
Sich beim Weingenuss ein blaues Auge zu holen, ist eher nicht erstrebenswert. In diesem Fall jedoch ist es das Beste, was passieren konnte: Der Kitzinger Stadtschoppen kam einigermaßen durch das Corona-Jahr – eben mit einem blauen Auge. Dass überhaupt alles so stattfinden konnte, grenzt letztlich schon an ein kleines Wunder.

Zu Beginn der Krise stand im Grunde die gesamte Veranstaltung auf der Kippe, so wie vieles andere überall sonst auch. Klar war nur: Den Kitzinger Stadtschoppen würde es keinesfalls auf der Alten Mainbrücke geben, dafür reichte der Platz in Zeiten des Abstandes einfach nicht. Das schon Monate zuvor geplante Programm war letztlich für die Tonne. Initiator Frank Gimperlein vom Stadtmarketingverein Kitzingen überbrückte die ersten Wochen mit einer Veranstaltung, die unter dem Hashtag #StadtSchoppenDahemm lief. Das bedeutete: Aus dem Kitzinger Roxy-Kino gab's vier Wochen lang eine Online-Weinprobe mit Live-Musik. Immerhin rund 20 000 Aufrufe waren die Belohnung.

In dieser Zeit knobelten der Stadtmarketingverein, die Stadt und das Gesundheitsamt ein Hygiene-Konzept aus, das wieder einen realen Stadtschoppen ermöglichen sollte. Zum einen gab es den Wechsel von der Brücke hin zum Stadtbalkon. Jetzt war Platz vorhanden; mit 1800 Quadratmetern stand die doppelte Größe des Kitzinger Marktplatzes zur Verfügung. Es gab allerdings immer noch ein Problem: Der Ausschank war nur mit Bedienung möglich, was kaum umsetzbar gewesen wäre.
Die Rückkehr ins normale Leben
An dieser Stelle kommt das kleine Wunder ins Spiel – in Form einer ziemlich guten Idee: Was, wenn ein Bierdeckel aufs Glas gelegt wird? Reicht das, um einen Ausschank ohne Bedienung zu ermöglichen? Es reichte. Das Konzept erwies sich als gut, sehr gut sogar. Nach Pfingsten konnte der Stadtschoppen aus der virtuellen Welt wieder ins wirkliche Leben umziehen.

Die Abdeckung für die Gläser "war die Errungenschaft des Sommers", blickt Gimperlein zurück. Damit war der "Wein to go" geboren. Durch die nun wieder mögliche Selbstbedienung rechnete sich die Veranstaltung einigermaßen. Auf Live-Musik musste zwar verzichtet werden und die Erfassung der Besucher-Daten am Eingang musste auch erst einmal gestemmt werden, ansonsten aber konnte es am 11. Juni – mit einer optimistischen Grundhaltung – losgehen. Was wie gewohnt blieb, waren der Zeitraum von Donnerstag bis Sonntag und die wochenweise wechselnden Weingüter. Die Stimmung fasst der Stadtmarketing-Chef so zusammen: Einerseits fehlte die Unbeschwertheit, die normalerweise zur Weinseligkeit dazu gehört. Andererseits waren die Besucher froh, dass nach dem Corona-Shutdown überhaupt wieder etwas stattfand.

76 statt 90 Tage
"Den Kitzingern eine Freude machen", das war das erklärte Ziel des Veranstalters. Dass am Ende – wenn überhaupt – nur ein ganz kleiner Gewinn herausspringen würde, war dabei erst einmal zweitrangig. Selbst auf die sonst oft geforderte Hygiene-Pauschale verzichtete man. Statt der 90 Tage werden es in diesem Jahr 76, davon gehen noch einmal drei Regentage ab. Und auch bei den Besucherzahlen macht sich bemerkbar, dass dieses Jahr alles anders war: Statt der 40 000 Besucher dürften es diesmal die Hälfte gewesen sein, so eine erste Schätzung.

Das Stadtschoppen-Finale steigt – wie gewohnt – an diesem Wochenende. "Wir sind grundsätzlich froh, dass wir es hinbekommen haben", fällt Gimperlein mehr als nur ein Stein vom Herzen. Besonders wichtig: Es sind alle gesund geblieben. Und die wegweisende Idee mit der Glasabdeckung verbreitete sich schnell in der Umgebung: Castell guckte sich das ebenso ab wie beispielsweise Buchbrunn und Wiesentheid. Das macht die Verantwortlichen stolz und lässt sogar ein wenig den Corona-Kraftakt vergessen.
Das Wein-Image polieren
Was ebenfalls als Erkenntnis bleibt: Wein und Kitzingen wachsen wieder mehr zusammen, man ist wieder eine richtige Einheit. Das fast verloren gegangene Image der Weinhandelsstadt, die nicht zuletzt auch ein Stück weit auf Weinkellern gebaut wurde, wird zunehmend wieder aufpoliert. "Wir sind der Frankenwein-Mittelpunkt", sagt Gimperlein an dieser Stelle gerne und verweist darauf, dass nicht zuletzt durch die Repperndorfer GWF "jeder vierte fränkische Rebstock bei uns gekeltert wird".

Klar, dass daran weiter gearbeitet und poliert werden soll. Kommendes Jahr soll es dann wieder am 1. Mai losgehen. Ob dann wieder Alte Mainbrücke oder der nun erprobte Stadtbalkon werde man sich "noch offen halten", blickt Gimperlein voraus. Die gute Nachricht ist: Beide Standorte funktionieren. So wie auch die Gläser-Abdeckung funktioniert. 20 000 Stück wurden heuer bei einer Werbeagentur im Landkreis bestellt. Und falls Corona im kommenden Jahr immer noch ein Thema sein sollte, gibt es beim Stadtschoppen eben wieder was auf den Deckel.
