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Altenschönbach
Juden im Landkreis Kitzingen: Die Leiden der Familie Schwarz
Von der großen Altenschönbacher Familie und ihren Nachkommen überlebten nur zwei Mitglieder. Die Schicksale der meisten Angehörigen endeten mit der Vernichtung durch die Nazis.
Familie Schwarz vor ihrem inzwischen abgerissenen Haus in Altenschönbach: das Ehepaar Frieda und Simon Schwarz, vermutlich mit Tochter Paula, im Jahr 1929.
Foto: Dr. Morris Weiss | Familie Schwarz vor ihrem inzwischen abgerissenen Haus in Altenschönbach: das Ehepaar Frieda und Simon Schwarz, vermutlich mit Tochter Paula, im Jahr 1929.
Wolf-Dieter Gutsch
 |  aktualisiert: 09.02.2024 11:51 Uhr

Zum Jubiläumsjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" hat Gastautor Wolf-Dieter Gutsch aus Wiesentheid jüdische Schicksale im Landkreis Kitzingen recherchiert. In dieser Folge geht es um die traurige Geschiche der vielköpfigen Familie Schwarz.

Im Oktober 1919 kehrte Simon Schwarz nach 20 Jahren Abwesenheit in seinen Geburts- und ehemaligen Heimatort Altenschönbach zurück, gemeinsam mit seiner Ehefrau Frieda und vieren seiner acht Kinder: Karl, Selma, Julius und Paula.

Simon Schwarz wurde am 21. Mai 1873 in Altenschönbach als zweiter Sohn von Josef Schwarz und Therese, geb. Rosenthal, geboren. Sein Vater entstammte einer alteingesessenen jüdischen Familie in Altenschönbach, die Mutter wurde in Wonfurt geboren.

Simon Schwarz besuchte wohl die Volksschule in Altenschönbach und war danach wahrscheinlich seinem Vater in dessen Geschäft behilflich. 1898 heiratete er in Hanau Frieda Cassel, die am 1. März 1878 in Stammheim (Kreis Friedberg) in Hessen zur Welt kam und deren Mutter auch aus Altenschönbach stammte.

Nur zwei der Kinder überlebten

Simon und Frieda Schwarz wohnten zunächst in Stammheim, wo Simon Schwarz als "Handelsmann" tätig war. Sechs Kinder wurden in Stammheim geboren: Max (Jahrgang 1898), Theodor (1900), Adolf (1902), Recha (1903), Karl (1905) und Selma (1907).

Zwischen 1907 und 1910 zog Simon mit seiner Familie nach Darmstadt. Dort kamen die Kinder Julius (1910) und Paula (1913) zur Welt. Simon Schwarz ernährte die Familie als Fabrikarbeiter. Im September 1918 starb der Sohn Adolf in Offenbach als Sattlerlehrling im Alter von nur 16 Jahren. Etwa ein Jahr später zog Simon Schwarz dann mit mit seiner Frau Frieda und den Kindern Paula, Julius, Selma und Karl nach Altenschönbach.

Die Familie wohnte im Haus Nr. 21, welches schon lange im Besitz verschiedener jüdischer Familien gewesen war und in dem zuletzt Veist Hennochstein mit seiner Familie lebte. Max und Recha Schwarz blieben im Großraum Frankfurt. Sohn Theodor starb als Invalidenrentner im November 1923. Simon Schwarz betrieb in seinem Wohnhaus in Altenschönbach ein Tuch- und Schnittwarengeschäft und handelte später auch mit Rauch- und Manufakturwaren.

Das Haus der Familie Schwarz in Altenschönbach, Hausnummer 21, aufgenommen 1925. Etwa 1960 wurde es abgerissen.
Foto: Dr. Morris Weiss | Das Haus der Familie Schwarz in Altenschönbach, Hausnummer 21, aufgenommen 1925. Etwa 1960 wurde es abgerissen.

Nach und nach verließen die Kinder den Ort. Schließlich lebten 1938 nur noch Frieda und Simon Schwarz dort. Sie mussten die zunehmende Demütigung, Entrechtung und Verfolgung während der Nazi-Zeit erleben. Beim Pogrom am 10. November 1938 kam es in den jüdischen Häusern von Altenschönbach zwar zu Durchsuchungen nach Waffen und "staatsfeindlicher Literatur", aber anscheinend nicht zu großen Zerstörungen und Gewaltakten. Allerdings wurde die Synagoge aufgebrochen und geschändet.

Einige Wochen später beschwerten sich jüdische Einwohner bei der Polizei über Beschädigungen an ihren Anwesen. Bei Simon Schwarz wurde der Gartenzaun demoliert und auf die Straße geworfen; die Suche nach den Tätern blieb jedoch erfolglos.

Der Grabstein von Simon Schwarz auf dem jüdischen Friedhof in Gerolzhofen (Aufnahme von 1995).
Foto: Werner Steinhauser | Der Grabstein von Simon Schwarz auf dem jüdischen Friedhof in Gerolzhofen (Aufnahme von 1995).

Simon Schwarz starb am 11. Juli 1939 im Israelitischen Krankenhaus in Würzburg und wurde auf dem Bezirksfriedhof in Gerolzhofen begraben. Frieda Schwarz wurde am 22. April 1942 – gemeinsam mit vier anderen jüdischen Einwohnern – von einer Polizeieskorte zunächst nach Prichsenstadt gebracht. Von dort ging es per Bahn nach Würzburg und am 25. April 1942 – zusammen mit etwa 850 jüdischen Menschen aus Unterfranken – nach Krasnystaw in Ostpolen, unweit Lublin gelegen. Im benachbarten Transitghetto Krasniczyn oder im nahen Vernichtungslager Sobíbor wurden im Laufe der nächsten Monate alle Insassen des "Evakuierungstransports" aus Würzburg ermordet – mit ihnen auch Frieda Schwarz.

Max Schwarz wohnte zuletzt in München und wurde schon 1937 im KZ Dachau inhaftiert, 1938 in das KZ Buchenwald verlegt und dort am 13.11.1941 ermordet. Recha Schwarz wurde 1938 von Berlin aus in das KZ Lichtenburg gebracht, wo sie am 4.6.1942 ums Leben kam.

Karl Schwarz hatte in Frankfurt eine Familie gegründet und wurde am 11.11.1941 mit seiner Frau Chaja und den Kindern Albert, Josef und Rachel in das Ghetto Minsk deportiert. Dort wurde die ganze Familie ermordet.

Paula Schwarz arbeitete als Dienstmädchen in Plauen, Aschaffenburg und Friedrichroda. Am 10.5.1942 wurde sie nach Belzyce bei Lublin deportiert und starb wohl kurz darauf in einem Vernichtungslager.

Haft in England als Lebensrettung

Von der zehnköpfigen Familie Schwarz aus Altenschönbach haben also lediglich zwei Kinder die Zeit des Nationalsozialismus und des Weltkriegs überlebt, nämlich die Tochter Selma und der Sohn Julius. Selma Schwarz arbeitete als Dienstmädchen in Fulda und später in Fürth. 1927 emigrierte sie von Hamburg nach Brasilien – ihr Schicksal ist unbekannt.

Julius Schwarz lebte ab etwa 1930 in Frankfurt und arbeitete dort als Bäcker und Konditor. Bald nach seiner Heirat im Jahre 1938 wurde er in das KZ Sachsenhausen eingeliefert und kam Mitte 1939 wieder frei. Er emigrierte nach Großbritannien, wurde bei Kriegsbeginn interniert und im September 1940 nach Australien überstellt. Seine Frau Esther und seine 1940 geborene Tochter Judith, die er nicht nachholen konnte, wurden 1942 in den Osten deportiert und wohl in der Nähe von Lublin ermordet. Julius Schwarz starb als ”Joe Julius Schwarz” am 24. September 1999 in Melbourne in Australien und wurde auf dem dortigen jüdischen Friedhof beerdigt.

Ausstellung und Vortrag

Zum Jubiläumsjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" wurde die Dauerausstellung im Malerwinkelhaus Marktbreit "Frauen-Zimmer, Lebensstationen in einer fränkischen Kleinstadt" akzentuiert und zeigt nun auch Aspekte jüdischen Lebens in  Marktbreit zwischen 1900 und 1940. 
Dazu findet am Donnerstag, 16. September, um 19.30 Uhr in der Rathausdiele in Marktbreit eine Multimedia-Präsentation von Museumsleiterin Dr. Simone Michel-von Dungern statt. Wegen der coronabedingten Beschränkung der Teilnehmerzahl ist eine Anmeldung bis Freitag, 10. September, nötig: Tel. (09332) 405-401, Mail: stadt@marktbreit.de
Quelle: Stadt Marktbreit

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