Die beiden blatthohen halbseitigen Anzeigen im städtischen Mitteilungsblatt sind nicht zu übersehen: „Mitten in der historischen Altstadt“ sucht die Stadt Iphofen nach neuen Pächtern für zwei eingeführte Lokalitäten. Das Weinbistro in der Pfarrgasse steht schon seit Monaten leer, und seit einigen Tagen ist auch die Vinothek erst einmal dicht. Das wirft Fragen auf: nach Bedürfnissen von Gästen, nach Grenzen und Möglichkeiten von Gastwirten, nach Befindlichkeiten einer ganzen Branche.
Iphofen und seine Gastronomie – das Thema entwickelt sich zum Dauerbrenner. Schon im Jahr 2013 hatte Stadtrat Otto Kolesch mit Blick auf die diffuse Lage von einer „Geisterstadt“ gesprochen. „Ich habe Angst, dass die Altstadt stirbt. Alles ist wunderbar gerichtet, aber Sie haben Probleme, hier etwas zu essen zu bekommen.“ Im vergangenen Herbst stellte Bürgermeister Josef Mend gegenüber dieser Redaktion fest, es fehle an der grundsätzlichen Bereitschaft der Gastronomen, sich gegenseitig zu unterstützen und sich bei Urlaubszeit und Ruhetagen abzustimmen. Wieder einmal verwies er auf zahlreiche gut gemeinte Ansätze, auf viele Versuche, die eines gemeinsam hatten: alle „kläglich“ gescheitert.
Das Pächter-Ehepaar hatte "schlaflose Nächte"
Für das Ehepaar Pascal und Svenja Bassing ist ein „Traum“ geplatzt. Vier Jahre lang hatten sie als Gastwirte die Vinothek betrieben, hübsch gelegen zwischen Rathaus und Stadtpfarrkirche und von der Stadt zuvor mit mehreren hunderttausend Euro auf den modernsten Stand gebracht. Nun geht dieser „Traum“ zu Ende. „Auch nach etlichen Diskussionen und schlaflosen Nächten konnten wir für uns leider keine annehmbare Lösung finden“, schreiben die Wirtsleute auf ihrer Facebook-Seite. Seit 31. Januar hat die Vinothek, die auf rund 600 Quadratmetern Gast- und Seminarräume, Galerie und Genussladen bietet, geschlossen. Die Stadt muss sich auf die Suche nach neuen Pächtern machen, die interessiert sind, „Gäste in attraktiven Räumen (zu) verwöhnen“, wie es in der Anzeige heißt.
Pascal und Svenja Bassing waren dazu nicht mehr bereit – oder in der Lage. Im Facebook-Post Anfang Dezember verwiesen sie auf die schwierige „Personalsituation“, die sich „in den vergangenen Wochen noch einmal drastisch verschlechtert“ habe, und auf nicht näher benannte „andere Faktoren“. Von einer „Existenzfrage“ ist die Rede. Deshalb sähen sie sich „leider schweren Herzens“ zu diesem Schritt gezwungen. Der Bürgermeister verweist auf Nachfrage auf „andere Ertragsvorstellungen“ der Pächter, die sie ihm schon bei einem Gespräch im vergangenen August angedeutet hätten.
Wohin sollen Gäste und Einheimische zur Mittagszeit?
Mit Schließung der Vinothek verliert Iphofen eines der wenigen Lokale, das auch zur Mittagszeit regelmäßig geöffnet war. Mend verspricht zwar: „Die Vinothek macht im März wieder auf, zur Not mit einer Übergangslösung.“ Aber das Kernproblem wird damit nicht aus der Welt sein. „Wir haben nach wie vor ein gutes gastronomisches Angebot“, sagt der Bürgermeister, „allerdings erst ab 17 Uhr. Viele Gäste und Einheimische wissen nicht mehr, wo sie mittags hin sollen.“
Das einst von der GWF gepachtete Weinbistro in der Pfarrgasse hat schon seit mehr als einem Jahr geschlossen. Inzwischen ist der Mietvertrag gelöst; der Stadt liegen laut Mend mehrere Bewerbungen vor. Und in direkter Nachbarschaft hat seit vergangenen November das „Weiße Ross“ geöffnet, ein ganz neuer kulinarischer Anlaufpunkt.
Noch weigert sich Mend im 30. Jahr seiner Dienstzeit, von einem „strukturellen Problem“ zu reden; er spricht lieber von „unglücklichen Verknüpfungen“. Auf der anderen Seite weiß er, dass das Thema seit Jahren wie ein Fluch über der Stadt hängt und dem Image Iphofens als Touristenstädtchen auf lange Frist schaden wird. Es wird auch seinem im März zu wählenden Nachfolger erhalten bleiben.
Dabei klingt alles so einfach. „Eine Verbesserung der Situation durch ein aufeinander abgestimmtes, verlässliches Öffnungskonzept durch das gesamte Tourismusjahr wäre mit wenig Aufwand erreichbar“, hatte Mend im Herbst erklärt. Der Wille dafür müsse allerdings von den Unternehmen ausgehen.
Für die Tourismuschefin müssen Gäste "umdenken"
Für die Leiterin des städtischen Tourismusbüros, Claudia Bellanti, ist inzwischen Dynamik in die Sache gekommen. Vergangenen August sei die Lage schon „sehr frustrierend“ gewesen. Immer wieder tauchten Gäste mit Beschwerden bei ihr auf. Aber seitdem hätten die Gastwirte „dazugelernt“, was Absprachen und Öffnungszeiten angeht. Sie habe ja Verständnis für deren Situation, überdies sei das leidige Thema Personal „kein reines Iphöfer Problem“.
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt sei derzeit so komfortabel, dass viele nicht mehr auf Jobs in der Gastronomie angewiesen seien: in der Regel schlecht bezahlt, lästige Arbeitszeiten. Und weil den Wirten in diesem Dilemma wenig Spielraum bleibe, müsse der Gast womöglich umdenken. „Mittags irgendwo mit einer größeren Gruppe aufzuschlagen, ohne vorher reserviert zu haben", sagt die erfahrene Tourismus-Fachfrau, "das wird in keinem Ort mehr funktionieren."