Im Juli traf Starkregen den Landkreis Kitzingen und überflutete mehrere Ortschaften, darunter Prichsenstadt, Wiesentheid und Schwarzach. Vor allem in Schwarzach gibt es seitdem Unmut: Das Wasserwirtschaftsamt (WWA) sei in Sachen Hochwasserschutz viel zu lange untätig geblieben. Der Schwarzacher Bürgermeister Volker Schmitt (FW) fordert deshalb vom zuständigen Amt, rasch den Auftrag für ein Schutzkonzept zu vergeben. Friedrich Altmann, der Leiter des WWA Aschaffenburg, erklärt im Interview, warum es mit Konzepten so lange dauert, wo die Probleme liegen und wie weit seine Behörde jetzt ist.
Friedrich Altmann: Da muss man zwei Kategorien unterscheiden. Die große Zahl der Gewässer sind Gewässer dritter Ordnung. Für diese sind die Gemeinden selbst zuständig. Die Dorfschätze-Kommunen haben ein Konzept bei einem Ingenieurbüro in Auftrag gegeben, in dem verschiedene Rückhaltebecken und -bereiche vorgesehen sind. Jede Gemeinde muss nun für sich in die Umsetzungsphase kommen. Für die mittelgroßen Gewässer, die Gewässer zweiter Ordnung wie die Schwarzach, ist der Freistaat Bayern zuständig. Ebenso für die großen Gewässer erster Ordnung. Bayernweit werden von den Wasserwirtschaftsämtern seit einigen Jahren sogenannte Basisstudien zum Hochwasserschutz erarbeitet, um zu schauen, wo Handlungsbedarf besteht. Daraus leitet der Freistaat Bayern eine Priorisierung für notwendige Einzelprojekte ab. Jetzt ist es so, dass wir in Aschaffenburg für nahezu 400 Kilometer Flüsse zuständig sind. Das ist aufgrund der enormen Gewässerlänge eine Prozedur, die Jahre dauert. Ein großer Teil der Basisstudien ist aber schon fertig.
Altmann: Im Bereich der Schwarzach sind wir leider Gottes, es ist unschön, noch nicht dazu gekommen. Da es dort mehrfach Hochwasserprobleme gab, haben wir entschieden, jetzt direkt in die Planungsphase einzusteigen. Wir wollen einen Vorentwurf beauftragen, der als Entscheidungshilfe für spätere Detailplanungen dient, und erarbeiten zurzeit die Unterlagen, um das Geld für diese Erstellung eines Vorentwurfs zu beantragen. Da gibt es gewisse Prozeduren, die man einhalten muss: Man muss die konkrete Aufgabenstellung zusammenstellen, die Notwendigkeit begründen und die Kosten kalkulieren. Dieser Finanzierungsantrag geht zur Prüfung an die Regierung von Unterfranken, die den Antrag zur Genehmigung an das Bayerische Staatsministerium für Umwelt- und Verbrauchsschutz weiterschickt.
Altmann: Wir müssen bei unserer Planung natürlich berücksichtigen, was aus dem Steigerwald herunterkommt. Die Schwarzach ist ja sozusagen das letzte Ende der Fahnenstange. Dort läuft alles zusammen. Da gibt es die Erkenntnisse aus dem Rückhaltekonzept der Dorfschätze-Gemeinden, die bei den weiteren Planungen berücksichtigt werden müssen.
Altmann: Nein, man muss die Wechselwirkungen betrachten: Was machen die Kommunen an den Gewässern dritter Ordnung und was hat das für Auswirkungen auf den Hochwasserschutz unten? Wenn von oben weniger runterkommt, dann muss ich unten den Hochwasserschutz vielleicht anders konzipieren, brauche möglicherweise andere oder niedrigere Mauern. Streng genommen müssten wir erst warten, was die Gemeinden konkret machen in ihrem Zuständigkeitsbereich. Eigentlich sind zunächst die Kommunen gefordert, in ihren politischen Gremien zu entscheiden, was sie umsetzen werden. Aber wir im Wasserwirtschaftsamt haben jetzt entschieden, dass wir nicht unendlich warten können, im Sinne der Bürger muss es ja weitergehen. Wir können nicht immer einer auf den anderen warten.
Altmann: Ich hoffe, dass wir im November noch die Genehmigung für die Planung und das Geld bekommen. Dann suchen wir sofort ein geeignetes Ingenieurbüro. Das wirtschaftlichste Angebot bekommt den Zuschlag – nicht das billigste, sondern das, von dem wir uns die beste Leistung für unser Geld erhoffen. Man muss für so einen Vergabeprozess mindestens zwei Monate rechnen. Der Vorentwurf selbst braucht erfahrungsgemäß ein halbes bis ganzes Jahr. Wichtig ist, dass sich die Kommunen mit 35 Prozent der Planungs- und Baukosten am Projekt beteiligen müssen. Darüber wollen wir bei dem Gespräch mit der Kommune Schwarzach am 7. Oktober reden.
Altmann: Ja. Dann wird vielleicht Ende 2022 die Planung vorliegen, so dass wir Konkretes wissen. Wenn wir ein Büro finden, das die Planung so zügig machen kann. Viele Planungsbüros sind momentan völlig ausgelastet und können keine Aufträge annehmen. Deswegen ist es auch nicht sinnvoll, wenn ich sagen würde, innerhalb eines halben Jahres haben wir den Plan. Ich kann es momentan einfach nicht versprechen.
Altmann: Da kann ich keine Prognose geben. Bis so ein Projekt zu 100 Prozent fertig ist, gehen von Planungsbeginn an oft zehn Jahre ins Land. Die Frage des Grunderwerbs ist eine der zentralen Fragen: Wenn die Planung steht, wird auch feststehen, dass man Mauern und Deiche bauen muss. Dafür braucht man logischerweise Grundstücke, die uns die Bürger und Bürgerinnen erst verkaufen müssen. Da will ich an den Zusammenhalt in Schwarzach appellieren. Auch wenn es schweren Herzens ist, ich würde auch ungern von meinem Garten ein Stück abgeben. Aber nur, wenn alle zusammenhelfen, lässt sich der Hochwasserschutz realisieren.
Altmann: Es gibt theoretisch die Möglichkeit einer Enteignung, aber wir streben grundsätzlich an, dass alles im Einvernehmen mit den Bürgern abläuft. Es kann aber nicht sein, dass alle darunter leiden, weil einer ein Stück von seinem Obstgarten nicht verkaufen will. Aber eine Enteignung ist das allerletzte Mittel.
Altmann: Weil wir uns personell nach der Decke strecken müssen. Unser Amtsbezirk umfasst fünf Landkreise, zwei kreisfreie Städte und fast 400 Kilometer Flüsse. Die Leute bei uns sind den ganzen Tag am Arbeiten. Und wir waren in anderen Bereichen vorrangig tätig, zum Beispiel gab es kürzlich einen Spatenstich für die Hochwassermaßnahmen in Hafenlohr im Landkreis Main-Spessart. Wir können aber nicht überall gleichzeitig sein. Deshalb muss ich den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort leider jede Illusion rauben, dass innerhalb von einem Jahr Bagger vorfahren und gebaut wird.