Der 16. Oktober 2000. Eine Frau mit schicker Fönfrisur, großem Blumenstrauß und einem etwas schüchternen Blick hat ihr Ziel erreicht: den Chefsessel im Landratsamt. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass Tamara Bischof heute vor 20 Jahren ihren ersten Arbeitstag als Landrätin haben würde. Zu fest saß ihr Vorgänger Siegfried Naser im Sessel, zu viele Jahre hatte er noch vor sich, zu sehr lebte er das Amt auch nach 16 Jahren noch. Bis sich die Ereignisse überschlugen und Großes passierte: Der Amtsinhaber zog sich freiwillig aus der Kreispolitik zurück.
Das lag an einem unfassbaren Angebot: Der 49-jährige Sommeracher erhielt die Chance, Geschäftsführender Präsident des Bayerischen Sparkassenverbandes zu werden. Was dann auch ziemlich schnell passierte: Der Kitzinger Landrat nahm seinen Jahresurlaub, um danach ab dem 1. Oktober die Strategie für die größte Finanzgruppe Bayerns zu übernehmen. Diese hat mit ihrem Verbandspartner Landesbank, wo Naser zum 1. Oktober auch den Verwaltungsratsvorsitz übernahm, die damals stolze jährliche Bilanz-Summe von 800 Milliarden Mark. Während Naser in diesem Amt nicht glücklich werden soll, weil er sich einige Jahre später durch die Misere der Bayerischen Landesbank im größten Finanzskandal im Freistaat wiederfand, geht ihr Stern nun so richtig auf: Tamara Bischof startete eine Ära als Landrätin.
Nominierung in der Turnhalle
Startpunkt für die neue Karriere von Tamara Bischof war Mitte Juni 2000 ein eher profaner Ort gewesen: die Turnhalle in Mainstockheim. Nominierungsversammlung der Freien Wähler. Über 99 Prozent der anwesenden Versammlungsteilnehmer, exakt 260 von 262, hatten den Namen der 37-jährigen Oberregierungsrätin auf den Stimmzettel geschrieben – Zustimmung satt für eine politische Newcomerin.
Zu ihrer Unterstützung mit dabei: Armin Grein, der im Jahr 1984 als Erster in Bayern den Bann brach und für die Freien Wähler den Landratssessel in Main-Spessart eroberte. Walter Hahn, Bürgermeister von Wiesentheid und Kreisvorsitzender der Freien Wähler, hatte 1984 gegen Naser und die CSU den Kürzeren gezogen. Jetzt sollte es umgekehrt laufen: Die Freie-Wähler-Frau Tamara Bischof tritt gegen den CSU-Mann und Sulzfelder Bürgermeister Gerhard Schenkel an.
Seit 1994 im Landratsamt
Die Juristin war seit dem Jahr 1994 für Baurecht und Umweltschutz am Landratsamt zuständig. 1996 wurde sie zudem Nasers Vertreterin im Amt – das sollte sich als unschätzbarer Vorteil erweisen. Mit 37 Jahren fuhr sie bei der Wahl am 15. Oktober aus dem Stand 59,2 Prozent der Wählerstimmen ein, unterstützt von SPD und den Grünen. Gerhard Schenkel kam auf 40,8 Prozent. Tamara Bischof lag in 28 der 31 Städte und Gemeinden im Landkreis vorne.
Einen Tag nach der Wahl. Die Frau mit schicker Fönfrisur, großem Blumenstrauß und einem etwas schüchternen Blick legt los. Ohne Pufferzeit springt sie sofort ins kalte Wasser des Dienst-Alltags. Das ehemalige Naser-Büro mit den hellen Möbeln und den hellen Wänden übernimmt sie wie es ist. Weitere Blumensträuße treffen ein, außerdem gut 500 Glückwunsch-Briefe und E-Mails. Zwei Wochen später, am 6. November, wird die neue Amtsinhaberin im Kreistag vereidigt. In Kitzingen hat die Ära von "Frau Landrätin" begonnen.