Morgens an polnischen Spargelstechern vorbei ins Büro fahren, mit dem niederländischen Kollegen zusammenarbeiten und abends noch Pizza essen beim Lieblingsitaliener: Klingt nach Klischee, aber Fakt ist, dass knapp sechs Prozent der Einwohner des Landkreises Kitzingen aus anderen EU-Staaten kommen. Über 90 000 Bürger hat der Landkreis mittlerweile, 5265 davon sind EU-Ausländer aus 27 Ländern von Belgien bis Zypern – Großbritannien mitgerechnet.
Wobei, Kommando zurück: Zwei europäische Nationen sind nicht im Landkreis vertreten – Luxemburg und Malta. Sie haben die wenigsten Einwohner innerhalb der Europäischen Union (EU), und denen gefällt's vielleicht besonders gut in ihren Kleinstaaten. Wer weiß. Es sind also nur 25 EU-Nationalitäten, die im Landkreis arbeiten, zeitweise leben oder sogar eine neue Heimat gefunden haben.
So wie Betina Bellmann, eine von vier Däninnen im Landkreis Kitzingen. So steht es in der aktuellen Statistik des Landratsamtes Kitzingen. Dort steht aber auch, dass es hier keine männlichen Dänen gibt. Allerdings kennt Bellmann einen Landsmann, der wie sie in Iphofen wohnt. Der spannende Blick auf die Zahlen ist also mit Vorsicht zu genießen: Die Tatsache, dass EU-Bürger in einem beliebigen der 28 EU-Länder leben und arbeiten können, heißt auch, dass wahrscheinlich nicht alle ordnungsgemäß gemeldet sind.
Die Rumänen sind der Spitzenreiter
Bei welchen Nationalitäten der Landkreis Kitzingen besonders beliebt ist, zeigt die Tabelle dennoch: Spitzenreiter bei uns sind 1386 Rumänen, dicht gefolgt von 1347 polnischen Einwohnern des Landkreises. Dahinter liegen abgeschlagen auf Platz 3 die 498 Ungarn. Am anderen Ende der Liste hält ein Mann die zyprische Flagge hoch, während drei Esten und fünf Finnen immerhin ein wenig Gesellschaft aus der Heimat haben.
Für Betina Bellmann ist das nicht mehr so wichtig. Seit fast 30 Jahren lebt die Dänin mittlerweile hier, obwohl sie nach der Ausbildung zur Restaurant-Fachfrau doch nur ein Jahr lang die unterfränkischen Weine kennenlernen wollte. "Ich wollte eigentlich weiter nach Frankreich, aber dann ist es doch Franken geworden", erinnert sich die 48-Jährige und lacht. Der Liebe wegen blieb sie, zu Iphofen und zu einem Iphöfer. Und sie ist nach wie vor begeistert von ihrer neuen Heimat.
Sie sei immer gut aufgenommen worden, sagt die zweifache Mutter: "Wenn man auf die Leute zugeht, werden die fränkischen Hörner weicher." Die Sprache zu lernen, sei damals kein Problem gewesen, auch wenn sie sich noch gut an eine nette Begebenheit mit einer Ur-Iphöferin erinnert. Diese rief ihr zu: "Du hast schönna Housn". Bis die Dänin wusste, dass die Frau ihre Stallhasen und nicht ihre Hosen lobte, dauerte es eine Weile.
Die Sprachbarriere dürfte bei den 144 Österreichern im Landkreis wohl kein Problem sein; da tun sich die 61 Portugiesen sicher schwerer. Interessant ist bei all den Zahlen übrigens auch, dass die männlichen Europäer offensichtlich reisefreudiger sind: 2165 Frauen (41,1 Prozent) aus den 25 im Landkreis vertretenen EU-Staaten stehen 3100 Männern (58,9 Prozent) gegenüber.
Ausnahmen bilden die Tschechen (51 Frauen/38 Männer), die Franzosen (19/13), die Letten (9/8), die Finnen (4/1) und eben laut Statistik die Däninnen (4/0). Betina Bellmann glaubt, dass ihre Landsleute gerne in Dänemark bleiben; so hat sie es jedenfalls im Freundeskreis erlebt. Vielleicht könnte das damit zu tun haben, was sie noch heute hier vermisst: das Meer. Aber das schmälert ihre Begeisterung für Iphofen nicht: "Wir haben immerhin einen kleinen Stadtsee."
Vor der Europawahl am 26. Mai beleuchtet die Redaktion in einer Serie von Artikeln, wie sich die EU auf den Landkreis Kitzingen auswirkt und welche Bedeutung sie für die Menschen hier hat.