
Wenn man eine Kulisse für ein Märchen der Gebrüder Grimm suchte, dies hier wäre ein geeigneter Ort. Zu nüchtern für eine Dornröschenschlossruine, zu wuchtig für ein Hexenhäuschen – aber so verträumt und verwunschen, wie man sich eine einst klappernde Mühle am rauschenden Bach vorstellt. Wer sie heute besucht, wird empfangen von zersplitterten Fenstern, einem eingestürzten Dach und bedrohlich schiefen Mauern.
Es ist ein Ort, der dem Untergang geweiht scheint, an dem nichts als Vergessen entsteht. Wäre da nicht ein irritierendes Detail, das diesen Lost Place doch nicht ganz so verloren wirken lässt.

Die Küffleinsmühle zwischen Dettelbach und Brück liegt gut einen Kilometer von den Lichtern der Stadt entfernt. Nähert man sich ihr über die enge, kurvige Landstraße, taucht sie einfach aus dem Nichts auf, dahinter der Bach und die Weite und Stille einer Landschaft, die heute von einer der "Traumrunden" des Landkreises durchzogen ist.
Die Mühle überstand zwei Weltkriege und einen Wasserstreit
Über Jahrhunderte sorgte die Mühle für ein gütliches Auskommen bei ihren Besitzern. Sie überlebte manchen Bauernaufstand, zwei Weltkriege und einen existenziellen Wasserstreit. Aber so wehrhaft sie sich in der Vergangenheit zeigte, so schutzlos ist sie der Gegenwart ausgeliefert – und eine Zukunft hat sie augenscheinlich nicht.

Seit mindestens 1567 war das aus Backsteinen errichtete Gebäude Teil einer ganzen Kette von Mühlen, die sich um die kapriziösen Wendungen des Baches legten. Als "dritte Mühle am Brücker Bach" wird sie 1638 erwähnt. Da hatte sie den berüchtigten Euerfelder Wasserstreit schon hinter sich, der den mühsam gepflegten Frieden im Mühlengrund zu sprengen drohte.
Sieben Dettelbacher Müller verbündeten sich damals gegen ihre westlichen Nachbarn, als die ihnen am Oberlauf des Baches das Wasser abgruben und es in einen Landschaftssee bei Euerfeld abzweigten. Erst ein Machtwort von Fürstbischof Friedrich beendete 1568 den Konflikt – und war Wasser auf die Mühlen der Müller.

Und heute? So viele Fragen, die hier im Raum hängen. So wenige Antworten, die dieser Ort preisgibt. Im verzauberten Zwielicht der Frühlingssonne bleibt der Blick wieder an jenem Detail haften, das einen schlagartig in die Realität und in die Jetzt-Zeit zurückholt.
Irgendwann war das große Mühlrad verschwunden
Es ist nicht viel, was man in Geschichtsbüchern über die Küffleinsmühle findet. Aus dürren Dokumenten und alten Urkunden, die Julia Müller-Halbleib aus den Tiefen des Dettelbacher Stadtarchivs geborgen hat, lässt sich immerhin herauslesen, dass die Mühle einst gehörig Oberwasser hatte. Im Jahr 1624 taxierte man sie unter dem Müllermeister Hans Wirsing auf 1200 Gulden – "das war richtig viel im Vergleich zu anderen Mühlen", sagt Müller-Halbleib.
Generationen von Müllern richteten sich hier unten am gurgelnden Bach ein. Im Erdgeschoss der Betrieb und das monströse Mühlrad, das über zwei Stockwerke reichte, oben die Wohnung. Ein Idyll, ein Geschenk mitten in erhabener Natur. Als die Mühle 1927 unter Landwirt Franz Dürr und dessen Frau Elisabeth stillgelegt wurde, war dies noch nicht ihr Ende. Anfang 1950 reichte Dürr bei der Stadt einen Bauantrag an, der einen "Kaminbau" vorsah. Was aus den Plänen wurde, ist nicht überliefert – genau wie der weitere Werde- und Niedergang.

Fragt man den Dettelbacher Bauingenieur Ernst Plannasch, heute 75, erzählt er, wie sie schon als Kinder in der leerstehenden Mühle spielten und herumturnten. Ein Gefühl von Freiheit und Abenteuer, eine andere Zeit, ein anderes Leben, schon damals nicht ohne Risiko. "Irgendwann ist die Decke mal runtergefallen", sagt Plannasch. "Und eines Tages war das Mühlrad verschwunden."
Die Landrätin selbst soll sich in der Sache engagiert haben
Zur Jahrtausendwende gab es noch einmal den Versuch, den bislang letzten, diesem erschlafften Ort neues Leben einzuhauchen. Der Eigentümer, ein ehemaliger Automechaniker, plante die "Renovierung der Küffleinsmühle", wie es in einem Zeitungsartikel vom August 2000 hieß. Damals, so sagt es einer, der sich mit der Sache auskennt, wäre hier noch etwas zu retten gewesen – "mit viel gutem Willen des Landratsamtes". Die Landrätin persönlich habe sich darum bemüht, dass das Baurecht nicht verfällt.

Im Landratsamt ist man heute bei dem Thema erstaunlich zugeknöpft. Auf Anfrage heißt es lediglich, es habe zwei Kontakte mit dem Besitzer gegeben: einmal 2002 und einmal 2022. Zielführend waren beide Anläufe nicht. Eine Baugenehmigung sei nie beantragt worden. Offenbar, das erfährt man unter der Hand, lag an der Stelle bereits die Erlaubnis für eine Gaststätte vor. 2018 starb der Eigentümer. Zeit seines Lebens war ihm der große Garten wichtig.
Erstaunlicherweise ist die Mühle in keiner Denkmalliste erfasst und steht auch nicht unter Denkmal- oder Ensembleschutz. Das Landesamt für Denkmalpflege hat deshalb "keine Kenntnis über den aktuellen Zustand des Bauwerks".
Die Kulisse wirkt wie ein Gemälde von Caspar David Friedrich
Man kann der Behörde gerne auf die Sprünge helfen: Der Zustand ist, nun ja, ruinös. Zwei Stockwerke leere Fenster, eine gewaltige Halle ohne Dach, die Decke längst durchgebrochen. Über einer schroffen Kante krallt sich der alte Küchenherd an Astwerk und den Rest der Decke, morsche Balken liegen über den Boden verstreut oder ragen wie Skelette in den Raum, dazwischen Emaille-Töpfe und ein Teekessel mit rostigem Henkel.

In manchem der Fenster hängen schlapp die Gardinen. Zwischen Backsteinen und Mauervorsprüngen haben kleine Bäume ihre Wurzeln geschlagen. Der ganze Raum ein fiebriger Wechsel zwischen gleißender Helligkeit und bedrohlichem Schatten.

Es ist eine Kulisse, als hätte der Maler Caspar David Friedrich sie ziseliert. Die wuchernde Vegetation, mit der die Natur das architektonische Menschenwerk zurückerobert – wie geschaffen für ein Denkmal der Spätromantik.
Die Zeit, sie nagt an allem in dieser Geschichte. Und dann entdeckt man, etwas abseitig, ein Stück aus der Moderne. Eine Uhr, die an der Wand eines Schuppens hängt, der rote Sekundenzeiger tickt. Aber die Zeit zieht einen nicht mit sich fort, sie trägt einen keiner Zukunft entgegen. An diesem Ort fließt sie nur unbeteiligt und berührungslos an einem vorbei.
Mir scheint, dass diese Bruchbude größtenteils aus Bruchsteinen besteht. Die Mühle überlebte auch nicht so manchen Bauernaufstand. In Franken war schon 1525, also vor Erbauung der Mühle, schluß mit Bauernaufständen.
Kompliment an den Autor. Nach 20 Zeilen ist man mitten drinn in dem, was einmal eine Mühle war. Beim Lesen des Beitrags ab und zu mal die Augen schließen und es ist, als wäre man bei einer Führung dabei. Schade nur, dass in den vergangenen Jahrzehnten niemand die Bedeutung der "Ruine" für die Nachwelt erkannte. Zurück zum Autor. Der Beitrag ist fast schon die Abo-Gebühr für März wert .............