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Münsterschwarzach
Gnadenhof für Hühner: Hier können ausgemusterte Legehennen wirklich glücklich werden
Rettung aus der Legebatterie: Im Garten der Familie Keilholz  verbringen 15 Hühner ihren Lebensabend – und haben es sogar schon ins Fernsehen geschafft.
Puuut put put: Wenn Alisa Keilholz mit ihrem hochwertigen Futter ins Gehege kommt, ist sie sofort von ihren geliebten Schützlingen umzingelt.
Foto: Julia Volkamer | Puuut put put: Wenn Alisa Keilholz mit ihrem hochwertigen Futter ins Gehege kommt, ist sie sofort von ihren geliebten Schützlingen umzingelt.
Julia Volkamer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 22:12 Uhr

Um die 300 Eier hat Wilma in ihrem Leben gelegt – jetzt muss sie das nicht mehr. Ganz vereinzelt lässt sie mal hier, mal da eines in ihr heimeliges Nest fallen. Und freut sich, wenn es am nächsten Tag in die kleingeschnittenen Nudeln, die eigens abgekochten Kartoffeln oder das Kraftfutter gemischt ist. Überhaupt kann Wilma sich freuen. Sie darf ihren Lebensabend unter 14 weiteren, freilaufenden Artgenossen verbringen. Im Baumhaus von Alisa Keilholz bekommt die Bezeichnung "Eier von glücklichen Hühnern" eine ganz neue Bedeutung. 

Auch Hündin Mona ist ein gerettetes Tier – und findet Seidenhuhn Sylvia sehr interessant.
Foto: Alisa Keilholz | Auch Hündin Mona ist ein gerettetes Tier – und findet Seidenhuhn Sylvia sehr interessant.

Dabei legt die 29-Jährige so gar keinen Wert darauf, dass ihre Schützlinge noch Eier legen. Angefangen hat alles während der Corona-Zeit – oder eigentlich schon viel früher. "Ich wollte immer schon Hühner haben", erklärt Alisa, als sie in Reiterklamotten um die Ecke ihres Elternhauses kommt. "Aber während der Pandemie hatte ich mal Zeit, mich richtig damit zu beschäftigen."

Die gelernte Ergotherapeutin ist also nicht ganz das klassische "Corona-Opfer", das sich zum Zeitvertreib ein Haustier geholt hat – auch wenn sie das mit einem breiten Lächeln im Gesicht behauptet. Pferd, Hund und 15 Hühner nennt sie inzwischen ihr Eigen. Sie alle haben bei ihr das Paradies auf Erden.

"Rettet das Huhn" stellt Kontakte her

Auch wenn es dort ab und an mal Ärger gibt. Alisas Schützlinge kommen nämlich nicht im Kükenalter von der Geflügelfarm oder vom Züchter, sondern sind fast ausnahmslos gerettete, verwaiste, verstoßene und aussortierte Tiere. Über die Plattform "Rettet das Huhn", einen gemeinnützigen Verein, der sich auf die Rettung und den Schutz von Hühnern aus Massentierhaltung und anderer nicht artgerechter Haltung spezialisiert hat, kam die Schwarzacherin zu ihrem ersten Federvieh. Nachdem der erste Versuch, zwei Hühner zu übernehmen, scheiterte, weil sie noch am Abholtag verstarben, war ihre Tierliebe erst recht geweckt.

Immer wieder ging Alisa Hinweisen und Anzeigen nach, holte Hühner aus der näheren und weiteren Umgebung ab: Vom Braunvieh über Seidenhühner bis hin zu Federfüßen ist alles dabei. Die Gefieder schimmern in den schönsten Farben und Zeichnungen, als wären sie gemalt. Aber: Man weiß eben nicht genau, wo sie herkommen. Was sie schon mitgemacht haben. Wie viele der oft viel zu großen Eier sie schon gelegt haben. Und welche Krankheiten sie mit sich herumtragen.

Alisa Keilholz an ihrem Baumhaus, das sie inzwischen ihren Hühnern überlassen hat.
Foto: Julia Volkamer | Alisa Keilholz an ihrem Baumhaus, das sie inzwischen ihren Hühnern überlassen hat.

Um die 100 Quadratmeter misst das Grundstück der Familie Keilholz mitten in Schwarzach. Anfangs beschränkte sich das Hühnergelände auf das selbst gezimmerte Baumhaus. Alisa und ihre Geschwister haben dort oben ihre halbe Kindheit verbracht, erinnert sich Papa Günter lachend. Jetzt gehört es den Hühnern. Ausgestattet mit einer automatischen Klappe, einer langen Hühnerleiter und einer Kamera stellt es die perfekte Unterkunft dar.

Mit jedem weiteren Huhn erweiterte sich auch das Gelände. Inzwischen ist auch der Rest des Gartens ganz in Hühnerkralle – und darüber hinaus. Die vorwitzige Sylvia, ein kleines Seidenhuhn, spaziert zum Beispiel ganz selbstverständlich zwischen den Zaunpfählen hindurch in Richtung Wohnhaus. Und die braune Dreierbande musste Alisa schon des Öfteren bei den Nachbarn einsammeln.

Hühner in den Schredder? Nicht mit Alisa!

Wer hätte das gedacht, als sie in Schwarzach eintrafen? Ganz ohne Gefieder, gewärmt nur von einem dünnen Stoffmäntelchen, hatte man sie aus einem Massenstall entsorgt. Nach sieben Monaten Legezeit werden die Tiere aus den großen Legebatterien ausgemustert. "Wenn sie das Gefieder wechseln, legen sie keine Eier und werden für den Halter zu teuer", weiß Alisa. "Und dann müssen sie eben weg." Weil auch die Schlachtung sich nicht rechnen würde, drohe ihnen der Schredder. Eine Vorstellung, die Alisas Augen wütend blitzen lassen.

Im Baumhaus der Familie Keilholz findet jedes Huhn seinen Platz. Wenn aber die Hackordnung zuschlägt, kann es auch passieren, dass ein krankes Tier zum Aufpäppeln in Frauchens Wohnung umzieht. 
Foto: Alisa Keilholz | Im Baumhaus der Familie Keilholz findet jedes Huhn seinen Platz. Wenn aber die Hackordnung zuschlägt, kann es auch passieren, dass ein krankes Tier zum Aufpäppeln in Frauchens Wohnung umzieht. 

Genauso, wie immer wieder ein Tränchen blitzt, wenn es darum geht, Abschied zu nehmen. Oder, sich mit der unbarmherzigen Hackordnung anzufreunden – womit wir wieder beim Ärger im Paradies wären. Kranke Hühner werden nämlich auch in der Horde gnadenlos ausgemustert, und Alisa kann es trotz Wurmkur und Kraftfutter nicht immer verhindern, dass sich der ein oder andere Schützling eben nicht erholt. Auch dann nicht, wenn sie ihn zu sich in die Wohnung holt.

"Manche Leute nehmen ihre Hühner ja sogar mit in den Urlaub. Aber so verrückt bin ich jetzt auch nicht."
Alisa Keilholz, Tierretterin

Diese Geschichte war es, die den Bayerischen Rundfunk auf die Schwarzacher Hühnerfarm aufmerksam werden ließ. Für eine Doku-Reihe mit dem griffigen Titel "Huhn ist hip" suchte Redakteur Florian Maurice besondere Hühnerhalter – und stieß bei seiner Recherche auf Tierretterin Alisa. "Als plötzlich ihre Lieblingshenne erkrankt und gemobbt wird, muss sie sich besonderen Herausforderungen stellen" schreibt der BR in einer Pressemitteilung, die auf den Start der Serie am Samstag hinweist. Alisa findet zwar, dass das ein bisschen hochgegriffen ist für eine Situation, die eigentlich ganz natürlich ist. Aber ein Huhn in der Wohnung ist auch für sie keine Selbstverständlichkeit.

Stilleben mit Huhn: Im Freigehege der Familie Keilholz tummeln sich die unterschiedlichsten Arten von Hühnern und verbringen dort ihren Lebensabend.
Foto: Alisa Keilholz | Stilleben mit Huhn: Im Freigehege der Familie Keilholz tummeln sich die unterschiedlichsten Arten von Hühnern und verbringen dort ihren Lebensabend.

Erst recht, wenn die Tiere vor der Haustür im Paradies leben. Für Alisa ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Ihr Traum wäre, aus einem Bauernhof einen Gnadenhof zu machen und dort mit ganz vielen Tieren zu leben – vor allem natürlich mit Hühnern. Einziges Manko ist ihre Reiselust. "Ich bin eigentlich ganz gerne unterwegs", sagt sie und erinnert sich an den Vietnam-Urlaub, während dem sie täglich über die Kamerabilder aufs Handy kontrollierte, ob auch alle Hühner nachts im Stall schlafen. "Manche Leute nehmen ihre Hühner ja sogar mit in Urlaub, auf den Campingplatz zum Beispiel. Aber so verrückt bin ich jetzt auch nicht." Sagt sie. Denkt kurz nach und grinst. Na klar. Da lachen ja die Hühner.

Tierrettung und hippe Hühner

Rettet das Huhn e.V. übernimmt ausgediente Legehennen aus Massentierhaltungen und vermittelt sie an tierliebe Menschen, die diesen Tieren ein artgerechtes, erfülltes Hühnerleben schenken möchten. Dabei achten die Verantwortlichen darauf, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Wem das gelingt, kann sich unter https://www.rettet-das-huhn.de/ darum bewerben.
Huhn ist hip heißt eine fünfteilige Doku-Serie des Bayerischen Rundfunks (BR), die am Samstag, 8. April, zum ersten Mal im Fernsehen gezeigt wird und auch in der ARD Mediathek zu sehen ist. Sie führt auf unterschiedliche Art und Weise echte Tier-, bzw. Hühnerliebe vor. Alisa Keilholz spielt in der Folge "Sorgen im Hühnerparadies" zusammen mit ihren gefiederten Schützlingen die Hauptrolle.
Quelle: ktjr
 
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Kommentare
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  • H. S.
    Auch meinen Respekt! Hier leben die Tiere zu Recht in einer Pension, schließlich haben sie was in ihrem Leben geleistet…. Da gibt es ganz andere, die eine fette Pension bekommen und dabei ein Leben lang nur Mist produziert haben….
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  • U. K.
    Danke für diesen "Gnadenhof"!
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  • N. K.
    Der Hund auf dem Foto heißt eigentlich Paul und ist inzwischen leider verstorben. Sie meinen wahrscheinlich eigentlich Dora, Alisas neuer Hund.
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  • T. H.
    Schön, dass es noch Menschen wie Alisa Keilholz gibt, die mit ihrer Familie versucht ausgemusterten Tieren einen schönes Leben bzw einen schönen Lebensabend zu ermöglichen. Ganz ohne Profitgier. Respekt.

    Das in Zeiten zu lesen, in denen man glaubt, dass der Mensch den Respekt vor anderen Lebewesen zunehmend verliert, sich diese nur noch zu nutze macht und wenn das nicht der Fall ist sich von diesen entledigt, tut richtig gut.

    Danke, Frau Keilholz
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