
Gefühlt gibt es immer mehr Tabus, immer mehr Dinge, die man lieber lassen sollte, um sich nicht angreifbar zu machen. Es sind aufgeregte Zeiten. Manchmal ist nicht einmal mehr klar, welches Faschingskostüm noch in die Zeit passt und wann es heikel wird. Was ist in der Fastnacht erlaubt? Und was sollte man besser nicht tun? Fragen an Katrin Hesse, die das Deutsche Fastnachtmuseum seit fünf Jahren leitet.
Katrin Hesse: Ich würde Plüschkostüme aller Art unbedingt meiden, zumindest bei der Saalfastnacht. Man schwitzt sich tot!
Hesse: Ich mag Clowns. Sie sind am variantenreichsten, sowohl in Kostümierung als auch Stimmung. Selbst wenn man schlecht drauf ist, kann man noch als trauriger Clown gehen.
Hesse: Einige trauen sich nicht mehr, ein Kostüm zu wählen, das ihnen Ärger einbringen könnte. Andere nehmen die Angelegenheit lockerer. Einerseits sollte man den geschichtlichen Hintergrund einer Kostümierung nicht aus dem Blick verlieren. Andererseits hat es Peter Kuhn bei einer internen Veranstaltung des Fastnacht-Verbandes Franken treffend formuliert: "Weil ein Kind, das als Indianer lacht, sich eben nicht über Indianer lustig macht." Es handelt sich ja oft wirklich um Vorbilder, die nachgeahmt werden, um Helden, und darin kann ich nichts Verwerfliches sehen.
Hesse: Ich glaube, dass zu viele Tabus den Geist der Fastnacht zerstören – sie ist von alters her ein Fest der Grenzüberschreitung. Und wo soll das ein Ende finden? Dürfen sich Männer dann noch als Frauen verkleiden? Als Frauen kostümierte Männer präsentieren meist ein nicht gerade schmeichelhaftes Frauenbild. Andererseits kann das auch sehr lustig sein. Vorausgesetzt man – oder in diesem Fall: frau – kann über sich selbst lachen und nimmt das nicht persönlich.
Hesse: Es bleibt glücklicherweise jedem selbst überlassen wie er sich kleidet bzw. verkleidet. Fastnacht ist die verkehrte Welt, die Welt des Scheins. Ich finde die gegenwärtige Ratgeber-Mentalität ein bisschen anstrengend.
Hesse: Kriege und Unruhen gibt es leider immer in einem Teil der Welt. Deshalb in den nicht betroffenen Ländern Feste abzuschaffen oder gar zu verbieten, macht die Welt und ihre Menschen nicht besser. Auswirkungen dürften die Turbulenzen zumindest in der diesjährigen Session darum vor allem auf die politischen Büttenreden und Umzugswagen haben, nicht auf das Fastnachtstreiben insgesamt.
Hesse: Den Eindruck habe ich nicht. Es scheinen aber die Ironie und feine Satire verloren zu gehen. Büttenreden arten leider immer häufiger in Beschimpfungen aus, die jeden Humor missen lassen.
Hesse: Es gibt definitiv Grenzen, die keiner überschreiten sollte. Einen anderen Menschen gezielt zu demütigen oder persönlich anzugreifen, ist auch im Fasching nicht in Ordnung. Das zu regulieren ist allerdings unmöglich – da muss man sich auf den "inneren Kompass" des Einzelnen oder gegebenenfalls des Publikums verlassen. Es wird leider viel zu oft Beifall geklatscht, wenn es unter die Gürtellinie geht – Tendenz steigend. Bei krassen Verstößen ist die Justiz zuständig.
Hesse: Die Frage ist nicht nur, was das mit dem Fasching macht, sondern auch mit der Gesellschaft im Allgemeinen. Im Falle einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte haben wir eine Justiz, die jeder Betroffene anrufen darf. Was wir nicht brauchen, sind selbsternannte Richter, Sprachpolizisten und Moralapostel. Vielleicht sollten wir alle lernen, mehr über uns selbst zu lachen und nicht alles persönlich zu nehmen.
Hesse: Eher selten – die schrecklich zweischneidige Art von Witzen, bei der das passiert, ist in der Fastnacht glücklicherweise selten.
Hesse: Nicht, dass ich wüsste – allenfalls gibt es immer wieder mal Kritik an einzelnen Büttenreden oder Fastnachtsauftritten.
Hesse: Die Zeiten sind sicherlich schwieriger geworden, da durch die Medien vielen Dingen eine hohe Relevanz zuteil wird, die früher gar nicht an die breite Öffentlichkeit gelangt wären. Und natürlich macht es das Internet heute jedem leicht, auf gemeine Weise andere anzugreifen, ohne Konsequenzen tragen zu müssen.
Hesse: Seit der Romantik steht beim Fasching der Aspekt der Freude und das Motto "Allen wohl und keinem weh" im Vordergrund. So gesehen ist das Fest schon lange "weichgespült". Aber das ist auch in Ordnung, denn niemand wird sich wohl nach den teilweise menschenverachtenden Bräuchen des Mittelalters zurücksehnen.
Hesse: Das hängt sehr von den Sitzungen ab, denke ich. Ich kann nur vermuten, dass es vielleicht eine Frage der Qualität ist. Vielleicht auch der Preise oder Dauer der Veranstaltung. Nach spätestens vier Stunden reicht es auch mir.
Gabriele Rosenkranz-Höhn