Die Situation fühlt sich unwirklich an: Bauarbeiter graben mit zwei Baggern an einer Baustelle im nördlichen Landkreis Kitzingen, am Ortsrand einer Siedlung. Plötzlich kreist wie aus dem Nichts ein Hubschrauber über ihnen, geht tiefer und landet in der Nähe.
Ein Polizeieinsatz? Ein Rettungshubschrauber? Weder noch. Aus dem Helikopter steigen zwei Männer und fragen nach dem Bauleiter. Sie stellen sich als Sicherheitsbeauftragte eines Gasversorgers vor, dessen Hauptleitung hier entlang verläuft, der sogenannten Megal-Leitung (Mitteleuropäische Gasleitungsgesellschaft). Dabei handelt es sich um eine Gaspipeline, die hauptsächlich russisches Gas im Osten Bayerns übernimmt und weiter nach Frankreich transportiert. In Rohren mit verschiedenen Durchmessern, im Durchschnitt ein Meter stark und mit einem Druck zwischen 60 und 100 bar.
In Verdichterstationen wird das Erdgas angeschoben
An bestimmten Punkten liegen Gasverdichterstationen, zum Beispiel bei Rimpar, wo das Gas quasi wieder angeschoben wird. An anderen Stellen geht Gas an kleinere Betreiber weg. Der Rest hat als Ziel Frankreich. Auf ihrem Weg durchschneidet die Gasleitung auch den nördlichen Kitzinger Landkreis, oberhalb von Krautheim und Volkach. Dort stößt die Hubschrauber-Besatzung auf die Baggerarbeiten.
Andreas Lehmann von der Firma Open Grid Europe (OGE), Mitgesellschafter der Megal-Linie, erklärt: "Wir sind ähnlich wie ein Logistikunternehmen. Wir stellen Gasleitungen zur Verfügung, wenn jemand Gas eingekauft hat und es von A nach B bringen will." Mit einem Fernleitungsnetz von etwa 12.000 Kilometern Länge zählt das Unternehmen zu den größten Anbietern in Deutschland. Um wie viel die Gasmenge aus dem Osten derzeit abgenommen hat, will Lehmann nicht kommentieren. "Wir dürfen mit Gas nicht handeln. Was da jetzt im Hintergrund auf dem Markt stattfindet, wissen wir nicht."
Lehmann betont allerdings, dass seine Firma von der Bundesnetzagentur hohe Sicherheitsauflagen für den Gastransport bekommen hat. Daher habe man ein spezielles Hubschrauberunternehmen beauftragt, das regelmäßig die Leitung abfliegen lässt und mit der Firmenleitung in Kontakt steht, um bei Unregelmäßigkeiten sofort reagieren zu können.
Bagger dürfen der Gasleitung nicht zu nahe kommen
An der eingangs erwähnten Kontrollstelle fragt Hubschrauberpilot Christian Zahn den Bauleiter nach seiner Genehmigung für die Grabungsarbeiten. Der Besatzung ist bei einem Kontrollflug über der Pipeline aufgefallen, dass die Bagger ziemlich nahe an der Gasleitung waren. Näher als es sonst die amtlichen Genehmigungen erlauben. Und er hat Recht. Die Bagger haben die zulässige Abstandsgrenze um einen Meter unterschritten. Also wird der Baustellenbetrieb erst einmal eingestellt und die Gastransportfirma OGE verständigt.
Diese informiert umgehend einen Bauingenieur aus dem Umkreis, der zeitnah zur Baustelle kommt. Haben die Grabungsarbeiten die Leitung eventuell schon beschädigt? Bis das geklärt ist, ruht der Betrieb. "Es kommt schon vor, dass Bauleiter nicht mit der Einstellung des Baustellenbetriebes einverstanden sind. Wir versuchen es zuerst mit gutem Zureden. Hilft alles nichts, verständigen wir die Polizei, die dann auch sehr schnell vor Ort ist", erklärt Zahn auf Nachfrage.
Hubschrauberpiloten kontrollieren Megal-Leitung auf Unregelmäßigkeiten
Er und sein Kollege Benjamin Lenhart, der ebenfalls Pilot ist, befliegen die ganze Woche vorgegebene Teilbereiche der Megal-Leitung. Ihre Hubschrauberfirma Aeroheli kümmert sich um die Betriebssicherheit, wie sie von der Betreibergesellschaft der Gasleitung vorgegeben wurde. "Wir fliegen in geringer Höhe die Leitung ab und kontrollieren sie auf geologische Veränderungen oder "sonstige Unregelmäßgkeiten", erklärt Zahn seine Aufgaben. Das Hauptaugenmerk sind allerdings Baustellen, die sich in der Nähe der Leitung befinden.
"Normalerweise müssen die Bauunternehmen sich vorab nach der Lage von Gasleitungen in ihrem Arbeitsgebiet erkundigen und dann über die jeweilige Ordnungsbehörde eine Genehmigung einholen. Finden wir in unseren elektronischen Aufzeichnungen keine Genehmigung, oder stellen wir Abweichungen fest, landen wir sofort", berichtet der Pilot. Für ihre Kontrollen haben die Hubschrauber Genehmigungen für Außenlandungen und Starts und für Tiefflüge.
Ab Würzburg starten die Kontrollflüge über Unterfranken
"Wir können also überall runter", sagt Pilot Benjamin Lenhart, "was aber mitunter sehr anspruchsvoll ist." Ihr Fluggerät vom Typ Robinson R-44 hat für solche Einsätze geradezu ideale Voraussetzungen. "Der Hubschrauber ist unheimlich wendig und das Cockpit erlaubt fast rundum eine optimale Sicht."
In Mainz starten die beiden Piloten an diesem Tag. Ab Würzburg beginnt dann der Kontrollflug, der am Flughafen Burg Feuerstein bei Ebermannstadt enden wird. Tags darauf geht es weiter Richtung Bayreuth. "Im Schnitt", so erzählen die Piloten, "gibt es pro Schicht etwa drei bis vier Beanstandungen, die aber meist vor Ort geklärt werden können."