
Jüdische Mitbürger waren in vielen Gemeinden im Landkreis Kitzingen gang und gäbe; vielerorts waren sie integriert. Mit dem Nationalsozialismus kam für sie Vertreibung, Entrechtung, Tod. In einer Serie zum Jubiläum "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" erinnert Gastautor Wolf-Dieter Gutsch an ehemalige jüdische Familien im Landkreis.
Moses Herz wurde am 19.11.1873 in Dornheim bei Iphofen geboren. Sein Vater war der aus Bolechow in Galizien (heute Polen und Ukraine) stammende Isaak Herz, der ab 1865 als israelitischer Religionslehrer und Kantor in der kleinen jüdischen Kultusgemeinde Dornheim arbeitete. Die Mutter Sofie war eine geborene Schönfärber aus Dornheim.
Moses Herz trat in die Fußstapfen seines Vaters und wurde ebenfalls Lehrer und Kantor. 1894 trat er 21-jährig seine erste Stelle in Prichsenstadt an. Die außergewöhnlich gute Stimme von Moses Herz war wohl der Grund dafür, weshalb er gelegentlich zu feierlichen religösen Veranstaltungen außerhalb von Prichsenstadt eingeladen wurde. So wirkte er beispielsweise im Oktober 1895 bei der Einweihung der neuen Synagoge in Nenzenheim mit. In einer Pressemeldung wird berichtet, "dass sämtliche Gesänge bei der Feier von Herrn Lehrer Herz vorgetragen wurden. Herr Herz entledigte sich seiner Aufgabe vorzüglich."
Ein Nichtjude als Trauzeuge
1897 heiratete Moses Herz in Prichsenstadt die 1866 geborene Sophie Haas, die einer alteingesessenen jüdischen Familie entstammte. Ihr Vater, Bernhard Bär Haas, war ein renommierter Antiquitätenhändler mit zahlreicher Kundschaft aus bayerischen Adelshäusern.
Bei der standesamtlichen Trauung von Moses und Sophie Herz war der Arzt Dr. Georg Reinlein aus Prichsenstadt – ein Nichtjude – Trauzeuge. Herz pflegte offenbar gute gesellschaftliche Beziehungen über die konfessionellen Grenzen hinweg.
Noch im Jahre 1897 verließ das jungvermählte Ehepaar Prichsenstadt und zog zunächst nach Regensburg, wo Herz eine attraktivere und wohl besser bezahlte Anstellung bekommen hatte. Ende 1897 kam dort Arno Herz als erstes Kind zur Welt. Schon im Jahr darauf zog die Familie nach Bad Homburg vor der Höhe, wo Herz die Stelle als Oberkantor und Religionslehrer der Israelitischen Kultusgemeinde antrat. Dort kamen drei weitere Kinder des Ehepaars zur Welt: Sophoni, Bessy und Erwin.
Das Ehepaar Herz ermöglichte seinen Kindern eine gute Ausbildung: Erwin wurde Journalist, Sophoni Sozialwissenschaftler und Arno studierte Medizin und praktizierte später als Arzt in Berlin. Er emigrierte 1935 in die USA. Ihm blieb die zunehmende Entrechtung und Verfolgung der jüdischen Bürger erspart.
Pogrom und Ermordung
Am 10. November 1938 wurde in Bad Homburg die Wohnung von Moses und Sophie Herz vollständig zerstört. Ihr Sohn Sophoni leitete damals das jüdische Waisenhaus in Dinslaken.
Erwin Herz konnte im Oktober 1939 mit seiner Familie in die USA emigrieren. Sophoni floh über Belgien nach Australien, nahm als australischer Soldat am Zweiten Weltkrieg teil und ließ sich dann in Israel nieder. Bessy Herz war im Mai 1941 aus Berlin zu ihren Eltern nach Bad Homburg zurückgekehrt.
Am 10. Juni 1942 wurde sie in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort wohl direkt nach ihrer Ankunft ermordet. Dieses Schicksal teilte sie mit ihren Eltern Moses und Sophie, die am 2. September in das Ghetto Theresienstadt kamen und von dort aus schließlich in das Vernichtungslager Treblinka. Zur Erinnerung an Moses, Sophie und Bessy Herz sind im März 2017 Stolpersteine vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in Bad Homburg verlegt worden.

Großmutter von Psychologe Erich Fromm

Bad Homburg vor der Höhe spielte auch im Leben anderer Menschen aus dem Landkreis Kitzingen eine Rolle: Der aus Großlangheim stammende Seligmann Fromm (1822 – 1898) war von von 1851 bis 1875 Rabbiner in Bad Homburg.

Seine Frau Rachel, geb. Bamberger (1831 – 1893), stammte aus Wiesenbronn. Ihr Vater war der berühmte Rabbiner Seligmann Bär Bamberger (1807 – 1878). Zu ihren zahlreichen Enkelkindern gehörte der weltbekannte Sozialpsychologe und Autor Erich Fromm (1900 – 1980).
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