
Dicke Luft herrschte am Dienstag, als im Kitzinger Landratsamt der Umwelt- und Klimaausschuss des Kreistags tagte. Der Grund: Für die Umweltstation mit dem Schwerpunkt Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), die im alten Hafen in Marktsteft entstehen soll, liegt noch immer kein Bauantrag vor. Ebenso fehlt ein stichhaltiger Zeitplan, bis wann die Station, die die Stadt Marktsteft als Bauherrin errichten und der Landkreis betreiben möchte, in Betrieb gehen kann; der anvisierte Starttermin im kommenden Jahr ist längst hinfällig. Und zu allem Überfluss liegt dem Landkreis kein schlüssiges Finanzkonzept vor.
"Der Sachstand ist außerordentlich unbefriedigend", fasste Landrätin Tamara Bischof (FW) die Lage nüchtern zusammen. Unschwer zu bemerken war jedoch, dass sie und die beteiligten Stellen der Kreisbehörde stark angesäuert sind, dass Marktsteft mit Bürgermeister Thomas Reichert (CSU) in der Sache nur in Trippelschritten voranzukommen scheint, trotz aller vor Wochen gegebenen Versprechen, Vollgas zu geben. Später wurde Bischof noch deutlicher: Marktstefts Auftreten in der Sache sei blauäugig gewesen, der vorgelegte Finanzplan desolat ("ich weiß nicht, wie Marktsteft das finanziell auf die Reihe bekommen möchte") und "vollmundige Berichte", als es darum ging, die BNE-Station nach Marktsteft zu holen, hätten sich als substanzlos erwiesen.
Landrätin spricht von "rosarot" gezeichneter Vision
Trotz aller politischer Vorsicht war das ein verbaler Faustschlag Bischofs. Und das war noch nicht alles: Sollte Marktsteft als Bauherrin scheitern und es jetzt nicht zügig und solide vorangehen, müsste der Landkreis "völlig neu entscheiden" und würde seine BNE-Station womöglich doch nicht in Marktsteft betreiben und nach einer weniger aufwändigen Lösung suchen, was die laut Bischof "rosarot" gezeichnete Vision von der Zukunft des alten Hafens in Marktsteft platzen lassen dürfte.
Ihrem Unmut machten auch Ausschussmitglieder Luft. "Unsere Geduld ist am Ende", meinte etwa Robert Finster (SPD). Josef Mend (FW) hielt fest, dass die Entscheidung des Kreistags im Mai 2019, die Umweltstation in Marktsteft einzurichten, wohl nicht so gefallen wäre, wenn klar gewesen wäre, dass das damals von Bürgermeister Reichert vorgelegte Finanzkonzept inklusive Zeitplan mehr wackelte als stand. Damals hatte sich Marktsteft im Kreistag gegen Dettelbach als BNE-Standort durchgesetzt. Der Landtagsabgeordneten Barbara Becker (CSU), die auch Kreistagsmitglied ist, warf Mend vor, im Wahlkampf Förderzusagen getroffen zu haben, die jetzt "auch geliefert" werden müssten.
Die angegriffene Becker ist zwar kein Mitglied des Umweltausschusses, wohnte der Sitzung aber bei. Sie verwehrte sich gegen den Vorwurf des Wortbruchs, bat wie ihr Marktstefter CSU-Fraktionskollege Dieter Haag, der ebenfalls anwesend war, um Geduld und warb darum, Marktsteft zu vertrauen. "Mein Gefühl ist, das wird schon", sagte Becker. Timo Markert (CSU) gab zu, "das Kind ist in den Brunnen gefallen", möchte aber ebenfalls an Marktsteft festhalten und das Projekt gemeinsam mit dem Landkreis retten.
Bürgermeister Reichert bekennt erneut Fehler
In Optimismus versucht sich auch Marktstefts Bürgermeister. "Wir können das schaffen", versichert Reichert auf Nachfrage dieser Redaktion. Erneut macht er keinen Hehl daraus, dass er es übersehen hat, das Projekt laut VgV (Vergabeverordnung) auszuschreiben. Dies hat die Planung verzögert, zumal im VgV-Verfahren ein anderer Architekt zum Zuge kam als der, von dem der Vorentwurf für die Umgestaltung des alten Hafens stammt. "Mich persönlich hat niemand über das VgV-Verfahren informiert", beteuert Reichert. "Ich habe nicht gelogen." Er gibt aber auch keine Schuld an Mitarbeiter anderer Behörden oder seiner Verwaltung weiter, wo dieser Planungsfehler entweder auch nicht erkannt oder nicht beachtet worden war.
Vor knapp vier Wochen hat dann während eines Ortstermins ein Vertreter des Landesamts für Denkmalpflege Einwände gegen die Pläne von Architekt Friedrich Staib (Sommerhausen, Lkr. Würzburg) erhoben, der das Projekt seit Januar dieses Jahres plant. Dieser macht für die Verzögerungen auch Folgen der Corona-Pandemie verantwortlich, da etwa Behörden-Mitarbeiter im Homeoffice und für nötige Absprachen schlecht erreichbar waren. "Da haben viele gepennt", meint Staib auf Nachfrage zum versäumten VgV-Verfahren – auch Behörden und die Regierung von Unterfranken. "Das haben sich alle zu einfach vorgestellt." Staib ist aber überzeugt, in Marktsteft eine "enorm gute Idee" mit Strahlkraft für die ganze Region umsetzen zu können.
Verträge sind noch nicht unterzeichnet
Doch der Druck auf Marktsteft, endlich Hieb- und Stichfestes vorzulegen, wächst. Mit drei Gegenstimmen der CSU-Fraktion beschloss der Umweltausschuss auf Antrag von Guido Braun (FW), dass Bürgermeister Reichert bis 30. September einen genehmigungsfähigen Bauantrag sowie – auf Antrag von Christian Klingen (AfD) – einen realistischen Zeitplan vorlegen muss. Dies wiederum ist Voraussetzung dafür, dass die ausgearbeiteten Verträge zwischen Marktsteft und dem Landkreis zum Betrieb der Umweltstation unterzeichnet werden können.
Fest steht schon jetzt: Die Umgestaltung des alten Hafens wird auf jeden Fall mehr kosten als die einst geplanten 5,6 Millionen Euro. Dies ist für Bürgermeister Reichert klar. Unklar hingegen bleibt vorerst, woher das Geld kommen soll, hier kläre man weiter zusätzliche Förderungen, auch für ein mögliches Inklusionsprojekt auf dem gesamten Areal am Hafen. Reichert vertraut darauf, das Projekt bis September 2022 abzuschließen. Architekt Staib möchte sich dazu nicht äußern.
Mit der BNE-Station wird sich am Montag, 27. Juli, auch der Kreisausschuss beschäftigen.