International vernetzt war der Bäckereimaschinen-Hersteller Fritsch schon immer. Schließlich beliefert das ehemalige Familienunternehmen schon lange Kunden in aller Welt mit seinen Bäckereimaschinen oder -anlagen. Doch in dieser Woche erreichte das babylonische Stimmengewirr im Technologiezentrum am Standort Kitzingen eine neue Dimension: Russisch, Englisch, Spanisch, Französisch drang gleichzeitig durch die Werkshallen.
43 Geschäftsführer aus 27 Ländern der Fritsch-Mutter Multivac waren von verschiedenen Kontinenten nach Kitzingen gereist, um die neueste Erwerbung des Verpackungskonzerns kennen zu lernen. Die Gäste aus aller Welt erfuhren, wie mit Fritsch-Maschinen und -Anlagen Teigtaschen, Brezeln oder Nusshörnchen hergestellt werden.
Zwei Geschäftsführer leiten nun die Fritsch-Welt
Fast so neu wie für die Gäste ist für Andreas Eyd die Fritsch-Gruppe, die im Rahmen einer Insolvenz erst vor wenigen Wochen den Besitzer wechselte. Der Multivac-Manager ist seither Geschäftsführer für den Vertrieb. Die technische Geschäftsführung hat sein Partner Frank Gabriel inne. Eyd stand der Redaktion am Rande des Multivac-Treffens Rede und Antwort zur Zukunft der Fritsch Bakery Technologies GmbH & Co. KG, so der offizielle Name.
Der Vertriebschef ist per se viel unterwegs, doch seit der Übernahme der neuen Aufgabe noch häufiger als sonst. Sein Zimmer in Kitzingen hat Eyd in den vergangenen Wochen erst ein einziges Mal genutzt. Seine Mission: Er reist zu den Fritsch-Kunden, um ihnen die neue Strategie des Multivac-Konzerns zu erklären und zugleich zu beruhigen, dass Fritsch seine Produktion wie gewohnt weiterführen und den Markt mit Bäckereimaschinen beliefern wird.
"Unsere Kunden sind sehr loyal", zieht Eyd eine erste Zwischenbilanz seiner Reisen. "Der Name Fritsch ist positiv belegt; die Produkte sind gut." Deshalb habe so mancher Kunde, als er von der Fritsch-Insolvenz erfahren hatte, nicht gleich bei der Konkurrenz bestellt, sondern sein Projekt auf Eis gelegt. Getrieben von der Hoffnung, dass der bewährte Anlagenbauer Fritsch auch unter der neuen Mutter Multivac bald wieder liefern könnte. Das Vertrauen in die Marke Fritsch sei geblieben, sagt Eyd. "Wir brauchen euch auf dem Markt", habe ein Kunde ihm unumwunden gesagt.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Insolvenz des lange so erfolgreichen Familienunternehmens, dass über 90 Jahre lang in dieser Form existierte, umso bitterer. "Managementfehler in der Vergangenheit", redet Eyd nicht lange drumrum. Das wiederum erleichtert ihm sein Geschäft: "Fritsch hat hoch motivierte Mitarbeiter, die wissen wie es geht. Die Marke ist akzeptiert, und die Produkte sind oft besser als andere auf dem Markt."
Das hat auch die neue Mutter Multivac erkannt und zugegriffen. Deshalb wird sie im Landkreis Kitzingen investieren – ein Bekenntnis zur hiesigen Region. Auch der Name Fritsch und das Logo sollen bleiben, ergänzt um den Multivac-Schriftzug. Allerdings muss Vertriebschefs Eyd mit Blick auf den Stammsitz von Fritsch in Markt Einersheim einräumen: Gebäude und Anlagen dort "sind nicht das, was wir uns bei Multivac vorstellen". Fritsch brauche moderne und effiziente Produktions- und Verwaltungsstätten. Deshalb hat sich das neue Führungsduo schon im Umkreis umgesehen. Es scheint wohl so, dass das Kitzinger Gewerbegebiet conneKT gute Chancen hat, die neue Fritsch-Heimat zu werden.
Denn für Eyd steht fest, dass der "Tourismus" zwischen den Standorten Markt Einersheim und Kitzingen beendet werden muss. Deshalb hat Fritsch schon heute Montagehallen im conneKT angemietet. Wahrscheinlicher ist aber, dass die benötigten 12 500 Quadratmeter Produktionsfläche und ein Verwaltungsgebäude neu zu errichten sind. Da das Technologiezentrum in gutem Zustand sei, spreche viel für einen weiteren Standort in Kitzingen. Aber noch, betont Eyd, ist keine Entscheidung gefallen.
Mutterkonzern gibt der Tochter Zeit zur Entwicklung
Diese ehrgeizigen Pläne kosten Geld. Doch die Mutter gibt der Tochter die Zeit, sich neu aufzustellen. Im Insolvenzjahr 2019 "passt der Umsatz nicht zur Zahl der Mitarbeiter", gibt der Geschäftsführer zu. Aber das ist für die Konzernzentrale ebenso akzeptabel wie ein "moderater Businessplan" für das Jahr 2020. Ab 2021 werden die Anforderungen aus dem Konzernsitz in Wolfertschwenden sicher steigen.
Bis dahin wollen Eyd und Gabriel Altlasten überwinden. Zurzeit haben sie nicht weniger als 132 "Arbeitspakete" identifiziert. Man könnte auch sagen: Mängel und Fehlerquellen, die nach und nach abgearbeitet werden müssen. Zugleich soll die Produktion weiter ausgeweitet werden; ein gutes Zeichen dafür, die rund 500 Mitarbeiter zählende Fritsch-Belegschaft mittelfristig wieder aufzubauen. Vor der Insolvenz waren es etwa 600 Beschäftigte.
Ein neues Management-Ziel hat sich der Vertriebschef bereits gesetzt: Während die alte Firmenleitung viel auf Großanlagen setzte, will Eyd ebenso die Sparte der Bäckereimaschinen für den kleinen Handwerksbäcker stärken. Nicht zuletzt ein geplatzter Großauftrag hatte Fritsch nämlich in die Insolvenz geführt. Die Abhängigkeit davon war zu groß geworden.
Vertriebschef setzt auf das Know-how der Belegschaft
Eyd setzt aber auch auf die Vernetzung in der Multivac-Familie: Der Spezialist für Lebensmittelverpackungen hat ein großes Know-how im Maschinenbau. Das soll für einen Innovationsschub bei Fritsch sorgen. Und schließlich sind die weltweiten Kontakte von Multivac – der Konzern beliefert Kunden in 140 Ländern – ein weiteres Sprungbrett für Fritsch. So könnten die Mutter aus dem südbayerischen Schwaben und die Tochter aus dem nordbayerischen Franken gemeinsam Erfolge verbuchen.
Der Besuch der 43 Multivac-Manager bei Fritsch hatte auch diesen Hintergrund: in ihren Herkunftsländern die Trommel zu rühren für das neue Familienmitglied aus Markt Einersheim/Kitzingen.