
Hier geht’s lang zum Behinderten-WC: Das Schild mit dem Piktogramm und dem Pfeil weist den Weg hinunter in die Feuerwehr-Tiefgarage. Doch gleich daneben steht ein Hinweisschild: Die Rampe ist nicht behindertengerecht. Ein Widerspruch, den Ludwig Russ gerne beseitigt sehen würde.
Er war früher beim Behindertenfahrdienst tätig, hat beim VdK-Landesverband die Ausbildung zum Fachberater Barrierefreiheit durchlaufen und weist seit langem an verschiedenen Stellen und bei Behörden immer wieder darauf hin, dass es in Kitzingen viele Punkte gibt, an denen die Stadt noch nicht barrierefrei ist. Hier sind acht willkürlich herausgegriffene Beispiele. Einige davon erfordern größere Maßnahmen. Andere erscheinen dem Laien als Kleinigkeiten, wären für die Betroffenen aber wichtig – und leicht zu beheben.
1. Behindertentoiletten: zu steile Rampen, fehlende Haltegriffe, schwer zu schließende Türen

In Kitzingen gibt es zwölf barrierefreie WC-Anlagen, die teils mit Schlüssel zugänglich sind, teils sind sie offen oder die Schlüssel sind an Kassen (Freibad) oder der Vermittlung (Rathaus/Landratsamt) erhältlich. Ein gravierendes Hindernis ist bei der Anlage in der Feuerwehrhaus-Tiefgarage die zu steile Rampe.
In anderen WCs fehlen Haltegriffe oder Rückenlehnen, Türen lassen sich schlecht schließen oder es ist schwierig, mit dem Rollstuhl das Waschbecken zu unterfahren. Fast überall fehle der Notrufknopf, so Ludwig Russ. Die Mängel seien bei einer Begehung mit den Behindertenbeauftragen von Stadt und Landkreis festgehalten worden, eine Instandsetzung sei vorgesehen.
2. Kopfsteinpflaster: eine Buckelpiste, die aus eigener Kraft kaum zu befahren ist

Das Pflaster gehört zum Altstadtbild – doch für Gehbehinderte ist es eine große Hürde, für Sehbehinderte wird es schnell zur Stolperfalle. Der Rollwiderstand der Pflastersteine ist groß, es ist schwierig, sich alleine mit dem Rollator und vor allem dem Rollstuhl vorwärts zu bewegen, im Bereich der Marktstraße und der davon abgehenden Gassen fast unmöglich.
Andere Städte wie Iphofen haben bereits gesonderte Streifen angelegt, auf denen die Reifen und Räder leichter rollen. In Kitzingen gibt es diesen ebeneren Belag bislang nur an einigen Stellen, wie in der Schrannenstraße oder im Gehwegbereich von der Evangelischen Kirche zum Landratsamt.
3. Zugestellte Wege: unerwartete Hürden für Sehbehinderte, Umwege für Rollator-Fahrer

Freisitze sowie Warenauslagen werden für Sehbehinderte schnell zum Problem, sagt Ludwig Russ. Wer nicht gut oder gar nichts sieht, orientiert sich mit seinem Stab an Bürgersteigen und Hauswänden – und da geht es oft nicht weiter.

Für Rollstuhl- und Rollator-Fahrer werden aufgrund zugestellter Wege häufig längere Wegstrecken nötig, und die führen dann oft wieder über das großformatigere, holprige Pflaster. "Wer selbst schon mal Rollstuhl gefahren ist, weiß, wie anstrengend das ist", so Russ.
4. Fehlende Kennzeichnung der Treppenstufen: Grau in Grau ist eine Gefahr für Sehbehinderte

An vielen Treppen sind die Stufen nicht deutlich gekennzeichnet – zum Beispiel an der Alten Synagoge hinunter zum Mainkai, aber auch in manchen öffentlichen Gebäuden. Für Sehbehinderte ist es schwierig, diese Stufen zu erkennen – die an der Treppe von der Schrannenstraße zum Main sieht man dank eines weißen Striches besser.

"Insgesamt sollte mehr auf Farbkontraste geachtet werden", appelliert der Kitzinger. Sei es bei Hinweisschildern oder bei Lichtschaltern in Gebäuden: Grau in Grau, Weiß auf Weiß ist kaum zu erkennen.
5. Eingangsstufen: Wenn wenige Zentimeter den Eintritt behindern oder gar unmöglich machen

Schon eine einzige Stufe ist für Rollator-Fahrer schwierig und für Rollstuhlfahrer alleine nicht zu bewältigen. "Barrierefreiheit bedeutet, dass man alleine zurecht kommt und nicht auf die Hilfe anderer angewiesen ist", betont Russ. Behindern Stufen den Weg in Geschäfte oder Gaststätten, bleiben Rollstuhlfahrer deshalb leider oft außen vor.
Derartige Hürden gibt es in der Innenstadt aufgrund der baulichen Verhältnisse häufig, oft fehlt der barrierefreie Eingang. Problematisch sind an vielen Stellen in Kitzingen auch hohe Bordsteine.
6. Bahnhof: Wer mit dem Zug fahren will, hat in Kitzingen ein Problem

Stufenfreier Zugang, niedrige Bahnsteighöhe, Handlaufschilder, kontrastreiche Wegeleitung… Wer den Kitzinger Bahnhof auf Barrierefreiheit checkt, muss bei fast allen Punkten feststellen: Gibt es nicht. Ein stufenfreier Zugang ist nur auf Gleis 1 und 9 möglich, nicht aber auf den Gleisen 2 und 3, die am häufigsten zum Ein- und Ausstieg genutzt werden. Ein Umbau des Bahnhofs ist bisher nicht vor 2029 vorgesehen. „Warum kann man bis dahin nicht öfter Gleis 1 nutzen?“, fragt Russ.
7. Alte Synagoge/Vhs: Warten, bis einer aufmacht oder einem die Rampe hoch hilft

Die Alte Synagoge, in der neben kulturellen Veranstaltungen auch Stadtratssitzungen stattfinden, ist über den Seiteneingang für Rollstuhlfahrer zugänglich. Allerdings muss man klingeln und es muss jemand da sein, der die Türe öffnet. Die Knöpfe im Aufzug seien sehr hoch angebracht, nennt Russ ein weiteres Problem. Wer in der Feuerwehr-Tiefgarage parkt und zur Synagoge möchte, muss einen weiten Weg zurücklegen, weil er gleich an zwei Stellen auf Rampen trifft, die zu steil und damit nicht behindertengerecht sind.
Auch am Luitpoldbau steht man am Haupteingang vor vielen Stufen. Der Zugang mit Rampe befindet sich im Innenhof, der Weg dorthin ist teilweise gepflastert, die Rampe laut Ludwig Russ alleine kaum überwindbar.
8. E-Lade-Säulen: Bordsteine und Barrieren verstellen behindern den Weg

Wer als Gehbehinderter ein E-Auto fährt, hat es in Kitzingen mit dem Laden nicht leicht. Die Plätze sind oft eng, so dass Ein- und Aussteigen aus dem Fahrzeug schwierig oder unmöglich ist. Die Säulen sind hoch, man erkennt das Display als Rollstuhlfahrer kaum. Teilweise erreicht man die Säulen gar nicht, denn sie stehen oft auf dem Bürgersteig mit hohem Bordstein oder sind mit einer baulichen Barriere abgetrennt.