Der große Schatz in Albertshofen sind silbergraue Kästen, nicht größer als Stromkästen und genau so unscheinbar. Es gibt diese silbergrauen Kästen am Spielplatz und dort, wo die Wohnmobile am Mainufer parken. Und wer genau hinschaut, erkennt sie überall entlang des Main-Radwegs. Zehn Stück haben sie davon in Albertshofen, der Gärtnergemeinde im Landkreis Kitzingen mit gut 2200 Einwohnerinnen und Einwohnern.
Wertvoll und spannend ist nicht das, was aus dem Boden herausragt. Sondern das, was unter der Erde liegt: Wasser. Denn die Kästen sind Brunnenpumpen, der kleine sichtbare Teil eines 45 Kilometer langen Wassersystems des Wasserbeschaffungsverbandes Albertshofen (WBV) mit etwa 700 Entnahmeschächten.
Albertshofen: Gemüsekammer Unterfrankens mit Gartenbau auf 473 Hektar
In Albertshofen machen sie aus Wasser Gemüse und aus Gemüse Geld. Die Gemeinde ist so etwas wie die Gemüsekammer Unterfrankens. Seit mehr als 150 Jahren leben die Menschen hier vom Gartenbau. Auf 473 Hektar – mehr als 70 Prozent der Gesamtfläche der Gemeinde – wachsen 16 Gemüsesorten. Zu jeder Jahreszeit wird auf den Feldern und in den Gewächshäusern gesät, geackert oder geerntet. Und das Grundwasser brauchen sie zum Bewässern von Spargel, Schnittlauch, Blumenkohl und Kopfsalat.
Eine Erfolgsgeschichte – wären da nicht die Stimmen aus dem Ort, die sich wundern über die verdorrten Buchen am Friedhof. Denn wenn Wasser an einer Stelle entnommen wird, fehlt es oft an einer anderen Stelle. Auch Zahlen belegen, dass die Wasserentnahmen nicht folgenlos für die Natur bleiben.
1,5 Millionen Kubikmeter Grundwasser pro Jahr: das meiste für die Beregnung der Felder
Wasser ist nur dann wertvoll, wenn es nicht mehr viel davon gibt. In Albertshofen mit seinen zehn Brunnen ist Wasser kein knappes Gut. Zumindest auf den ersten Blick. 1999 erhielt Albertshofen den Staatspreis für das damals größte Beregnungsnetz für Gemüsebau in Bayern. Bis zu 1,5 Millionen Kubikmeter Grundwasser dürfen sie hier mit Genehmigung des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg bislang pro Jahr entnehmen – etwa so viel wie alle anderen 262 Grundwasserentnehmer im Landkreis Kitzingen zusammen.
"Petrus hat es schon immer gut mit uns gemeint. Wir haben genug Wasser in Albertshofen", sagt Erich Wenkheimer, Vorsitzender des Wasserbeschaffungsverbands Albertshofen. Seit 1930 setzt sich der Verband dafür ein, dass alle in der Gemeinde ausreichend mit Wasser versorgt sind. Um zu erklären, wie das hier mit dem Wasser läuft, breitet der 72-Jährige einen Stapel Papiere auf dem Tisch aus: EU-Wasserrahmenrichtlinie, maximale Leistung der Brauchwasserbrunnen, durchschnittlicher Niederschlag seit 1991, alles genau erfasst.
Der durchschnittliche Niederschlag in der Region nimmt zu – warum ist dann Wasser knapp?
"Im vergangenen Jahrzehnt hat es bei uns mehr geregnet als noch Ende der 1990er-Jahre", sagt Wenkheimer und fährt mit dem Zeigefinger über die Tabelle mit den Niederschlagswerten der Wetterstation. Um rund zehn Prozent hat der durchschnittliche Niederschlag in Albertshofen demnach zugenommen. Was auch aus der Tabelle ersichtlich wird: Die Durchschnittstemperatur steigt, die Zahl der Sonnenstunden nimmt zu. Und in der Spalte mit der Wasserbilanz – also der Bilanz aus Niederschlag, Verdunstung und Abfluss – stehen seit 2015 hohe dreistellige Minuszahlen.
Seit Jahren bildet sich immer weniger Grundwasser in Unterfranken. Wie genau die Werte rund um Albertshofen aussehen, weiß niemand. Auf dem Gebiet der Gemeinde gibt es laut Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg keine Messstelle. Damit fehlt den Behörden auch ein Frühwarnsystem, sollten die hohen Entnahmemengen den Grundwasserspiegel nachhaltig verschlechtern.
Erich Wenkheimer war bis zur Pension Gartenbauer, spezialisiert auf Beet- und Balkonpflanzen. Er weiß, wie wichtig Wasser für die Gemeinde ist. Und er weiß auch, wie umstritten es in Zeiten zunehmender Trockenheit ist, jährlich bis zu 1,5 Millionen Kubikmeter Grundwasser aus dem Erdreich pumpen zu dürfen. Auf einem seiner vielen Zettel hat Wenkheimer handschriftlich notiert: "Wir müssen die Akzeptanz für die Notwendigkeit der landwirtschaftlichen Bewässerung in der Bevölkerung erhöhen."
Die Frage der Zukunft: Wie kann Gemüse aus der Region ressourcenschonend bewässert werden?
Von der Autobahn aus, Höhe Mainbrücke Dettelbach, ist Albertshofen leicht zu erkennen: Weiße und graue Schutzfolien ziehen sich über Gemüsereihen, die Abendsonne spiegelt sich in Gewächshausscheiben, im Sommer regnen Wasserfontänen über die Felder herab. An einem Gemüsehof hängt das Foto einer Gurke, daneben ein Schild: "Wir sind nicht um die halbe Welt gegurkt".
36 Prozent des Gemüses, das in Deutschland auf dem Teller landet, wird nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auch in Deutschland angebaut. Für Wenkheimer ist die Sache klar: Dürfen sie in Albertshofen nicht mehr so viel Wasser entnehmen, dann war's das mit Gemüse aus der Region. Dann, sagt er, komme bald jede Gurke und jede Erdbeere aus Spanien.
Es gibt Konzepte, die den regionalen Ackerbau und das Wassersparen verbinden wollen. Im Weinbau werden kilometerlange Schläuche verlegt, die den Rebstock punktuell und ressourcenschonend mir Wasser versorgen. Denkbar ist das Prinzip auch im Gemüsebau, wo die allermeisten Kulturen bislang Überkopf bewässert werden: Mit hohem Druck wird Wasser meterhoch in die Luft geschossen und regnet auf die Pflanzen herab. An heißen Tagen verdunstet dabei etwa die Hälfte der wertvollen Tropfen, teils werden Straßen und Wege mitgegossen.
Tröpfchenweise auf die Anbaufläche: 40 Hektar für Erdbeeren und Zucchini werden in Albertshofen so bewässert
Tests zeigen, dass bei Tröpfchenbewässerung nur halb so viel Wasser wie bei der Überkopf-Methode benötigt wird. "Überkopf-Bewässerung ist aus der Zeit gefallen, mit Blick auf die Klimakrise und zunehmenden Wassermangel darf das nicht mehr stattfinden", sagt Steffen Jodl, Regionalreferent für Unterfranken beim Bund Naturschutz.
Erich Wenkheimer widerspricht. Prinzipiell sei das mit der Tröpfchenbewässerung eine gute Idee. 20 Hektar Erdbeeren und 20 Hektar Zucchini würden sie in Albertshofen schon so bewässern. Aber anders als Wein seien die meisten Gemüsesorten nur wenige Wochen bis zur Ernte in der Erde. Der Zeilenabstand sei gering, der Boden müsse regelmäßig bearbeitet werden, ohne die Schläuche zu zerstören. All das schließe ein unterirdisches Bewässerungssystem oftmals aus.
Behördenvorgaben: Beregnung nur morgens und abends, nur direkt aufs Feld
Wann und wie beregnet wird, dafür gibt es behördliche Vorgaben. Um die Verdunstung möglichst gering zu halten, sind alle Gemüsebetriebe angewiesen, ausschließlich in den späten Abend- und frühen Morgenstunden zu bewässern. Zwischen 10 Uhr und 18 Uhr gilt ein Beregnungsstopp. Und Feldwege und Straßen dürfen nicht mit beregnet werden.
Das Wasserwirtschaftsamt kontrolliert die Beregnung. Jedes Jahr würden in Albertshofen auch Verstöße festgestellt, räumt der Verbandsvorsitzende ein. Die Behördenschreiben samt Belegfoto, wo und wann welche Gemüsekultur gegen die Vorschrift bewässert wurde, landen dann bei ihm auf dem Schreibtisch. Die Bußgelder können mehrere tausend Euro betragen, sagt Wenkheimer. Doch in der Praxis sei es bisher immer bei einer Ermahnung geblieben.
Für Privathaushalte in Albertshofen: Trinkwasser zum Vorzugspreis
In Albertshofen kann kaum jemand unbefangen über den Bewässerungsverband und das Wassermanagement der Gemeinde sprechen. Bürgermeister Horst Reuther ist zugleich Gärtnermeister. Und jeder Haushalt bezieht sein Leitungs- und Gartenwasser über den Bewässerungsverband. So kommt es, dass der Bewässerungsverband 772 Mitglieder hat: die gut zwei Dutzend Gemüsebetriebe und die vielen Privathaushalte, die ihr Trinkwasser zum Vorzugspreis beziehen.
Die Haushalte zahlen für den Kubikmeter Leitungswasser derzeit 1,60 Euro. Zum Vergleich: Die Licht-, Kraft- und Wasserwerke Kitzingen verlangen als Grundversorger im Landkreis pro Kubikmeter Wasser einen Bruttopreis von 2,67 Euro.
Mengenmäßig aber fällt die Trinkwasserversorgung in Albertshofen nicht ins Gewicht. Nur zwei der zehn Brunnen sind Trinkwasserbrunnen. 80 Prozent des Grundwassers beziehen Gartenbaubetriebe und Weiterverarbeiter im Ort.
Je trockener der Sommer, desto höher der Wasserverbrauch, desto größer die Einnahmen beim Verband
In trockenen Sommern verbrauchen die Gemüsebauern deutlich mehr Wasser, im Trockenjahr 2022 beispielsweise mehr als doppelt so viel wie 2021. Und ein höherer Wasserverbrauch bedeutet mehr Umsatz für den Verband. 2022 erwirtschaftet der Wasserbeschaffungsverband Albertshofen einen Jahresumsatz von etwa 500.000 Euro.
Die simple Rechnung: Je weniger Niederschlag fällt, desto mehr Wasser verkauft der Verband und umso mehr Geld fließt in die Verbandskassen. Das Grundwasser darf der Verband kostenlos entnehmen. Was aber passiert mit dem eingenommenen Geld? Laut der Satzung ist der Verband ein "nicht auf Gewinnerzielung gerichtetes gemeinnütziges Unternehmen", auch der Vorstand erhält für seine Arbeit nur eine Aufwandsentschädigung.
Was mit dem erwirtschafteten Umsatz passiert, darüber entscheiden alle 772 Verbandsmitglieder. Von dem Geld werden zwei Wasserwarte und zwei Büroangestellte in Teilzeit bezahlt, die Leitungen in Stand gehalten und neue Brunnenpumpen angeschafft. Ein System, das nicht unbedingt zum Wassersparen animiert.
Die Genehmigung für die Wasserentnahme endet 2023 - was dann?
Doch das Wassersystem der Gemeinde bleibt nicht folgenlos. Zuletzt war der Wasserspiegel so weit abgesunken, dass die Leistung der Brunnen behördlich eingeschränkt wurde. Das zuständige Wasserwirtschaftsamt in Aschaffenburg befürchtet, dass sich dann verschiedene Wasserschichten vermischen und so das Trinkwasser belastet werden könnte.
Die aktuelle Entnahme-Erlaubnis für den Wasserbeschaffungsverband Albertshofen läuft Ende 2023 aus. Weitere Entnahmegenehmigungen sind an Bedingungen geknüpft. Wie und wie viel Grundwasser in der Gemüsekammer Unterfrankens 2024 entnommen wird - es ist noch offen.
Das allermeiste Grundwasser entsteht unter landwirtschaftlich genutzten Flächen - Schlicht weil Regen und sonstiger Niederschlag dort versickert. Weit mehr, als die Landwirtschaft für Bewässerung, Vieh tränken, Pflanzenschutzspritzen, Reinigungszwecke usw. braucht, also entnimmt.
Und hier dient es ja dem sinnvollen Zweck Nahrungserzeugung.
Dagegen unter Wohn-, Gewerbe- und Industrieflächen entsteht kaum Grundwasser.
Denn Niederschlagswasser wird (über Dach, Regenrinnen, Rinnsteine, Gully etc) abgeleitet.
Es gelangt nie ins Grundwasser, sondern über den Main ins Meer.
Selbst wenn dort mehr Wasser versickern würde, wäre es wegen Belastungen für Trinkwasser ungeeignet.
Siedlungen (Dörfer, Gemeinden, Städte) zapfen das Grundwasser nicht bei sich, sondern weit draußen ab.
Sie verbrauchen aber Unmengen an kostbarem Trinkwasser. Völlig unbegrenzt. Oft für verschwenderische Zwecke wie Klospülung, Pool, Autowäsche etc.
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Wofür wären Beschränkungen also angebrachter?
Das sollte einem doch langsam zu denken geben und zu einer weniger verschwenderischen Nutzung des Wassers anregen.
Aber solange die Wasserentnahme praktisch nichts kostet, wird sich an der Situation wohl nichts ändern. Denn erst wenn etwas Geld kostet, wird mit dem Sparen angefangen. Deshalb wäre es auch richtig, Verstöße bei der Wassernutzung konsequent mit einem Bußgeld zu belegen statt nur zu ermahnen. Wer falsch parkt, bekommt auch ein kostenpflichtiges Knöllchen.
Und statt den Garten zu schottern, kann man dort auch selbst Gemüse anbauen. Sollte jeder mal probieren. Ich genieße jedes Jahr rund 20 verschiedene Tomatensorten. Die schmecken nicht nur besser als die Einheitstomaten von den einheimischen Gemüsebauern, sie sind auch noch frei von Pestiziden.