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Betrug bei Pflegedienst in Kitzingen: Krankenkassen wussten offenbar schon länger von Mängeln und Problemen
Im Prozess um unrechtmäßige Abrechnungen bei einem Pflegedienst in Kitzingen wird klar: Die Betreiber hofften darauf, dass die Krankenkassen ein Auge zudrücken würden.
Die drei Angeklagten, ein Ehepaar und ihr Sohn aus Würzburg, verbargen zu Beginn des Prozesses in Nürnberg um Abrechnungsbetrug bei einem ambulanten Pflegedienst in Kitzingen ihre Gesichter.
Foto: Daniel Löb, dpa | Die drei Angeklagten, ein Ehepaar und ihr Sohn aus Würzburg, verbargen zu Beginn des Prozesses in Nürnberg um Abrechnungsbetrug bei einem ambulanten Pflegedienst in Kitzingen ihre Gesichter.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.07.2023 05:10 Uhr

Der Prozess am Landgericht Nürnberg um Millionenbetrug bei einem ambulanten Pflegedienst in Kitzingen erlaubt schon nach drei von 26 Verhandlungstagen erschreckende Einblicke in die alltägliche Praxis der Pflege.

Die Betreiber, ein Ehepaar und dessen Sohn aus Würzburg, vertrauten wohl jahrelang darauf, dass die Krankenkassen bei ihnen immer wieder ein Augen zudrücken würden. Und das, obwohl offenbar seit Jahren bekannt war, dass es dem Dienst "Theresa" in Kitzingen an einer ausgebildeten Pflegedienstleiterin an der Spitze fehlte, man die Pflege auf ein Mindestmaß beschränkte und dafür maximal abkassierte.

Ist die Täuschung der Kassen durch den Pflegedienst in Kitzingen beweisbar?

Dadurch soll es den Betreibern möglich gewesen sein, die vorgeschriebene Dokumentation der Pflege nach eigenem Ermessen zu ändern. Sie konnten Leistungen vortäuschen und die Qualität in ihrer Pflegeeinrichtung auf ein Minimum reduzieren. Zeugenaussagen vor Gericht sowie Dokumente und abgehörte Telefongespräche der Verdächtigen liefern Hinweise dafür, dass sie die Krankenkassen  jahrelang hinhielten und vertrösteten.

Den Vorwurf der Anklage, dass ihre Mandanten die für die Bezahlung verantwortliche Arbeitsgemeinschaft (ARGE) der Kassen getäuscht haben, sehen die Verteidiger deshalb für nicht bewiesen an.

Hier in der Lindenstraße in Kitzingen sollen alte Menschen schlecht gepflegt worden sein. Dafür stehen die drei Betreiber jetzt wegen Betruges vor Gericht in Nürnberg – und danach möglicherweise wegen Körperverletzung in Würzburg.
Foto: Thomas Obermeier | Hier in der Lindenstraße in Kitzingen sollen alte Menschen schlecht gepflegt worden sein. Dafür stehen die drei Betreiber jetzt wegen Betruges vor Gericht in Nürnberg – und danach möglicherweise wegen ...

Bezeichnende Beispiele für die Unbekümmertheit der Betreiber liefern die Abhörprotokolle der Ermittler. Als einer der drei Angeklagten am Telefon Befürchtungen äußerte, wie lange die Kassen die Situation noch hinnehmen würden, erhielt er von der Angeklagten die Antwort: "Hintern müssen doch geputzt werden."

So steht es auf einer von 19.000 Seiten von Abhörprotokollen, die dokumentieren: Das Trio vertraute darauf, dass die Kassen angesichts der Personalnot in der Pflege keine Alternative hätten.

Nach Razzia in Kitzingen kam noch Post ins Gefängnis von der Krankenkasse

Das machte ein Verteidiger im Prozess in Nürnberg an einem weitere Beispiel deutlich: Noch im Dezember 2022, als die drei Angeklagten schon wochenlang in U-Haft saßen, ging dem 57-jährigen Angeklagten im Gefängnis ein Schreiben zu. Darin die Mahnung: Der Pflegedienst möge endlich eine Pflegedienstleiterin benennen.

Zwischen 2018 und 2022 sollen das Ehepaar und sein 27-jähriger Sohn in mehr als 1000 Fällen Leistungen in Höhe von knapp 3,5 Millionen Euro unrechtmäßig abgerechnet haben. Die Verteidiger von Vater und Sohn um den Würzburger Anwalt Peter Möckesch gehen davon aus, dass bei einer genauen Prüfung weit weniger Fälle übrigbleiben.

Der Strafverteidiger hält eine Widergutmachung des finanziellen Schadens für möglich – sofern Staatsanwaltschaft und Gericht dem Verkauf eines Grundstückes der Angeklagten zustimmen und alle drei mitspielen.

Angeklagte will offenbar belegen, dass sie den Pflege-Betrug selbst nicht mitgetragen hat

Genau da liegt das Problem: Die mitangeklagte Ehefrau wies zum Prozessauftakt den Vorwurf eines bandenmäßigen Handelns zurück, wie Gerichtssprecherin Tina Haase bestätigte. Die Anklage sei ein Schnellschuss der Staatsanwaltschaft, sagte Simón Barrera González, der Verteidiger der 47-Jährigen.

Seine Mandantin geht auf Distanz zu Ehemann und Sohn. Sie sei in ein bestehendes Betrugssystem geraten, das sie selbst nicht mitgetragen habe. Dazu wolle sie sich später auch vor Gericht äußern. Aus den Abhörprotokollen lässt sich aber eher ein einverständliches Vorgehen herauslesen.

BR-Magazin: Angeklagter aus Würzburg könnte an Netzwerk von Pflegediensten beteiligt sein

Derzeit sieht es deshalb nach einer konfliktreichen Suche nach der Wahrheit am Landgericht Nürnberg aus, bis mindestens zum September.

Danach droht den drei Angeklagten ein weiterer Prozess in Würzburg. Die dortige Staatsanwaltschaft untersucht, welche gesundheitlichen Schäden fünf mangelhaft betreute Seniorinnen und Senioren in Kitzingen davongetragen haben, die nach der Durchsuchung der Pflegeeinrichtung in Kitzingen sofort in bessere Pflege geben werden mussten. 

Und möglicherweise ist der Fall aus Kitzingen nur die Spitze des Eisberges. Das BR-Magazin "Report München" berichtete in seiner Juni-Sendung: Der 57 Jahre alte Angeklagte soll über einen Verwandten "an einem ganzen Netzwerk von Pflegediensten in mehreren Bundesländern beteiligt sein oder mit ihnen in Verbindung stehen." Die Schadenssumme von 3,5 Millionen Euro könnte sich also noch erhöhen.

 
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  • T. M.
    Hier ist die Reportage des Magazins "Report", bei der umfangreich und detailliert der Fall von Kitzingen geschildert wird.

    https://www.ardmediathek.de/video/report-muenchen/report-muenchen-vom-6-juni-2023/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3JlcG9ydCBtw7xuY2hlbi84NWI5NmU3Mi0xNmJjLTQ5NjItOTFjOC1mY2Q0ZDNiZmZlN2M
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  • T. F.
    Ich habe die Reportage damals gesehen.
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  • B. F.
    diese mobilen Pflegedienste sollte man nicht aus den Augen lassen.....was hier abgerechnet wird und tatsächlich geleistet wurde würde ich schwer in frage stellen!!
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  • T. F.
    Die Krankenkassen sind ihren Aufgaben nicht nachgekommen und haben still gehalten, geradezu eine Einladung für ein Klientel wie jetzt die Angeklagten, warum diese Machenschaften seit Jahren nicht auffallen, ist einfach unfassbar.... wenn ich heute meinen Krankenkassenbeitrag nicht bezahle,bin ich wahrscheinlich spätestens in 3 Monaten draußen..
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  • H. H.
    Wie war das Wickert-Zitat doch gleich -

    "Der Ehrliche ist immer der Dumme"?
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Unglaublich - bei solchen Zuständen und in Frage stehenden Summen schludern die Kassen anscheinend und kommen ihrer Kontrollpflicht nicht in ausreichendem Maße nach und wenn es um Kleinbeträge für Beitragszahler geht beginnt die große Erbsenzählerei.

    Auch bei dringend erforderlichen Reha-Maßnahmen wird angeblich "gespart" und dabei oft bewußt und vorsätzlich in Kauf genommen, dass dadurch eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes und immense Folgekosen eintreten.

    Gibt es denn keine interne Revision, die solche Mißstände aufdeckt und abstellt?

    Als Beitragszahler muss man sich doch darauf verlassen können, dass mit den Geldern wirklich sachgerecht und nicht nach Gutsherrenart und oft völlig unvernünftig umgegangen wird.
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  • K. E.
    Und wen wundert das jetzt wirklich?? Die miserable Pflege ist doch den Kassen seit langem bekannt. Die Vorgaben der Krankenkassen und Pflegekassen sind mit dem Pflegeschlüssel nie zu erreichen. Zudem sind die "unabhängigen" Prüfungen des MDK ein Witz, denn man kündigt sich ja meistens vorher an. Pflege und das Gesundheitssystem müssen dringend reformiert werden. Allerdings muss beachtet werden das damit nicht noch mehr Geld verdient werden kann. Gesundheit ist zur Ware verkommen und erst wenn sich das ändert wird sich auch im System was ändern.
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  • T. F.
    Krankenkassen haben Vorstände, die ordentlich bezahlt werden und ihren Aufgaben im Sinne ihrer Mitglieder nachkommen sollten, was haben Spahn, Lauterbach damit zu tun?
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  • T. F.
    ... die im übrigen Spahn besorgt hat, aber ehrlich gesagt, sind mir solche Diskussionen zu primitiv, da diese am eigentlichen Thema vorbei gehen.
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  • H. H.
    Stimmt auch wieder - @ kafrumbi -

    deswegen macht sich der Herr Lauterbach auch eher Gedanken drüber, wie man Krankenkassenkosten einsparen kann, indem man dafür sorgt, dass die Leute eher ableben, weil sie das nächstgelegene Krankenhaus nicht mehr rechtzeitig erreichen bzw. dieses dann nicht mehr über die nötige Ausrüstung verfügt.

    Es ist mMn unglaublich bis unfassbar, wie sich Leute, die im Bannkreis der Großstadt leben, einfach mal so herausnehmen (können) zu bestimmen, wieviele Krankenhäuser auf dem flachen Land zumachen müssen da "unrentabel". Ich nenne das (vorsichtig) "zynisch".

    Eigentlich gälte es das Geld von da zu holen wo es un- bzw. kontraproduktiv gehortet wird statt dabei mitzumachen, nicht nur die Wirtschaft, sondern prinzipiell die ganze Gesellschaft kaputtzusparen, um nur den Superreichen nicht wehzutun. Da aber unsere "Großen Politiker/innen" lieber selber zur Haute Volée gehören würden statt zu den Leuten die sie vertreten sollen, ist das nicht verwunderlich. Oder?
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  • T. F.
    Ihr Kommentar betrifft zwar die KK und nicht die Pflegeheime, aber die Probleme sind die gleichen und das seit vielen, vielen Jahren. Ich denke, egal wie ein Minister heißt...Spahn, Lauterbach...Holetschek..im übrigen, die Reichen....das sind diejenigen die die Parteien speisen...wer zahlt, schafft an, geht schon bei der kleinsten Gemeinde los.
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