Wie fühlt es sich an, wenig zu sehen und im Rollstuhl über den Kitzinger Marktplatz fahren zu müssen? Fragen, für die es am Samstag beim Aktionstag "Von A nach B barrierefrei", Antworten gab. Mit einer Brille, die ein Augenleiden simulierte, und mit Rollstühlen konnten Passantinnen und Passanten testen, wie und ob sie mit Behinderungen zurechtkommen.
Während viele eher achtlos vorübergingen, probierten Oberbürgermeister Stefan Güntner, Bürgermeisterin Astrid Glos und die Ehrenamtsreferentin der Stadt Sabrina Stemplowski mutig im Rollstuhl sitzend auf Kitzingens Altstadtpflaster fortzubewegen. Sie wurden begleitet von Gerd Herold aus Hettstadt, der an der Uni Würzburg Seminare anbietet und Rollstuhlbasketballer trainiert.
Oberbürgermeister Güntner sieht Handlungsbedarf
Neben einem merkwürdigen Gefühl machte Güntner vor allem Gefällstrecken als ein Problem aus. Schon das Anfahren falle schwer. Auch nur eine kurze Strecke zu bewältigen, sei selbst für ihn als trainierten Sportler kein Spaß. Daher sieht er Handlungsbedarf.
Ein Armutszeugnis für die Stadt Kitzingen
Sabrina Stemplowski kommt der Marktplatz eigentlich relativ eben vor. Im Rollstuhl spüre man jedoch jede Vertiefung, jede Pflasterrille. Hier zielsicher zu navigieren sei nicht einfach. Rampen in Geschäfte seien ja ganz schön aber überwiegend viel zu steil, um sie alleine bewältigen zu können. Eine Strecke selbst zu er-"fahren" ergebe eine ganz andere Vorstellung und neue Sichtweisen. Ähnliche Erfahrungen machte die Integrationsbeauftragte Glos, die ergänzend unterstrich, dass auf Hör- und Sehgeschädigte zahllose weitere Probleme warteten.
Die Probleme betreffen nicht nur ältere Menschen, sie gälten auch für junge, fasste Stemplowski zusammen, dass vor Geschäften und am Bahnhof gleichartige Probleme zu bewältigen seien. Da es Schwierigkeiten für Rollatoren und auch Kinderwagen gebe, müsse die Problematik generationsübergreifend gesehen werden. Die Ehrenamtsreferentin denkt bereits über die Wiederholung des Aktionstages am Bahnhof nach. Die Erreichbarkeit der Bahnsteige und der Zustand in der Altstadt seien für eine Stadt wie Kitzingen ein Armutszeugnis, so Stemplowski.
Gerd Herold kennt die Probleme aus dem Alltag. Er zeigte wie man mit dem Rollstuhl eine in ein Geschäft führende Rampe überwindet. Was gar nicht leicht sei. Mit einem Geländer könne man sich mit einiger Übung selbst helfen, ansonsten heiße es jemanden um Hilfe zu bitten. Zunächst bedeute um Hilfe zu bitten zwar das Überwinden einer Hemmschwelle, doch irgendwann frage man einfach. Meist werde auch bereitwillig geholfen, wobei sich viele Menschen dann übermotiviert zeigten.
Der Aktionstag zeigte viele bauliche Hindernisse
Mit dem Aktionstag im Herzen der Altstadt sollte aufgezeigt werden wie viele bauliche Hindernisse und Stolpersteine auf Rollstuhl- und Rollatorfahrer, Geh- und Sehbehinderte und Seniorinnen und Senioren warteten.
Der Aktionstag "Von A nach B barrierefrei" wurde von der Aktion Mensch und dem VdK-Ortsverband Kitzingen, dem Bezirksverband Unterfranken der AWO, den Lebenshilfe Werkstätten, der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung EUTB und der Deutschen Multiple Sklerose-Gesellschaft DMSG unterstützt. Für musikalische Unterhaltung sorgte der Vorsitzende des Senioren- und Behindertenbeirates der Stadt Kitzingen Wolfgang Popp mit seiner Band.