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Kitzingen
Vor Gericht: Teambuilding-Seminar endet mit Gerangel und Nasenbluten
Das Kitzinger Amtsgericht beschäftigte sich mit einem Verhalten "wie kleine Kinder", Streit und Handgemenge bei einem Mitarbeitertreffen. Ein Fall aus dem Arbeitsleben.
Teambuilding kann auch schief gehen, wie sich jetzt vor dem Amtsgericht Kitzingen zeigte. Nach dem Seminar gab es eine Auseinandersetzung, die das Team sprengte.
Foto: Stefan Puchner, dpa | Teambuilding kann auch schief gehen, wie sich jetzt vor dem Amtsgericht Kitzingen zeigte. Nach dem Seminar gab es eine Auseinandersetzung, die das Team sprengte.
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:26 Uhr

Es sind freiberufliche Energiedienstleister aus Nordrhein-Westfalen, die sich Anfang vergangenen Jahres in Geiselwind zu einem zweitätigen Seminar trafen. Es geht um Schulung, es geht um den Umgang mit Kunden – und es geht um Teambuilding, weil man ja doch miteinander zu tun hat, auch wenn letztlich durch das vorgegebene Geschäftsmodell jeder sein eigener Herr ist. Die Veranstaltung neigt sich dem Ende entgegen, ein gemeinsames Abendessen bildet den Abschluss.

Vier Energievertreter aus dem Ruhrgebiet stehen vor der Gaststätte und rauchen noch eine Zigarette, bevor es gemeinsam in einem Auto zurück in die Heimat gehen soll. Als es um die Frage geht, ob alle ihr Essen bezahlt haben und man starten kann, verhält sich einer der Männer seltsam. Druckst herum, antwortet "mit einem komischen Ja", wie es später einer der Beteiligten ausdrückt. Die Szene kommt jedenfalls dem Fahrer, der letztlich auch so etwas wie der Vorgesetzte der kleinen Reisegruppe ist, komisch vor. Eine Nachfrage im Restaurant ergibt: Der Angesprochene hatte seine Rechnung nicht bezahlt.

Schläge auf Nase, Hand und Rücken

Der Mann, nennen wir ihn E., begründet das zunächst mit einem Missverständnis. Die Sache schaukelt sich hoch. Aus Sicht des 34-jährigen E. passierte dies: Er sei als Lügner dargestellt worden, man habe ihn beleidigt, dann flogen auch schon die Fäuste: Einem Schlag auf die Nase folgte ein Schlag auf die Hand und auf den Rücken. Er sei von dem Trio vermöbelt worden und habe deshalb die Polizei gerufen. Die kam auch samt Rettungswagen zu Hilfe geeilt.

Für den Chef, der jetzt auf der Anklagebank sitzt, weil er sich gegen einen Strafbefehl wehrt, stellte sich die Sache so dar: E. sei an jenem Abend ziemlich betrunken gewesen. Während des Streites wegen der unbezahlten Rechnung hätten sich E. und ein weiterer Kollege Kopf an Kopf gegenübergestanden, es drohte eine körperliche Auseinandersetzung. Deshalb, so der 25-jährige Angeklagte, sei er mit einer Armbewegung dazwischen. Er als Teamleiter habe "deeskalieren wollen". Beim gleichzeitigen Wegschubsen "kann ich ihn eventuell im Gesicht getroffen haben", so der Angeklagte.

"Ordentlich betrunken" gewirkt

Zu den Besonderheiten dieses Falls gehört, dass E., den an dem fraglichen Abend alle inklusive der Polizei für "ordentlich betrunken" hielten, gerade einmal 0,2 Promille intus hatte. Während das Trio anschließend nach Hause fuhr, blieb E. alleine zurück. Nach der Behandlung durch den Rettungsdienst, der bis auf Nasenbluten keine Verletzungen feststellen konnte, ging E. für eine Nacht in eine Klinik und ließ sich röntgen. Später gab er zu Protokoll, er habe durch die Schläge "drei bis vier Monate Schmerzen" gehabt.

Neutrale Zeugen für die Auseinandersetzung vor der Gastwirtschaft gibt es nicht. In dem Haus mit angeschlossenem Hotel sagte das Personal später lediglich aus, dass sich die Schulungsteilnehmer während ihres Aufenthalts generell komisch verhalten hätten: Untereinander seien die Zimmer getauscht worden, man habe in den Zimmern verbotenerweise geraucht und in der Lobby sei Fangen gespielt worden. "Wie die kleinen Kinder", heißt es in einer der Zeugenaussagen.

Einstellung ohne Auflagen

Ein bisschen Kindergarten, ein bisschen Kindergeburtstag, eine kleine Rangelei, ein vermeintliches Opfer, das sich äußerst seltsam verhält – die großen Straftaten gab es an jenem Abend eher nicht. Und weil selbst die Staatsanwaltschaft am Ende der Beweisaufnahme nur eine geringe Schuld bei dem Teamleiter auf der Anklagebank erkennen konnte, blieb nur eines: Einstellung des Verfahrens. Selbst die sonst oft üblichen Auflagen wie eine kleine Geldstrafe blieben aus – dafür war am Ende alles viel zu kindisch.   

Vom eigentlichen Teambuilding blieb am Ende auch nichts übrig. Neben dem einjährigen Rechtsstreit samt Gang vor Gericht strich E. in der Firma nicht lange nach dem Vorfall die Segel und verließ das Unternehmen. Weiter schlimm scheint das aber nicht zu sein: Er habe in seinem Leben "schon viele Berufe" gehabt und verdinge sich aktuell im Logistikbereich, ließ er das Gericht noch wissen, ehe das missglückte Teambuilding endgültig im Aktenarchiv verschwand. 

 
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