen Bereich rechter Hand vom Eingang ist ein Klavier eingezogen, auf dem ab und zu eine Pianistin spielen soll – oder einer der Gäste.
Foto: Barbara Herrmann | Tagespflege statt Gaststätte: Jolanta Uschok bietet im Kastanienhof in Kitzingen nun die Möglichkeit, hilfsbedürftige Senioren tagsüber betreuen zu lassen.
Barbara Herrmann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:23 Uhr

Gewinnen und Verlieren liegt nicht nur im Sport oft nah beieinander. Auch in punkto Kastanienhof trifft dieser Grundsatz zu: Die Stadt Kitzingen verliert eine Gaststätte mit schönem Biergarten, gewinnt aber ihre erste Tagespflege für Senioren. Und diese können sich dann im Sommer einen schönen Platz unter den Schatten spendenden Kastanien aussuchen. Nicht nur darauf freut sich Jolanta Uschok, die die Einrichtung betreibt. "Ich hab' hier ganz viel Liebe reingesteckt", sagt die 59-Jährige beim Tag der offenen Tür während eines Rundgangs durch das renovierte Erdgeschoss.

Zum Tag der offenen Tür kamen wegen der Corona-Pandemie nur wenige Gäste in die neue Tagespflege-Einrichtung in den Katanienhof. Im Bild zu sehen sind Freunde der Betreiberin Jolanta Uschok.
Foto: Barbara Herrmann | Zum Tag der offenen Tür kamen wegen der Corona-Pandemie nur wenige Gäste in die neue Tagespflege-Einrichtung in den Katanienhof. Im Bild zu sehen sind Freunde der Betreiberin Jolanta Uschok.

Zwar stehen dort noch Tische unterschiedlicher Größe, an denen künftig Frühstück und Mittagessen serviert wird, aber eben nicht mehr für Kneipengänger. Die große Theke ist verschwunden, der Durchgang zur offenen Küche vergrößert. In den Nebenraum rechter Hand vom Eingang sind Sessel, Sofas und ein Klavier eingezogen. Neu ist der Durchbruch von diesem Raum aus weiter nach hinten, wo zwei kleinere Räume Rückzugsmöglichkeiten bieten. Ein Architekt hatte dort noch bis Oktober 2020 sein Büro. Nun stehen die kompletten 300 Quadratmeter des Erdgeschosses für die Tagespflege zur Verfügung.

Soziale Kontakte für demente Menschen

Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr werden dort künftig bis zu 35 ältere Menschen versorgt. Sich unterhalten, spielen, basteln oder – wer es kann – gerne selbst Klavier spielen sollen die hilfsbedürftigen Senioren dort tagsüber. Zudem könnten sie, erläutert Jolanta Uschok, in der Küche mitarbeiten: Salat zupfen, Kuchen rühren. Ein großer Tisch in der Küche steht dafür schon bereit. Vor allem, sagt die Chefin, sei es gerade jetzt während der Corona-Panmdemie wichtig, die Angehörigen zu entlasten. "Demente Menschen brauchen soziale Kontakte, sie brauchen Beschäftigung."

In der Küche der Tagespflege im Kastanienhof sollen demente Menschen mithelfen können.
Foto: Barbara Herrmann | In der Küche der Tagespflege im Kastanienhof sollen demente Menschen mithelfen können.

Die gelernte Krankenschwester weiß, wovon sie spricht. Seit 36 Jahren lebt und arbeitet die gebürtige Oberschlesierin in Deutschland, davon über 20 Jahre in der Würzburger Rotkreuzklinik. Seit fast fünf Jahren betreibt Uschok die Tagespflege im ehemaligen Café Schönblick im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld, zudem einen ambulanten Pflegedienst mit 40 Mitarbeitern in Würzburg. Rund 60 Mitarbeiter hat sie bislang, die Tagespflege in Kitzingen soll angesichts der Pandemie und des daraus folgenden Hygieneplans langsam aufgebaut werden. "Meine Familie gibt mir viel Kraft", sagt sie mit Blick auf dieses neue Standbein und strahlt dabei den Mann an ihrer Seite an: Dr. Roland Schmitt, ein Gynäkologe im Ruhestand.

Rosin riet zum Steakhaus

Von seinem früheren Kollegen aus Kitzingen, Dr. Wolfgang Weber, kam die Idee zur Tagespflege im Kastanienhof vor rund eineinhalb Jahren. Zu dem Zeitpunkt hatte "Das Steakhaus im Kastanienhof" bereits geschlossen. Anfang 2018 hatte Sternekoch Frank Rosin von der Fernsehsendung "Rosins Restaurants" dem damaligen Pächter-Ehepaar noch zur Umwandlung des fränkischen Gasthofs in eben dieses Steakhaus geraten. Doch auch die Aufmerksamkeit per Fernsehkamera konnte den Fortbestand des Kastanienhofs als Gaststätte nicht retten. Ein gutes Jahr später war endgültig Schluss mit der rund 150 Jahre alten Tradition (siehe Infokasten).

Historische Aufnahme von 1915: Das Bild zeigt das Henning-Bäu in der Bahnhofstraße Kitzingen.
Foto: Stadtarchiv Kitzingen | Historische Aufnahme von 1915: Das Bild zeigt das Henning-Bäu in der Bahnhofstraße Kitzingen.

Es sei schwierig, überhaupt noch Pächter zu finden, die das ordentlich betreiben, sagt Weber am Telefon. "Darum habe ich mich vom Konzept Gastronomie im Kastanienhof verabschiedet." Er finde das auch sehr schade, aber er habe nach vielen Pächterwechseln "den Mut verloren". Seit dem Jahr 1989 gehört ihm das Gebäude, in den oberen Stockwerken befinden sich Mietwohnungen.

Für die behindertengerechte Renovierung zur Senioreneinrichtung habe er als Eigentümer viel Geld investiert, ebenso wie Jolanta Uschok. Beide sind sich einig, dass die Tagespflege dort langfristig Bestand haben soll. Die Hin- und Rückfahrt übernimmt der Fahrdienst Röder aus Großlangheim, das Essen liefert der Catering-Service Wolz aus Estenfeld.

Den früheren Biergarten des Kastanienhofs dürfen nun die Gäste der neuen Tagespflege nutzen.
Foto: Barbara Herrmann | Den früheren Biergarten des Kastanienhofs dürfen nun die Gäste der neuen Tagespflege nutzen.

Schon jetzt freut sich Uschok auf den Frühling. "Die Garnituren für draußen haben wir schon gekauft." Auf dem Podest im hinteren Teil des Gartens sollen dann Blumen wachsen und Kletterrosen über das neue Tor. Dieses schließt den breiten Zugang in der Hecke und gibt dem einst beliebten Biergarten eine neue Bedeutung: Er wird ein sicherer Aufenthaltsort im Freien für die Gäste der Tagespflege.

Die Geschichte des Kastanienhofs

Erbaut 1865: Der 1823 in Kitzingen geborene Gastwirt und Brauer Adam Groß hat 1865, als Kitzingen an das Eisenbahnnetz Würzburg-Nürnberg angeschlossen worden ist, das Gebäude in der Bahnhofstraße erbaut. Ein Jahr später errichtete er hinter dem Gast- und Wohngebäude ein Brauhaus, das er 1877 an das Unternehmerduo „Bernhard & Heinlein“ verkaufte. Beide waren Braumeister.
Henning-Bräu: Jean Henning hat den gesamten Komplex 1902 erworben und ihm den Namen „Brauhaus Kitzingen“ gegeben. Im Volksmund hieß es jedoch immer nur „Henning-Bräu“.
2. Weltkrieg: Nach dem Bombenangriff auf Kitzingen vom 23. Februar 1945 wurde die Henning-Bräu zu einer der größten Unglücksstätten. Im Anwesen war neben der Firma Kugelfischer und dem Chemielabor Knoll A.G. Ludwigshafen auch der Kindergarten der "Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt" untergebracht. Mindestens 17 Volltreffer gingen auf dieses Gebäude nieder und verwandelten es in ein Trümmerfeld. 30 Kinder und drei Kindergärtnerinnen fanden hier den Tod.
Nachkriegszeit: Im ersten Adressbuch nach dem 2. Weltkrieg aus dem Jahr 1950 steht der heutige Kastanienhof wieder im Verzeichnis der Gastwirtschaften unter „Henningbräu“ mit der Pächterin Berta Zedlitz. Vermutlich wurde es seitdem, bis zum Sommer 2019, durchgehend als Gastwirtschaft genutzt.
Quelle: Doris Badel, Leiterin des Stadtarchivs Kitzingen
Schickes Gasthaus: Die Aufnahme von 1937 zeigt die Henningbräu-Gaststätte von innen. Unter dem Bild steht 'Das Haus der guten Küche. Schöne Lokale. Großer schattiger Garten'.
Foto: Stadtarchiv Kitzingen | Schickes Gasthaus: Die Aufnahme von 1937 zeigt die Henningbräu-Gaststätte von innen. Unter dem Bild steht "Das Haus der guten Küche. Schöne Lokale. Großer schattiger Garten".
 
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