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Kitzingen
Feuerwehr Kitzingen: Der harte Weg zurück zum Normalbetrieb
Im Januar starb der Chef der Kitzinger Feuerwehr während eines Unfalls im Einsatz. Wie haben die Helfer das Erlebte verkraftet? Und wer wird sein Nachfolger?
Der Schreibtisch des bei einem Unfall auf der Rückfahrt von einem Einsatz tödlich verunglückten Kommandanten der Feuerwehr Kitzingen, Markus Ungerer, knapp zwei Monate nach dessen Tod.
Foto: Michael Mößlein | Der Schreibtisch des bei einem Unfall auf der Rückfahrt von einem Einsatz tödlich verunglückten Kommandanten der Feuerwehr Kitzingen, Markus Ungerer, knapp zwei Monate nach dessen Tod.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:25 Uhr

Es ist für eine Feuerwehr eines der denkbar schlimmsten Szenarien: Ein Kamerad stirbt im Dienst. Das musste die Feuerwehr Kitzingen erleben, als am Morgen des 4. Januars ausgerechnet ihr Kommandant Markus Ungerer (51)auf der Rückfahrt zum Gerätehaus tödlich verunglückte. Unter diesem Schatten steht die Wahl seines Nachfolgers am 16. März.

Knapp zwei Monate nach dem Unfall, dessen Ursache laut Polizei noch nicht endgültig geklärt ist, spricht in den Reihen der Kitzinger Wehr keiner von Rückkehr zum Normalbetrieb. Sie hätten es geschafft, "den Laden am Laufen zu halten", beschreibt es Matthias Gernert. Als stellvertretender Kommandant leitet er die Wehr seit Ungerers Tod. Eine Feuerwehr sei kein Verein, der sich einfach so eine Auszeit nehmen kann, meint er. Es gelte, weiter einsatzbereit zu bleiben. Dies ist der Mannschaft gelungen. Nur zwei Stunden nach dem Unfall ihres Kommandanten rückte die Wehr zum nächsten Einsatz aus.

 

Schweigen im vollen Raum

 

Hinter den Kulissen herrschte im Gerätehaus in Kitzingen am Tag des Unfalls dennoch Ausnahmezustand. Dort war noch vormittags ein Großteil der rund 80 ehrenamtlich Aktiven zusammengekommen. "Der Raum war voll", schildert Gernert, "aber es herrschte Schweigen." Kein Bild könnte die damalige Gefühlslage der Feuerwehrleute wohl besser ausdrücken.

"Das war eine ganz schwierige Situation", erinnert sich Hanjo von Wietersheim. Er leitete damals den Einsatz der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV), die sich mit zwölf Helfern nicht nur am Unfallort um Einsatzkräfte kümmerten, die den toten Kommandanten bargen, und um die Betreuung von dessen Angehörigen, als diese die Todesnachricht erhielten. Die PSNV-Kräfte waren auch ganztags im Kitzinger Feuerwehrhaus, um zuzuhören, um mitzutrauern. "Ein solches Ereignis können Einsatzkräfte nicht trainieren", macht von Wietersheim deutlich. Die einzig wirksame Vorsorge sei ein gut ausgebautes Netz speziell geschulter Helfer, die ihre Kollegen bei der Verarbeitung unterstützen können.

 

Jahrzehntelang gab es keine Unfälle

 

Schriftenstand im Foyer des Gerätehauses der Kitzinger Feuerwehr: Ein Flyer weist auf Angebote der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) hin, die Einsatzkräfte nach einem besonders belastenden Ereignissen unterstützen.
Foto: Michael Mößlein | Schriftenstand im Foyer des Gerätehauses der Kitzinger Feuerwehr: Ein Flyer weist auf Angebote der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) hin, die Einsatzkräfte nach einem besonders belastenden Ereignissen unterstützen.

Gernert ist seit 40 Jahren Feuerwehrmann. Doch "so etwas Krasses", sagt er, habe er in seiner Wehr noch nie erlebt. Unfälle im Einsatz gibt es immer wieder – doch endeten sie jahrzehntelang glimpflich. Der Tod des Kommandanten hat ihm "auch Probleme bereitet", gibt er zu, zumal er sich mit Ungerer wochenweise den Kommandowagen teilte; wie leicht hätte er an Stelle von Ungerer mit dem Fahrzeug verunglücken können. Doch irgendwann, meint Gernert, fehle im Alltag einer großen Wehr die Zeit, ständig darüber nachzudenken. Dass es jemanden gibt, "den das gar nicht anging", kann er sich aber nicht vorstellen.

 

Todesnachricht verbreitete sich rasend schnell

 

Über Nachrichtenkanäle und vor allem über soziale Medien verbreitete sich die Nachricht vom Tod des Kitzinger Feuerwehrchefs wenige Stunden nach dem Unfall wie ein Lauffeuer. Die Feuerwehr Kitzingen hatte auf ihrer Facebook- und Webseite zunächst bewusst nicht über das Geschehene informiert, berichtet Gernert. Auch auf anderen Nachrichtenkanälen, wurde darauf geachtet, dass Angehörige des Verstorbenen nichts von dem Unfall erfahren, bevor die Polizei sie benachrichtigt hat.

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So schnell sich die Nachricht verbreitete, so schnell erreichte die Feuerwehr eine Welle an Beileidsbekundungen, aus ganz Deutschland und darüber hinaus, so schickte selbst der Rettungsdienst Brüssel ein "RIP". Briefe und Karten kamen in großer Zahl, "manche aus Gemeinden, die wir nicht mal vom Namen her gekannt haben", sagt Gernert.

 

Nachbarwehren waren am Tag der Trauerfeier einsatzbereit

 

Im Eingangsbereich des Gerätehauses der Feuerwehr Kitzingen hatte die Wehr etwa zwei Wochen lang ein Kondolenzbuch für den tödlich verunglückten Kommandanten Markus Ungerer aufgelegt.
| Im Eingangsbereich des Gerätehauses der Feuerwehr Kitzingen hatte die Wehr etwa zwei Wochen lang ein Kondolenzbuch für den tödlich verunglückten Kommandanten Markus Ungerer aufgelegt.

Auchdie Trauerfeier für Ungerer in Kitzingen sprengte jeden Rahmen. Rund 1000 Teilnehmer wurden gezählt, darunter viele von Hilfs- und Rettungsdiensten. Die Unterstützung und Hilfsbereitschaft innerhalb der Blaulichtfamilie bezeichnet Gernert noch heute als "überwältigend". Nachbarfeuerwehren übernahmen die Einsatzbereitschaft für die an diesem Tag abgemeldete Kitzinger Wehr, und mussten tatsächlich ausrücken, unbemerkt von den meisten Trauernden.

Gernert verbindet noch etwas mit Ungerer: Als Ende 2011 der damalige Kommandant Engelbert Scherer krankheitsbedingt plötzlich sein Amt aufgeben musste, war es Ungerer, der als Stellvertreter in die Lücke sprang. Gernert stand ihm gut ein Jahr zur Seite, bis Ungerer Kommandant wurde – und Gernert dessen Stellvertreter. Am 16. März kandidiert jetzt Gernert für den vakanten Chefposten. Einen Mitbewerber gibt es aktuell nicht.

 
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