Für Otto Kolesch geht es ums Ganze. Seit 1990 sitzt der selbstständige Malermeister für die SPD im Iphöfer Stadtrat, immer mit wechselnden Partnern seiner Partei. Mal war es Erhard Meusert, mal Michael Klein, mal der mittlerweile verstorbene Walter Schubert, und seit 2014 ist es Bernd Hartmann. Kolesch ist so etwas wie der Dauerbrenner des Stadtrats, aber auch der Iphöfer SPD.
Mit seiner Partei ist er dabei nicht immer pfleglich umgegangen. Bei Sitzungen und Versammlungen fehlte er oft, mancher vermisst die Loyalität gegenüber dem Ortsverein. Andererseits sicherte er der SPD stets den Zugang in den Rat. Schafft er bei der Kommunalwahl im März 2020 erneut den Sprung ins Rathaus, wäre dies seine sechste Amtszeit. Länger sitzt in Iphofen keiner im Stadtrat. Aber die Frage ist: Schafft er es?
Steckt persönliche Rache hinter der Ausbootung?
Der SPD-Ortsverein hat Kolesch bei der Aufstellungsversammlung für die Stadtratsliste nur auf den letzten Platz gesetzt, und auch das erst auf Drängen Bernd Hartmanns. Ursprünglich war für den Malermeister überhaupt kein Platz auf der Liste reserviert. Ein Unding, wie Hartmann findet. Steckt hinter der Ausbootung die persönliche Rache dafür, dass Kolesch sich offen gegen den SPD-Ortsvorsitzenden Jürgen Kößler als Bürgermeisterkandidaten wandte und ihm die Reife für dieses Amt absprach? Kolesch sieht das so. Kößler geht auf Nachfrage dieser Redaktion auf diese Vorwürfe gar nicht ein, sondern verweist auf das Votum der Nominierungsversammlung, die ihm das Mandat gegeben habe, sich im März um die Nachfolge des nach 30 Jahren scheidenden Josef Mend (Freie Wähler) zu bewerben.
Die Querelen treffen die SPD zur Unzeit, vier Monate vor der Kommunalwahl. Und sie zeigen die Gräben, die sich im Ortsverein auftun: zwischen den beiden Mandatsträgern auf der einen Seite und der Führungsspitze auf der anderen. Kolesch und Hartmann werfen Kößler vor, sie nicht in die Überlegungen über seine Kandidatur als Bürgermeister einbezogen zu haben.
Kößler erklärt, er habe intern bereits vor etwa zwei Jahren seine Bereitschaft bekundet zu kandidieren, nachdem dies von „einer Reihe von Mitgliedern“ gewünscht worden sei. Alle Mitglieder seien rechtzeitig über seinen Schritt informiert worden. Von etwaigen „Unstimmigkeiten“ will Kößler deshalb nichts wissen.
Zwei Tage vor der Aufstellungsversammlung am 18. Oktober forderte Hartmann Kößler in einer Mail dazu auf, „mit unserem verdienten Stadt- und Kreisrat Otto Kolesch“ ins Reine zu kommen. Schon damals war absehbar, dass Kolesch nicht auf der Stadtratsliste seiner Partei auftauchen würde. Hartmann sah die Felle der SPD davonschwimmen und verwies darauf, dass Kolesch bei den vergangenen Wahlen stets Zugpferd der SPD gewesen sei. 2014 erhielt Kolesch 1059 Stimmen und verteidigte Platz eins auf der SPD-Liste knapp vor Hartmann (1006). Auf Kößler als Newcomer – er lebte damals erst seit zwei Jahren in Iphofen – entfielen gerade mal 134 Stimmen, letzter Platz.
In der Versammlung kam es zum Eklat
Eine Antwort auf seine Mail hat Hartmann nach eigenen Worten nie erhalten. Stattdessen kam es zwei Tage später in der Versammlung zum Eklat. Kolesch hielt Kößler vor versammelter Mannschaft Inkompetenz vor und sprach ihm die Eignung fürs Bürgermeisteramt ab. Kößler entzog ihm daraufhin das Wort – angeblich, weil die festgelegte Redezeit von drei Minuten pro Bewerber abgelaufen war. Gewählt wurde Kolesch von der Mehrheit der elf erschienenen Mitglieder am Ende dennoch auf die Liste, wenn auch nur auf den letzten von zwölf Plätzen.
Hartmann verzichtete aus Loyalität zu seinem Mitstreiter auf den ihm angebotenen dritten Platz und ließ sich an vorletzte Stelle setzen. Kolesch sagt heute: „Wir brauchen eine starke Persönlichkeit, die auf Leute zugeht, eine Verwaltung führen kann, sich finanzpolitisch auskennt und einen guten Draht zur örtlichen Wirtschaft hat. All das konnte Mend. Kößler erfüllt keinen dieser Punkte.“
Die jetzigen Vorwürfe Koleschs beziehen sich nicht nur auf Kößler direkt, sondern zielen auch auf die Stadtratsliste. Sie sei unausgewogen und als „Familienliste“ zu sehen. Einziger Bewerber aus den Stadtteilen ist Bernd Hartmann. Dafür kandidieren in Karin Jung die Schwiegermutter und in Angela Kößler die Frau des Ortsvorsitzenden und in Alexandra und Volker von Hoyningen laut Kolesch zwei Vertraute Kößlers. Familiäres Engagement gebe es auch in anderen Parteien, entgegnet Kößler. Bestes Beispiel sei die Familie von Landrätin Tamara Bischof bei den Freien Wählern.
Kößler verweist auf "vielfältige Lebenserfahrung"
Nicht zuletzt verweist Kolesch auf das Abschneiden Kößlers als SPD-Kandidat bei der bayerischen Landtagswahl vor einem Jahr. Der Iphöfer hatte damals 8,1 Prozent der Erststimmen erhalten und lag damit hinter den Kandidaten von CSU, Grünen, Freien Wählern und AfD nur auf Platz fünf. Kößler ficht das alles nicht an. Selbstbewusst spricht er über seine „vielfältige Lebenserfahrung“.
Aufgewachsen in einer klassischen Arbeiterfamilie, habe er erlebt, wie wichtig das Solidarwesen und der Zugang zu Bildung in einer freien demokratischen Gesellschaft seien. Als Arzt habe er einen guten Überblick über die Sorgen und Nöte der Menschen, als Wissenschaftler die Fähigkeit, sich in komplexe Sachthemen einzuarbeiten. Und Finanzfragen seien ihm durch sein Studium der Gesundheitsökonomie vertraut.
Unbeantwortet bleibt die Frage, wie er gedenkt, sein politisches und persönliches Profil gegenüber Dieter Lenzer, dem Bewerber der Freien Wähler, zu schärfen. Kößler nennt als Schwerpunkte seiner politischen Agenda den Bau altengerechter Wohnungen, den Ausbau von Bildungs- und Betreuungsangeboten, die Entwicklung von E-Mobilität und des öffentlichen Nahverkehrs vor Ort sowie die Sanierung von Hallenbad und Rathaus. Worin er sich von Lenzer unterscheidet, lässt er offen.
Kolesch sagt, Kößler habe einfach das Wahlprogramm der Freien Wähler abgeschrieben. Diese Aussage zeigt, wie verhärtet die Fronten sind. In Stadtratssitzungen ist Kößler bislang nicht aufgetaucht. Woher er seine kommunalpolitische Kompetenz bezieht? Er verfolge die Berichterstattung in den Medien, informiere sich bei Bürgerversammlungen und führe Hintergrundgespräche mit Stadträten. „Ansonsten“, erklärt er, „ist die wichtigste kommunalpolitische Erfahrung das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern.“