
Die Corona-Pandemie hat bei vielen Unternehmen ihre Spuren hinterlassen – so auch bei Mari & Anne, einer kleinen familiengeführten Manufaktur für nachhaltig produzierte Körperpflegeprodukte aus Kitzingen.
Anfangs haben sich Marianne und Sabine Lewandowski besonders auf Ringelblumensalbe, die mit Öl aus den Kernen fränkischer Weintrauben hergestellt wird, konzentriert. Dann kam die Pandemie und die Zeit nutzten Mutter und Tochter, um neue Produkte zu entwerfen, darunter ein Flüssigshampoo. Auf die Idee kamen sie, weil das Sulzfelder Weingut Bernard auf sie zukam und nach regional hergestellten Produkten gefragt hat, die sie in ihrem Hotel einsetzen können. Rund ein Jahr lang haben Mutter Marianne Lewandowski und ihr Team daran getüftelt, getestet und schließlich ein marktreifes Produkt entwickelt.
Im Internet wurde Fernseh-Koch Alexander Herrmann auf Mari & Anne aufmerksam
Dieses sollte nicht nur für Hotels zu erwerben sein, sondern auch Endverbraucher glücklich machen, und wanderte in den Online-Shop. So wurde das Team des Fernsehkochs Alexander Herrmann auf das Kitzinger Unternehmen aufmerksam. Der Promi-Koch hatte, so Sabine Lewandowski, online nach in Franken hergestellten Pflegeprodukten gesucht. Da das Shampoo nachgefüllt werden kann, passt dies gut ins Konzept des Kitzinger Unternehmens, und die Hotels reduzieren Verpackungsmüll.

Nachhaltigkeit liegt Familie Lewandowski sehr am Herzen. Deswegen kooperiert die Manufaktur seit einiger Zeit mit dem Kitzinger Wein-Café Kostbar und organisiert dort Veranstaltungen, bei denen Kunden die Pflegeprodukte testen und kaufen können. Zudem können Einheimische im Online-Shop bestellte Produkte abholen, sie müssen so keine Versandkosten zahlen und sparen einen großen Teil des Verpackungsmülls. "Ich freue mich, dass sich einige lokale Unternehmen gegenseitig unterstützen, so haben alle einen Nutzen davon und stärken die Region", sagt Lewandowski.
Nachhaltigkeit und Inklusion als Herzensangelegenheit
Doch nicht nur Nachhaltigkeit ist ihr wichtig, auch Inklusion ist eine Herzensangelegenheit für sie. Ihre Schwester Marina, die das Down-Syndrom hat, ist gut in das Unternehmen integriert. Ihre Woche müsse gut strukturiert werden, denn dann fühle sie sich am wohlsten. "Freitag macht sie immer Homeoffice", berichtet Marinas Schwester Sabine Lewandowski. "Dort hat sie Ruhe zum Zeichnen und entwirft Grafiken für unsere Postkarten."
Je nach Wochentag hilft Marina auch in der Produktion, beim Polieren oder dem Verpacken. Seit einiger Zeit modelt sie auch für Mari & Anne und setzt so die Produkte in Szene. "Es macht ihr Spaß, präsent zu sein, da sie so viel positive Rückmeldung bekommt und wertgeschätzt wird. Sie hat bei Instagram regelrecht Fans, die sie auch auf der Straße oder bei Messen erkennen", freut sich Lewandowski. Sie sei das Gesicht der Marke.
Anfang 2024 haben die Lewandowskis den Verein "Lass mal wir sein"gegründet, um die Geschichte der Familie zu zeigen und auf andere Persönlichkeiten mit Down-Syndrom aufmerksam zu machen. Unter dem Motto #lassmalwirsein entstand erstmals ein Heft mit Geschichten einzelner Personen mit Trisomie 21.
Mit einer Hand lassen sich Cremedosen schlecht aufschrauben
Bei den Kitzingerinnen wird Inklusion gelebt und so wurden sie nach Kassel zum Kämpferherzen-Treffen – eine Veranstaltung von, mit und für Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung – eingeladen. "Dort hat mich die Youtuberin Wioletta Wyrwol angesprochen, die unsere Ringelblumensalbe für ihre Amputationsnarbe nutzt und begeistert ist", erzählt Lewandowski. Wyrwol, sie kommt aus Fröndenberg in Nordrhein-Westfalen, litt jahrelang unter Schmerzen in der rechten Hand, 2019 wurde ihr schließlich der Unterarm amputiert. Über ihre Geschichte und ihr Leben mit der Armprothese berichtet die dreifache Mutter regelmäßig auf Tiktok, Youtube und Instagram.

Da Wyrwol mit ihrer verbliebenen Hand schwer Cremedosen aufschrauben kann, hatte sie die Idee, die Salbe aus Kitzingen mit einem Klickdeckel zu produzieren und fragte einfach bei den Lewandowskis an ihrem Stand nach. Lewandowski war angetan vom Konzept, eine inklusive Klickdose für ihre Produkte zu nutzen und somit das "Bewusstsein für Vielfalt im Alltag zu fördern, Barrieren abzubauen und die Stärke und Schönheit der Individualität zu feiern", wie sie sagt. Ein weiterer Pluspunkt der Kitzinger Pflegeprodukte: Mit jedem Kauf wird der Verein Lass mal wir sein unterstützt.
Inklusion bedeutet die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben, unabhängig von Herkunft, Fähigkeiten oder Behinderungen. Es geht nicht darum, dass Menschen sich anpassen, sondern darum, Strukturen so zu gestalten, dass niemand ausgeschlossen wird. Vielfalt wird als Bereicherung betrachtet, nicht als Herausforderung.
Im Unterschied zur Integration, bei der Menschen in bestehende Systeme eingefügt werden, zielt Inklusion darauf ab, diese Systeme grundlegend zu verändern, um allen gerecht zu werden. Beispiele sind barrierefreie Arbeitsplätze, gemeinsame Bildung für Kinder mit und ohne Behinderungen oder die volle Zugänglichkeit öffentlicher Räume.
Der Begriff Inklusion sollte deswegen nur in diesem Zusammenhang genutzt werden. Missbräuchliche Verwendung verwässert seine Bedeutung!