Am Samstagabend, dem Tag vor der Wahl, der auch sein großer Tag werden soll, schreibt Dieter Lenz eine E-Mail an diese Redaktion. Dem Musikzug der Feuerwehr, dessen Dirigent er ist, habe er abgesagt, das Essensangebot sei deutlich reduziert. Treffen wolle man sich nur "im kleinen Kreis". Hat er den Glauben in sich verloren? Rechnet er nicht mehr mit einem Sieg? Mitnichten. Aber an Corona kommt in diesen Zeiten selbst ein Iphöfer Bürgermeister nicht vorbei.
Als am Sonntagabend, um kurz nach 19 Uhr, das Ergebnis und der Triumph für ihn absehbar ist, steht Lenzer im Feuerwehrhaus und sagt durchs Handy: "Ich konnte mich lange genug darauf einstellen." Von Euphorie, Triumphgeheul gar, keine Spur. Monatelang hat er auf diesen Tag hingearbeitet, doch zu lauter Jubel verträgt sich nicht mit der Gesamtlage.
Einen Erdrutschsieg hatte man für Lenzer erwartet
Lenzer, seit 18 Jahren Stadtrat, hat am Sonntag wie erwartet die Bürgermeisterwahl in Iphofen gewonnen: mit rund 71 Prozent der Stimmen gegen seinen Herausforderer Jürgen Kößler (SPD), der noch am Abend einen "Achtungserfolg" für sich reklamiert. Er freue sich sehr über die Zustimmung. "20 Prozent waren mein Ziel, das haben wir klar überschritten." Tatsächlich hatten viele politische Beobachter in Iphofen ein deutlicheres Ergebnis erwartet, einen Erdrutschsieg Lenzers, der sich seinen Sieg allerdings nicht schlechtreden lässt. "Das Ergebnis ist absolut in Ordnung. Wenn es zu viel geworden wäre, wäre es auch nicht gut gewesen", lautet einer seiner ersten Sätze mit Blick auf den Wahlausgang.
Kößlers Ergebnis ist umso bemerkenswerter, als er Ende vergangenen Jahres, also schon in der Wahlkampfphase, in eine heftige politische Kontroverse gezerrt wurde, angezettelt vom Iphöfer SPD-Stadtrat Otto Kolesch, der Kößler offen die Eignung für das Bürgermeisteramt absprach. Kößler, 42-jähriger Facharzt für Transfusionsmedizin an der Uni in Würzburg, ließ sich nicht provozieren, reagierte besonnen und pragmatisch auf die Attacken, wie es seinem Typus des sachlichen Analytikers entspricht – und vielleicht sammelte er auch damit nochmals Punkte im Volk, wo er sich ansonsten eher unerkannt bewegte.
Auch Kößlers größter Kritiker sitzt mit am Ratstisch
Eine ausgeprägte Wechselstimmung gab es in Iphofen zwar nicht, aber Kößler sagt: "Die Stadt war jahrzehntelang geprägt von einer Person. Es war der richtige Zeitpunkt für meine Kandidatur." Es darf als Ironie dieser Wahl gelten, dass neben Kößler auch sein größter innerparteilicher Kritiker den Wiedereinzug in den Stadtrat geschafft hat: Obwohl vom letzten Listenplatz aus gestartet, holte Kolesch das zweite Mandat für die SPD.
Für die CSU blieb es bei fünf Sitzen im Rathaus. Beliebte Stadträte wie Rupert Maier und Klaus Brehm hatten nicht mehr kandidiert; dazu war es der Partei bei aller Anstrengung nicht gelungen, einen Bürgermeisterkandidaten auf die Beine zu stellen, wie sie es einst für den Fall des Ausscheidens Josef Mends verkündet hatte. Wenn die Partei nun auf das Abschneiden des SPD-Kandidaten Kößler blickt, hat sie Grund genug, sich bei dieser Wahl am meisten zu ärgern.
Dieter Lenzer kann mit absoluter Mehrheit regieren
Dieter Lenzer wird in den kommenden sechs Jahren mit der absoluten Mehrheit seiner Freien Wähler im Rat regieren können, die mit ihm neun von 17 Stimmen haben. Das macht die Sache für ihn komfortabel, aber erst einmal nicht einfacher. Er ist der politische Erbe von Josef Mend, des ewigen Bürgermeisters, der diesen Posten 30 Jahre lang innehatte. Indem er ihn nicht nur verwaltete, sondern ihn nutzte, um zu gestalten und die Stadt zu entwickeln, sind die Fußstapfen riesengroß, in die sein Nachfolger tritt. Aber Lenzer hat schon vorher klargemacht, dass es keinen Sinn ergebe, Mend nachzueifern. Er werde und müsse da seinen eigenen Stil entwickeln, sagt der 44-jährige Bankbetriebswirt. An diesem Dienstag wird Lenzer erst einmal wieder normal zur Arbeit gehen. Seine Zeit als Bürgermeister beginnt offiziell am 1. Mai.