
Genüsslich knabbern die Kühe im Stall der Familie Schwab aus Birklingen am Futter. Mehrere Stunden am Tag kauen die Tiere wieder – ohne zu wissen, was passiert, wenn das Ganze einmal durch den Rindermagen ist. Denn zusammen mit Hühnern, Schweinen und einigen Hektaren Land versorgen diese Rinder quasi einen ganzen Ort mit Wärme und Strom, und das schon seit über zehn Jahren.
"In Birklingen raucht fast kein Schlot mehr", sagt Senior-Betriebsleiter Wolfgang Schwab. Die Gemeinde mit 59 Einwohnerinnen und Einwohnern hängt gleich an zwei Nahwärmenetzen. Gute 20 Personen und die Wirtschaft versorgt die Biogasanlage der Schwabs mit Wärme, den Rest des Ortes die Biogasanlage der Familie Servatius. Nur ein Haus, die Kirche und das Bürgerhaus sind Felix Servatius zufolge nicht angeschlossen.
Jede von Millionen kWh wird gebraucht

Die Anlagen der Landwirtsfamilien erzeugen jeweils zwischen zwei und drei Millionen kWh Strom im Jahr, außerdem je zwei Millionen kWh Wärme. Beide Betriebe generieren zusätzlich über Photovoltaik etwa 400.000 kWh Strom. Damit können sie Birklingen deutlich überversorgen: Wenn man von einem durchschnittlichen Einfamilien-Haushalt mit etwa vier Personen ausgeht, ergibt das Strom für über 1500 Haushalte und Wärme für rund 250 Haushalte. Beide Betriebe sagen: Durch die Biogasanlagen plus Photovoltaik seien sie rein rechnerisch CO2-emissionsfrei. Die Biogaswärme verursache den Bezieherinnen und Beziehern Servatius zufolge etwa 60 Prozent der Heizölkosten.
Einen Teil der Energie nutzen die Betriebe natürlich auch selbst. "Wir erzeugen wesentlich mehr Strom als wir verbrauchen", sagt Servatius. Um die Stromnachfrage flexibel zu bedienen, habe er seine Anlage vor etwa drei Jahren um eine Biogasspeicher erweitert. Runterregeln muss Servatius momentan aber nicht: "Wir fahren zurzeit die maximale Menge, die wir einspeisen dürfen, weil jede kWh gebraucht wird."
Die Zusammensetzung der Wärme

Rund 70 Prozent machen Gülle und Mist der Rinder in der Biogasanlage der Schwabs aus, etwa 30 Prozent Mais und Gras. Betriebsnachfolger Thomas Schwab erklärt: Oft ist das der dritte und vierte Grasschnitt, der als Futter nicht so nahrhaft ist für Milchkühe oder ausfallen kann, wie in diesem trockenen Sommer auch. "Wir leben vom Vorrat vom letzten Jahr", sagt Schwab Senior.
Servatius kommt mit den Exkrementen der eigenen Tiere nicht ganz so weit; der Mix in seiner Biogasanlage ist etwas komplizierter. Hühnermist hat er vom eigenen Betrieb, dazu kauft er Rindermist und Schweinegülle. Den eigenen Stall lässt er derzeit leer stehen, weil die Preise für Schweine in der letzten Zeit zu niedrig waren, um diesen Betriebszweig aufrecht zu erhalten. Damit füllt er seine Anlage zu 50 bis 55 Prozent. Dazu kommen Silage, Mais und Hirse, aber auch Zwischenfrüchte wie Senf, die Servatius nach der Erntezeit im Sommer sät, um die Böden zu verbessern.
Dorferneuerung lieferte Rückenwind für das Projekt

Was in die Biogasanlage rein- und wieder rauskommt, war Servatius zufolge Grund für Gegenstimmen im Ort. "Man hat da nicht immer nur Rückenwind gehabt, auch wenn sich jetzt jeder gern nach dem Motto hinstellt: Schaut, was wir haben!", sagt der Landwirt. Die Vermaisung der Landschaft oder der Güllegeruch seien angesprochen worden.
Dabei sagt Servatius, dass die Exkremente aus der Biogasanlage nicht mehr riechen. Ein zweiter Vorteil, den er aus der Anlage zieht, sei die Düngereinsparung. Seit etwa drei Jahren kaufe er keinen Dünger mehr zu: "Wir haben praktisch von Anfang bis Ende einen geschlossenen Kreislauf. Wir verwerten den Abfall zu Energie und der Abfall daraus ist wieder unser Dünger."
Letztendlich entschieden sich die Birklinger doch für die Wärme aus den Biogasanlagen. Schwab zufolge waren die Genehmigungen für das Nahwärmenetz "recht unkompliziert." Das bestätigt Matthias Kurth, Leiter des Technischen Bauamts der Stadt Iphofen. In der Stadtratsentscheidung habe es da nichts zu diskutieren gegeben. Allerdings wurden die Leitungen kurz vor der Birklinger Dorferneuerung verlegt. Wäre das Dorf gerade erst erneuert worden, hätte sich der Stadtrat nach Kurths Ansicht eher schwer getan mit der Entscheidung. Grundsätzlich könnte so ein Fernwärmenetz aber auch ohne Dorferneuerung eingerichtet werden, meint Kurth.
Investitionskosten für die Fernwärme
Beinahe zeitgleich nahmen die beiden Landwirte die Biogasanlagen in Betrieb, schon im Jahr 2011. Der Ausbau des Nahwärmenetzes folgte im Jahr darauf. "Die Leitung hat uns ganz schön Geld gekostet", sagt Thomas Schwab. Die Biogasanlage hätte sich auch ohne Nahwärmenetz rentiert, aber sinnvoller sei es schon.
Felix Servatius rechnet vor, dass der fertig verlegte Meter Leitung dem Betrieb 100 bis 150 Euro gekostet habe. Nur für die Leitung und die Übergabestation sowie die zugehörigen Bauarbeiten hätte er bis jetzt eine viertel Million Euro in die Wärmeversorgung gesteckt. "Dadurch, dass wir viel in Eigenleistung gemacht haben, ging das von der Investition her", sagt Servatius. Der eigene Betrieb und Verwandte im Ort waren sowieso schon angeschlossen, dann sei es nicht mehr weit bis zu den anderen Häusern gewesen.

Die Grenzen der Wärmenutzung
Mehr als die Bewohnerinnen und Bewohner zu versorgen, ist in Birklingen erst einmal nicht drin: "Wir haben keine Industrie, bloß ein paar Häuser", sagt Schwab. Beide Betriebe haben sich Alternativen zur Nutzung der Wärme gesucht, die bei Biogasanlagen ja erst einmal nur Nebenprodukt der Stromerzeugung ist. Schwab trocknet Scheitholz und Servatius trocknet Hackschnitzel, jeweils für externe Auftraggeber.
"Die überschüssige Wärme kann auf verschiedene Arten und Weisen genutzt werden", sagt Wilfried Distler, Geschäftsführer des Bauernverbands Kitzingen (BBV). Orte könnten sogar selbst bei Landwirten wegen eines Wärmenetzes anfragen. Der springende Punkt sei: Wer übernimmt die Kosten für die Leitungen? Neue Biogasanlagen werden Distler zufolge im Landkreis derzeit außerdem nicht mehr gebaut; bei vorhandenen allerdings teils die Leistung aufgerüstet, wodurch wieder mehr Abwärme entstehen kann. Ein Wärmenetz könnte also auch nach Jahren noch nachträglich angebracht oder erweitert werden. Wird statt der Wärme das Gas direkt zu einem Heiz(kraft)werk transportiert, seien laut Distler auch weitere Strecken möglich.
Nah genug für ein Nahwärmenetz liegt von Birklingen aus eigentlich nur der Ort Ziegenbach (Lkr. Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim). Die beiden Landwirte aus Birklingen könnten sich eine Ausweitung nach Ziegenbach vorstellen, haben aber jeweils auch Zweifel. "In einem neuen Dorf kostest das ganz schön Überzeugungsarbeit", sagt Schwab und Servatius stellt die Frage nach der Finanzierbarkeit einer so langen Leitung.
Energiebedarf muss sich mit Leitungskosten treffen

Gegenüber der Gemeinde Ziegenbach wurde laut zweitem Bürgermeister Markus Stubenrauch kein Interesse oder Bedarf eines Anschlusses an ein Nahwärmenetz von Birklingen aus bekundet. Er weiß von Eigenversorgern mit Holz und Hackschnitzeln in der Gemeinde – zudem seien die Haushalte durch kommunale Bauarbeiten derzeit schon finanziell belastet. "Wenn der Wunsch entsteht, müsste man schnell zum Zuge kommen", sagt Stubenrauch. Denn in Ziegenbach starte gerade die Dorferneuerung und der Kanalbau.
Distler vom BBV kennt sogar den Fall eines Landwirts, der während Straßenbaumaßnahmen erst einmal Leerrohre verlegt hat, um die Gelegenheit zu nutzen. Doch beispielsweise in Neubaugebieten stelle sich die Frage nach der Rentabilität einer solchen Leitung besonders: "Neu gebaute Häuser haben weniger Energiebedarf", sagt Distler.
Ideen für eine noch emissionsfreiere Zukunft
Wärmeüberschuss hätten die Birklinger Betriebe immer noch, der genutzt werden könnte. Allerdings "im kleinen Stil", sagt Servatius, der auch seine Ställe mit der Biogas-Wärme versorgt. Im Bereich der Stromnutzung will er noch autarker werden. In den nächsten Wochen wird er einen Stromspeicher mit rund 50 kW in Betrieb nehmen.
Thomas Schwab kann sich einen Biogas-Traktor vorstellen, den er mit eigenem Kraftstoff bedienen könnte. Diese Technologie ist jedoch Zukunftsmusik. Bis dahin werden seine Rinder weiterhin viele Tonnen Futter verdrücken; nichtsahnend, welche Hoffnungen auf ihnen lasten.