Stephan Küntzer hat einen guten Ausblick. Von seinem Haus in der Kitzinger Kanzler-Stürtzel-Straße sieht er auf weite Teile einer bewegten Umgebung. Direkt gegenüber seiner Kinderarztpraxis stand einmal die Realschule – sechs Stockwerke Beton gewordenes Bollwerk in der Bildungslandschaft, weggerissen vor dreieinhalb Jahren, heute eine Brachfläche. Vor Kurzem kamen dann noch Männer in orangefarbigen Schutzanzügen, ausgestattet mit Motorsägen, und schnitten einen Teil der Bäume ab. Ein Anwohner hat das Treiben auf seinem Handy festgehalten: Stück für Stück kürzten sie erst die Äste und am Schluss den Stamm. Die Bäume waren krank und nicht mehr verkehrssicher, wie Stadtgärtner Manuel Schömig sagt. Das vertraute Straßenbild, wie es auch Küntzer seit Kindesbeinen kannte, gibt es seither nicht mehr.
Mit den Alleen in der Kitzinger Südstadt steht es nicht zum Besten. Vor Jahren mussten schon die alten Kastanienbäume in der Friedrich-Ebert-Straße in Richtung Bahnhof weichen; nun hat es Teile des gewachsenen Baumbestandes in der Kanzler-Stürtzel-Straße erwischt. Und es waren keine guten Nachrichten, die den städtischen Bauausschuss jüngst in dieser Sache erreichten. Die Stadt, so hieß es, werde sich entscheiden müssen, ob sie in diesem innenstadtnahen, beliebten Wohnviertel künftig weiter Bäume und damit ein bisschen Stadtgrün haben will oder ob sie dem Auto- und Straßenverkehr Vorrang einräumen wird. Beides zusammen wird in der bisherigen Form nicht mehr funktionieren.
Für die Zukunft der Bäume müsste Straßenraum weichen
Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU) hat den grünen Daumen in die Wunde gelegt und auf Anfrage aus dem Ausschuss erklärt, dass es bei der bestehenden Situation wenig sinnvoll sei, neue Bäume zu pflanzen. Und Bauamtsleiter Oliver Graumann hat diese Aussage insoweit präzisiert, als er sagte: „Damit Bäume dort überlebensfähig wären, müssten wir die Straße deutlich verringern.“ Eine Allee, wie man sie bisher kannte, sei nur dann wieder herzustellen, wenn man sich entschließe, Straßenraum zurückzunehmen und den Bäumen mit ihrem Wurzelwerk Luft zum Atmen zu verschaffen. Das gelte im Übrigen nicht nur für die Kanzler-Stürtzel-Straße, sondern für die gesamte Kitzinger Südstadt.
Es ist der alte Zielkonflikt: Auto oder Bäume? Verkehr oder Natur? Klar ist: Wenn es in der Kanzler-Stürtzel-Straße weiter blühende Landschaften geben soll, wird der Autofahrer zu ungleich mehr Kompromissen bereit sein müssen als die Natur.
Für Stephan Küntzer, den Anwohner, der auch CSU-Stadtrat ist, steht die Richtung fest: „Wir wollen mehr Grün in die Stadt bringen, also müssen wir Lösungen finden. Notfalls muss die Straße herhalten.“ Auch Klaus Sanzenbacher (Grüne) sieht das so: „Für die Lebensqualität unserer Bürger sollte es uns die Sache wert sein.“ Die Frage wird dann sein, wo künftig die Anwohner ihre Autos parken und Dutzende Schulbusse verkehren sollen, die Kinder und Jugendliche morgens zu Hunderten ins dortige Gymnasium bringen und mittags wieder abholen. Werner May (UsW) sprach sich dafür aus, die gesamte Südstadt auf ihren Baumbestand hin zu untersuchen und abzuwägen.
Neue Bäume werden nach dem Stockholmer Modell gepflanzt
Der Kitzinger Grünen-Ortsverband hat Ende vorigen Jahres erfolgreich einen Antrag in den Stadtrat eingebracht, wonach Bäume im Stadtgebiet künftig nach dem Stockholmer Modell gepflanzt werden sollen. Das Entscheidende dabei ist die Be- und Entlüftung der Pflanzgrube, um den nötigen Gasaustausch zwischen versiegeltem Boden und Atmosphäre sicherzustellen. Das betrifft auch den Bereich der Kanzler-Stürtzel-Straße, wo Standortbedingungen und Wachstumsvoraussetzungen derzeit nicht optimal sind. „Im Ist-Zustand wird sich ein Baum dort schwer tun“, sagte der OB.
Bleiben die Brachflächen des ehemaligen Realschulgeländes und des früheren Seniorenheims. Stephan Küntzer blickt nun schon „seit Jahren“ auf Bauzäune, hinter denen sich bislang nichts tut. „Könnte man dort nicht zumindest Parkplätze machen?“ Der OB verweist darauf, dass die Fläche, auf der einst die Realschule stand, dem Landkreis gehöre. Der braucht das Areal aber nach Auskunft von Pressesprecherin Corinna Petzold-Mühl als Stell- und Lagerplatz bei der demnächst beginnenden Generalsanierung der Berufsschule.
Wie es danach genutzt wird, sei Gegenstand erster Gespräche zwischen Berufsschule und Gymnasium. Die andere, größere Fläche, die eine große Baugrube überspannt, ist in Privatbesitz. Dort will das Würzburger Blindeninstitut eine Förderstätte für Menschen mit Behinderung errichten.