Weinberge oder Rathaus: Jürgen Kößler kann mit beidem leben, wenn es darum geht, wo er lieber fotografiert werden möchte für dieses Porträt. Aus wettertechnischen Gründen wird es dann doch das Ratsgebäude, was ja passt. Kößler fehlt zwar das Temperament, um mit Inbrunst an der Tür des Iphöfer Rathauses zu rütteln wie einst Gerhard Schröder an den Zäunen des Kanzleramts. Doch der SPD-Mann lässt keinen Zweifel daran, dass er nach der Kommunalwahl im März 2020 schon gerne hier einziehen würde: ob nun als Bürgermeister oder als ganz normaler Stadtrat.
Als die SPD das letzte Mal einen Bürgermeisterkandidaten in Iphofen stellte, 1948, war gerade der Zweite Weltkrieg zu Ende. Dennoch hielt nicht jeder, selbst im eigenen Ortsverein, die Zeit für reif, jetzt mit einem eigenen Bewerber in die Wahl zu gehen. Diese Stimmen müsse man hinnehmen, sagt Kößler zu der jüngsten Kritik der beiden SPD-Stadträte Otto Kolesch und Bernd Hartmann an seiner Kandidatur. Er habe auf der anderen Seite viel Sympathie und Zuspruch erfahren, habe mit Menschen gesprochen, die ihn ermutigt hätten. Immerhin stehe Iphofen vor einer politischen Zäsur – nun, da der Freie-Wähler-Mann Josef Mend nach bald 30 Jahren im Amt nicht mehr antreten wird.
Kößler ist sich seiner Rolle durchaus bewusst, spricht selbstbewusst über seine Stärken, aber er ist kein Polterer, nicht der lärmende Gegenentwurf zu seinem ebenfalls eher pragmatischen Mitbewerber der Freien Wähler, Dieter Lenzer. Jovial in den Inhalten, verbindlich im Ton, verkörpert der 42-jährige Mediziner den verständnisvollen Kümmerer. Die Frage ist, ob das reichen wird, um sich von seinem in vielen Jahren Stadtratspolitik profilierten Gegenkandidaten abzugrenzen. An kommunalpolitischer Praxis hat Kößler bislang nicht allzu viel vorzuweisen. Er selbst hält das nicht für einen Nachteil. „Stadtratsarbeit ist etwas anderes als Bürgermeisterarbeit.“ Bürgermeister zu sein, könne man nicht lernen, da müsse man hineinwachsen. Mit Verwaltungsarbeit jedenfalls kenne er sich aus durch seinen Klinik-Alltag.
Gymnasium in Scheinfeld, Studium in Erlangen, Arzt-Job an der Uni Würzburg – Kößlers Laufbahn ist nicht gerade die klassische SPD-Arbeiterkarriere. Dafür ist er schon mit 16 in die SPD eingetreten und programmatisch nah bei den Sozialdemokraten. Soziale Fürsorge, Klima- und Naturschutz, Altern mit Würde – das sind die Themen, die er auch im lokalen, ländlichen Raum besetzen will, etwa durch den Bau altersgerechter, bezahlbarer Wohnungen, die Stärkung des Bahnhaltepunktes oder den Ausbau der Infrastruktur für E-Mobilität. Kößler setzt dabei auf die wirtschaftliche Stärke Iphofens, die sich an vielen Stellen der Stadt zeige. Von einer „schönen Mischung“, einer „Weinstadt mit Kultur und Tradition“ spricht Kößler. Weinbau, Tourismus, Landwirtschaft prägten und stärkten die Region nachhaltig.
Die Attraktivität Iphofens zeige sich an den zahlreichen Zuzügen. Auch er selbst – im nahen Obersteinbach aufgewachsen – kam vor acht Jahren mit der Familie, hat inzwischen zwei Kinder und arbeitet als Facharzt für Transfusionsmedizin an der Uni Würzburg. In einem zweiten Studium hat er seinen Master in Gesundheitsökonomie gemacht. Projekte planen und umsetzen könne er, mit Zahlen umgehen ebenfalls. Wie er die Menschen von sich und seinen Qualitäten überzeugen wolle? Jedenfalls nicht mit platten Reden in irgendwelchen Nebenzimmern. Diese Zeit sei doch längst vorbei. „Mein Ansatz ist es, die Leute bei Spaziergängen oder persönlichen Begegnungen mitzunehmen.“
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