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Kitzingen/Giebelstadt
In Unterfranken geht eine außergewöhnliche Spargelsaison zu Ende
Zitterpartie mit den Erntehelfern, kaum Gastronomie, phasenweise Kälte und Regen: Wie die unterfränkischen Spargelbauern die Saison 2020 überstanden haben.
Spargeleinkauf an der B 19 bei Würzburg - in Corona-Zeiten nur mit Mindestabstand und Maske. 
Foto: Silvia Gralla | Spargeleinkauf an der B 19 bei Würzburg - in Corona-Zeiten nur mit Mindestabstand und Maske. 
Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:36 Uhr

Hinter den unterfränkischen Spargelbauern liegen schwierige Monate, und doch fällt das Fazit zur Saison überwiegend positiv aus: "Die Ernte lief trotz kalter Witterung im Mai und Regentagen im Juni gut; die meisten Spargelbauern haben keine großen Gewinne, aber auch keine großen Verluste gemacht", sagt Andreas Becker, Leiter der Abteilung Gartenbau des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Kitzingen. Und das, obwohl der Beginn der Spargel-Ernte genau mit dem Ausbruch von Corona in Deutschland und den damit verbundenen Ausgangs- und Reisebeschränkungen zusammenfiel.

Dass man trotz widriger Umstände "mit einem blauen Auge davongekommen" sei, hat laut Becker verschiedene Gründe. Zum einen sei ein Teil der Anbaufläche weggefallen, da viele Landwirte Junganlagen oder ältere Anlagen wegen der Unsicherheiten zu Beginn der Saison nicht aufbereitet hätten. So hätte man den übrigen Spargel besser vermarkten können.

"Alle waren zuhause, niemand ist weggefahren - da hatte man genug Zeit zum Schälen, Kochen und Genießen."
Miriam Adel, Vorsitzende des Spargel-Erzeugerverbands Franken

Auch ein Teil der Saisonarbeiter sei weggeblieben – eine weitere Kostenersparnis für viele Betriebe. Da es aufgrund der Exportbeschränkungen wenig ausländischen Spargel auf dem Markt gab, sei außerdem der Absatz der regionalen Ware über den Einzelhandel gut gelaufen, so Andreas Becker. Ein Kilo Spargel kostete um die zehn Euro, was einem Preisanstieg von bis zu einem Euro im Vergleich zum Vorjahr entspricht.

Große Zuwächse gab es in der Direktvermarktung: "Hofläden und mobile Stände wurden wiederentdeckt", sagt Miriam Adel aus Schwabach, Vorsitzende des Spargel-Erzeugerverbands Franken. Gerade über die Oster- und Pfingstferien hätten viele Spargel gekauft. "Alle waren zuhause, niemand ist weggefahren", so Adel, "da hatte man genug Zeit zum Schälen, Kochen und Genießen." Betrieben, die normalerweise einen Großteil ihrer Ware an die Gastronomie liefern, sei es allerdings schlecht ergangen; Adel spricht von einem "Beinahe-Totalausfall".

Der Direktverkauf rettete manchem Spargelbauern in dieser Saison das Geschäft, da Einkünfte aus der Gastronomie fast komplett wegfielen. Im Bild: eine Verkäuferin des Giebelstädter Spargelhofs Kuhn.
Foto: Silvia Gralla | Der Direktverkauf rettete manchem Spargelbauern in dieser Saison das Geschäft, da Einkünfte aus der Gastronomie fast komplett wegfielen. Im Bild: eine Verkäuferin des Giebelstädter Spargelhofs Kuhn.

Beim Hof Kuhn aus Giebelstadt, mit über 30 Hektar Spargel laut eigenen Angaben der größte Anbauer im Landkreis Würzburg, musste man sich um die Gastronomie keine Gedanken machen. Familie Kuhn hat sich seit 1995 auf den Direktabsatz spezialisiert. "Alles, was erzeugt wird, muss sofort in einer unserer 25 Hütten im Großraum Würzburg an den Endverbraucher verkauft werden", sagt Georg Kuhn, der zusammen mit seinem Sohn Fabian den Betrieb leitet. Dadurch, dass viele Menschen in Kurzarbeit seien, und Studenten einen Job suchten, sei es in diesem Jahr leichter als sonst gewesen, die etwa 80 benötigten Verkäufer für die Stände zu finden. Und: "Von der Erntemenge her lief die Saison sogar etwas besser als 2019", so der Senior, der die vergangenen Monate als "außergewöhnliche Zeit" empfunden hat.

Helfer durften Betrieb nicht verlassen

Insbesondere die Zitterpartie um die Erntehelfer hat Spuren hinterlassen. "Das Reiseverbot hat die Spargelbauern vor riesige Probleme gestellt", sagt Miriam Adel. Bis Ende März sei ungewiss gewesen, ob überhaupt Saisonkräfte einreisen durften. In dieser Zeit hätten sich zahlreiche inländische Arbeitskräfte gefunden, darunter Studenten, Arbeitslose oder Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Doch nicht wenige hätten die Arbeit als "zu schwer" empfunden und nach ein paar Tagen wieder abgebrochen, berichtet Adel. Als Vorsitzende des Spargel-Erzeugerverbands Franken war sie mit zahlreichen Politikern in Kontakt. Ihr Appell damals: "Die ausländischen Erntehelfer müssen kommen können!"

Per Ausnahmegenehmigung wurde dies schließlich möglich; viele Helfer aus Polen und Rumänien durften einreisen. Auch auf dem Spargelhof Kuhn atmeten Vater und Sohn auf, als Anfang April die ersten Rumänen in Giebelstadt eintrafen. 140 Helfer kamen auf dem Betriebsgelände unter, das sie für die kommenden drei Monate nicht mehr verlassen durften. "Für mich als Betriebsleiter hat sich das schlecht angefühlt, gleichzeitig ging es aber um die Gesundheit der Mitarbeiter", so Georg Kuhn. Da die Einschränkungen zu ihrem eigenen Wohl waren, seien die meisten einsichtig gewesen. Weder Kuhn, noch Becker vom AELF oder Adel vom Spargel-Erzeugerverband haben von einem Corona-Fall unter den Saisonarbeitern in Franken gehört.

"Meine Mannschaft ist wie eine große Familie, für die ich Verantwortung trage, dass sie wieder gesund nach Hause kommt."
Georg Kuhn, Spargelbauer aus Giebelstadt

Die Umsetzung der Hygiene-Richtlinien hätte sich allerdings als große Herausforderung erwiesen. Von der Isolierung der Arbeiter, die gerade erst eingereist und daher in Quarantäne waren, über ein ausgeklügeltes Schichtsystem, bei dem die Helfergruppen durch verschiedenfarbige Warnwesten gekennzeichnet wurden und auf unterschiedlichen Feldern arbeiteten, bis hin zu Einkäufen für 140 Menschen. "Zusammen mit einer Kollegin habe ich für die Mitarbeiter eingekauft, Dutzende von Aftershaves, Rasierschaum, alles, was eben benötigt wird", erzählt Kuhn.

Handy-Käufe für die Mitarbeiter

Auch über 100 Handys organisierte der Spargelbauer für seine Mitarbeiter. "Die wenigsten hatten ein internetfähiges Handy", so Kuhn. Dies sei aber für den Kontakt zur Familie sehr wichtig. "Die Arbeiter, darunter 90 Frauen mit zum Teil noch kleinen Kindern, sind bis zu neun Wochen weg von zuhause", verdeutlicht er. "Sie kommen zu uns, um uns zu helfen, doch hinter dieser Arbeit stecken auch menschliche Schicksale."

Erstmals wären Angstgefühle da gewesen, so Kuhn. "Die Situation mit Corona ging an die Nerven - meine Mannschaft ist wie eine große Familie, für die ich Verantwortung habe, dass sie wieder gesund nach Hause kommt." Bei den Fahrten vom Hof zum Feld hätten die Arbeiter während der zweiwöchigen Quarantänezeit Masken getragen, ebenso beim Sortieren des Spargels am Band. Im Feld sei auf zwei Meter Abstand zwischen den Helfern geachtet worden. Zu vermitteln, dass man auf dem Hof sicher arbeiten könne, sei wichtig gewesen. "Wir als Betrieb leben davon, dass unsere Leute nächstes Jahr wiederkommen wollen."

Spargel in Unterfranken

Unterfranken ist innerhalb Frankens das größte Anbaugebiet für Spargel - mit einer Gesamtfläche von 562 Hektar, verteilt auf 101 Betriebe. Der Landkreis Kitzingen ist mit 244 Hektar das größte Anbaugebiet, auf den Landkreis Schweinfurt entfallen 133 Hektar und auf Würzburg-Land 79 Hektar. In Unterfranken beginnt die Spargel-Saison witterungsbedingt meist bis zu zwei Wochen früher als in Mittelfranken. Die Saison endet traditionellerweise am 24. Juni (Johannistag); manche Betriebe dehnen den Verkauf aber noch bis Ende Juni/Anfang Juli aus.
Quelle: AELF/Spargel-Erzeugerverband Franken
 
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