Auf den ersten Blick wirken die Unternehmerinnen und Unternehmer wie Fremdkörper in der Volkacher Mainfranken-Kaserne. Hier dunkler Zwirn, dort geflecktes Grün. Hier privatwirtschaftliche Betriebe, dort staatliche Hierarchie. Was also hat der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) mit der Bundeswehr zu tun?
Der BVMW war kürzlich zu Gast beim Logistikregiment 4, um Fragen der Führung und der Sicherheit miteinander zu diskutieren. "Unsere wirtschaftliche Prosperität funktioniert nur dann, wenn die äußere Sicherheit gewährleistet ist", hatte es der BVMW in seiner Einladung formuliert. Doch wer versorgt wie die Bundeswehr, die durch die internationalen Kriege und Krisen an Bedeutung gewonnen hat?
Mittelständische Wirtschaft liefert Material und Personal an die Bundeswehr
Medial stehen die Milliarden aus dem Sondervermögen des Staats für Heer, Luftwaffe und Marine im Fokus und mit ihm die großen Rüstungskonzerne. Sie vor allem liefern an die Bundeswehr, so der vorherrschende Eindruck, erklärte Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt des BVMW. Der Mittelstand komme oft nur als Zulieferer zum Zuge.
Dabei könne er deutlich mehr, wenn es um die tagtägliche Versorgung der Truppe gehe, sage Völz. Allerdings gebe es große Hemmnisse: Vergabefahren kennzeichnete er als kompliziert und bürokratisch. Produktionskapazitäten der Firmen seien in der Vergangenheit abgebaut worden, weil die Bundeswehr klein gespart wurde und folglich die Nachfrage nach Rüstungsgütern sank. Damit ging auch ein Personalab- oder -umbau einher, denn Unternehmen würden keine Kapazitäten vorhalten, wenn dies nicht wirtschaftlich sei.
Großkonzerne profitieren, Lieferungen des Mittelstands stagnieren
Auch jetzt, da offensichtlich wieder Geld in die Bundeswehr investiert wird, lässt sich der Schalter in den Unternehmen nicht auf die Schnelle umlegen. Mitunter dauert es, entsprechende Produktionslinien wieder aufzubauen. Aktuell profitieren eher die Großkonzerne vom steigenden Auftragsvolumen der Bundeswehr, zeigte eine Statistik, die Völz mitgebracht hatte, während die Lieferungen des Mittelstands stagnieren.
Völz lenkte den Fokus aber nicht allein aufs Material, sondern auch aufs Personal, mit dem die Wirtschaft die Bundeswehr unterstütze. Schließlich würden viele Unternehmen Reservisten für Übungen stellen. Dabei sei Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten gefragt, um den Bedürfnissen der Truppe ebenso Rechnung zu tragen wie denen der Unternehmen.
Der Weg des Personals sei allerdings keine Einbahnstraße, denn scheidende Bundeswehr-Angehörige suchten noch deutlich vor dem allgemeinen Rentenalter nach neuer Verwendung in der zivilen Gesellschaft. Dass die Soldatinnen und Soldaten gut ausgebildete Spezialisten in einer Vielzahl von Berufen seien, darauf wiesen Standort-Kommandeur Oberst Matthias Kampf und andere Bundeswehr-Vertreter hin. Allein in Volkach gebe es jedes Jahr rund 80 Abgänger, die den Firmen zur Verfügung stünden, ein großes "Humanpotenzial" für die regionale Wirtschaft, sagte Kampf.
Oberst Kampf: Deutschland wird im Kriegsfall zur Drehscheibe der Nato-Truppen
Der Kommandeur des Logistikregiments 4 stellte nicht nur die Aufgaben seiner Einheit und der ihr unterstellten Bataillone vor. Er brachte es salopp auf die Formel: "Wir unterhalten und unterstützen alles, was schießt." Kampf zeigte im Überblick auch, welche Bedeutung im Kriegsfall der deutsche Staat einnehme. Den potenziellen Feind verortete Kampf dabei im Osten, wenig überraschend angesichts des Kriegs, den Russland gegen die Ukraine führt.
Der Kommandeur betonte, dass die Logistiker der Bundeswehr nicht nur die Versorgung deutscher Truppen zum Ziel hätten, sondern für alle durchziehenden Nato-Verbände – zuvorderst aus den USA, Großbritannien und Frankreich – Unterstützung leisten müssten. Deutschland kommt dabei also nicht nur geografisch eine zentrale Rolle zu.
Im Kriegsfall müssten auch Zivilisten ran
Wer übrigens glauben sollte, Krieg sei Sache der Bundeswehr, dem gab Kampf klar zu verstehen: Im Krisenfall würden zivile Einrichtungen und die Zivilisten selbst in die Verteidigungsstrategie einbezogen. Nur ein Beispiel aus Sicht des Logistikregiments: Für die Unmengen an Material und Fahrzeugen, die dann bewegt werden müssten, bräuchte es unzählige Lastwagen-Fahrer, die dann eben nicht mehr dem Wirtschaftskreislauf zur Verfügung stünden.
Ist die Verbindung von Bundeswehr und Wirtschaft schon in Friedenszeiten enger, als man erwarten würde, so wäre sie in Kriegszeiten entscheidend. Oder mit Blick auf die Eingangsthese des BVMW: Äußere Sicherheit ist nur mit einer leistungsfähigen Wirtschaft zu gewährleisten.
Soll die Bundeswehr tatsächlich verteidigungsfähig (kriegsfähig halte ich für eine sprachliche Fehlleistung der VM) braucht’s Reservisten in großem Umfang. Reservisten müssen nicht nur von der Wirtschaft freigestellt werden, sondern kosten auch verdammt viel Geld.
Das was heute stattfindet ist weniger als ein winziger Bruchteil des berühmten Tropfen auf dem heissen Stein.