
Latzhose, Hut und strahlend blaue Augen: Das Repperndorfer Urgestein Christoph Oerter sitzt in seiner Küche und erzählt mit verschmitztem Grinsen von seiner Geburt. Nicht, dass der Mann, der heute 84. Geburtstag hat, sich daran erinnern könnte. Aber er hat oft genug erzählt bekommen, was sich damals im Entbindungsheim von Dr. Lamm in der Mainstockheimer Straße in Kitzingen zugetragen hat.
Christoph Oerters Großmutter hat den Lauf der Zeit entscheidend verändert. "Um 1.30 Uhr bin ich zur Welt gekommen – am 29. Februar 1940", berichtet Christoph Oerter. "Meine Großmutter war entsetzt." Warum? "Für sie war das ein schlechtes Omen. Der 29. war ein Unglückstag." Babette war zwar einerseits eine strenggläubige Frau, die jeden Sonntag in die Kirche ging, aber so ein bisschen Aberglaube hat sich offenbar doch in ihre Gedanken gemischt. "Ein Datum, das es nur alle vier Jahre gibt, war für sie erschreckend. Sie wollte auf keinen Fall, dass ihr Enkel mit so einem Makel in die Dorfgemeinschaft kommt."
Der Arzt machte gerne Brotzeit – das wusste die Oma zu nutzen
Die resolute Dame wusste sich zu helfen. "Sie hat einen stattlichen Schinken von der letzten Hausschlachtung aus der Räucherkammer geholt und ihn ihrem Sohn in die Hand gedrückt. Dann hat sie meinen Vater damit zu Dr. Lamm geschickt. Er sollte ihn fragen, ob es sein könne, dass die Uhr vorgegangen ist", erzählt Christoph Oerter. Ob Georg Oerter wollte oder nicht: "Die Oma hat das Sagen gehabt. Sie hat ihn so unter Druck gesetzt, dass er gefolgt hat."
Christoph Oerters Vater Georg wurde also bei Dr. Lamm vorstellig. "Der Doktor hat gern Brotzeit gemacht. Erst soll er zwar ein bisschen gezögert haben, aber dann am Schinken gerochen und gemeint haben, dass die Uhr durchaus gut eineinhalb Stunden vorgegangen sein könnte." So war es also beschlossene Sache: In der Geburtsurkunde von Baby Christoph wurde der 28. Februar vermerkt. Erst, als das Kind zum Jugendlichen heranwuchs, erzählten seine Eltern ihm von den Geschehnissen im Schaltjahr 1940.
Christoph Oerter wäre der 29. Februar als Geburtstag lieber gewesen
"Ich hab' daraufhin zu meinen Eltern gesagt, sie hätten den 29. Februar doch lassen können; der wäre mir lieber gewesen. Schließlich wäre der Tag doch was Besonderes gewesen!" Angst vor dem seltenen Datum hat Christoph Oerter kein bisschen. "Man könnte doch genauso gut sagen, dass der 29. Glück bringt und dass die Leute, die an diesem Tag Geburtstag haben, einen besonders guten Schutzengel haben."

Mit seiner Oma konnte Christoph allerdings nicht über dieses Thema sprechen: "Das habe ich mal versucht und sofort eine gefangen. Die Oma hat schnell mal Schellen ausgeteilt." Die Repperndorfer Babette war vor 84 Jahren offenbar nicht die Einzige, die das Schaltdatum fürchtete und ein bisschen Schmiergeld zahlte, damit "was Unverfängliches geschrieben" wurde. "Meine Mutter hat mir von einer Frau aus Großlangheim erzählt, die auch am 29. entbunden hat. Die haben das so gedeichselt, dass der 1. März auf der Geburtsurkunde stand."
Allerdings war der Großlangheimer Junge trotzdem nicht vom Schicksal begünstigt: Er lernte seinen Vater nicht kennen, weil der im Krieg fiel, und er selbst verunglückte schon in jungen Jahren bei einem Motorradunfall tödlich. Wenn Christoph Oerter dagegen auf sein Leben blickt, sieht der Vater von vier Kindern und Großvater von fünf Enkelkindern viel Positives. Der Wegbaumeister war nicht nur Siebener, mittlerweile ist er sogar Ehrensiebener und im Vorstand der Flurbereinigung, sondern auch in der Feuerwehr aktiv sowie im Jagdvorstand.
Auch bei Oerters Namen ist nicht alles so wie es in der Geburtsurkunde steht
Noch immer hat er seine kleine Brennerei, in der er süffige Obstler produziert. Zusammen mit seiner Frau und seinem Hund lebt er "glücklich und zufrieden", sagt das Geburtstagskind, das – nach alter Tradition – am 28. Februar schon seinen 84. Geburtstag gefeiert hat. Steht ja auch so in seinen Papieren. Da steht allerdings auch, dass Christoph eigentlich Christof heißt.
"Aber das ist mir wurscht. Mir hat ein Pater einmal gesagt, dass es im griechischen Alphabet kein 'f' gibt. Ich schreibe meinen Namen immer mit 'ph'. Papier ist geduldig!" Im Alter relativiere sich so manches, meint der Repperndorfer – sowohl was die Schreibweise seines Namens angeht als auch die Sache mit dem Geburtsdatum. Schmunzelnd stellt Christoph Oerter fest: "Ob 'f' oder 'ph': Ich bin ich. Und im Angesicht von 84 Jahren sind eineinhalb Stunden ja wirklich nur ein Wimpernschlag."
Anmerkung der Redaktion: Die kuriose Geschichte von Christoph Oertner ist das erste Mal vor vier Jahren erschienen. Da sie den Leserinnen und Leser so gut gefallen hat, veröffentlichen wir sie zu Oerters Ehrentag noch einmal.
Sein Sohn, also mein Onkel, wurde am 31.3.1910 spät am Abend geboren. Am nächsten Tag, mittags, ging der junge Vater zum Rathaus um die Geburt anzuzeigen. Der Standesbeamte (Bgm.) sagte: "Du bist zu spät dran, ich hab die Meldung der Märzgeburten schon abgeschlossen. Hast du was dagegen wenn wir ihn auf den heutigen Tag (1.4.) eintragen?" Mein Großvater hatte keine Bedenken, und so wurde mein Onkel auf den 1.4.1910 registriert.
Den Geburtstag feierte man in der Familie aber zeitlebens am 31.3.