Harald Schleichert lehnt am Buchtengatter im Schweinestall. 2003 hat er den Maststall mit 500 Plätzen zwischen Poppenhausen und Maibach gebaut. 2004 kamen die ersten Schweine rein. Jetzt sind alle Buchten leer. Schleichert, 59 Jahre alt, ist kein Schweinebauer mehr. Er hat die Schweinemast aufgegeben. Nach nur 16 Jahren.
So wie Schleichert werden es noch andere Tierhalter tun, prognostiziert Michael Reck, der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), beim traditionellen Stallgespräch gemeinsam mit Kreisbäuerin Barbara Göpfert und Kristina Moog von der BBV-Geschäftsstelle im Landkreis Schweinfurt. Normalerweise möchte der Bayerische Bauernverband mit seinen traditionellen Stallgesprächen den Verbrauchern die Leistungen vorstellen, die landwirtschaftliche Betriebe für die Gesellschaft erbringen. Doch diesmal will man "die Politik und die Gesellschaft wachrütteln". Der leere Stall von Harald Schleichert soll zeigen, dass die Zukunft der Landwirtschaft in Gefahr ist.
Schweinepreise sind im Keller
Es ist noch alles da: die Fütterungstechnik, das Futtersilo, das Förderband. Die Fress- und Liegeboxen sind nach wie vor betriebsbereit. Auch das Schweinespielzeug hängt noch. Es riecht sogar noch nach Schwein. Seit zehn Monaten aber wird hier kein Tier mehr gemästet. "Es rentiert sich nicht mehr", sagt Schleichert. Die Schweinepreise seien im Keller, die Erlöse zu gering. Zuletzt hat er draufgelegt.
Die Rechnung macht Kreisobmann Reck auf: Bei einem Schwein mit 120 Kilogramm Mastgewicht bekommt der Landwirt derzeit vom Viehhändler 120 Euro. "Es gab Zeiten, da haben wir 200 Euro bekommen", sagt Reck. Davon müssen die Kosten abgezogen werden: 30 Euro für den Ferkelkauf, 120 Euro für das Futter und zehn Euro für Nebenkosten wie Tierarzt, Versicherungen oder verschiedene Zuschläge. Unter dem Strich verdient der Schweinebauer derzeit also gar nichts am Schwein. Im Gegenteil, er legt 40 Euro pro Tier drauf.
"Das ist immer eine Minusrechnung", sagt Reck. Deshalb würden zunehmend Landwirte die Tierhaltung aufgeben. Gab es 2019 noch 159 Mastbetriebe im Landkreis Schweinfurt, so sind es aktuell nur noch 126. Und Reck glaubt, "dass wir ganz schnell unter die 100 kommen". Schon jetzt sei in Bayern die Selbstversorgung beim Schweinefleisch nicht mehr zu 100 Prozent gewährleistet. Reck befürchtet noch Schlimmeres: "Ich glaube nicht, dass wir noch zehn Jahre Viehhaltung durchhalten werden."
Zwei Photovoltaikanlagen sichern die Einnahmen
Harald Schleichert hat schon frühzeitig seinen Betrieb auf mehrere Standbeine gestellt. Neben Ackerbau mit Getreide, Zuckerrüben, Raps und Körnermais verrichtet er Lohnarbeiten. Beim Bau des Schweinestalls 2004 kam gleich eine Photovoltaikanlage aufs Dach. Die zweite wurde 2011 auf die Lagerhalle gebaut. So fließt auch Geld, ohne dass Schweine im Stall sind. "Ich bin froh, dass wir mit der Mast aufgehört haben", sagt Schleichert. Ohne Wehmut.
Dabei hätte der Betrieb durchaus zukunftsfähig gemacht werden können. "Mit ein paar kleineren Umbauten könnte ich ohne großen Aufwand die Haltungsform 3 erfüllen", meint Schleichert mit Blick auf die Tierwohlinitiative von Aldi und Co. Der Discounter will bis 2030 sein komplettes Frischfleisch-Sortiment auf die Haltungsstufen 3 und 4 umstellen. Laut BBV will Aldi aber nicht für die dann höheren Erzeugerpreise zahlen. Die Investitionen in mehr Tierwohl kosten laut Kreisobmann Reck oft einen mittleren bis hohen sechsstelligen Betrag. "Für viele kleinere Betriebe ist das gar nicht machbar." Und wer investiert, setzt auf Risiko, weil es keine Sicherheiten gebe, dass die höheren Ansprüche auch in fünf oder zehn Jahren noch ausreichen.
Schleichert ist dieses Risiko zu hoch. Er will nachts noch ruhig schlafen können und nicht im Burn Out enden. "Der Beruf des Landwirts ist hier besonders gefährdet", weiß Kreisbäuerin Barbara Göpfert. Viele junge Landwirte seien frustriert, fühlten sich ständig abgestraft. Zum einen vom Gesetzgeber durch immer höhere Auflagen, zum anderen vom Einkaufsverhalten der Bevölkerung und drittens von der Niedrigpreispolitik des Lebensmitteleinzelhandels. "Wenn man mehr Tierwohl will, muss man auch bereit sein, mehr Geld dafür hinzulegen", fordert Göpfert. "Zu einem Haltungswechsel gehört auch ein Ende der Niedrigpreise und gleiche Standards europaweit."
Kritik an Werbekampagne von Aldi
Reck nennt die Werbekampagne von Aldi verlogen, weil es ja weiterhin Produkte mit geringeren Standards im Sortiment geben soll. "Aldi will eine höhere Haltungsform fürs Frischfleisch und holt sich dann für den Rest das Billigfleisch aus dem Ausland." Und beim Landwirt hier komme am Ende immer weniger an.
Aktuell macht den Fleischerzeugern zudem der coronabedingte Absatzeinbruch und der Wegfall regionaler Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe zu schaffen. Hinzu kommen die Verschärfungen in der Düngeverordnung, mit denen die Betriebe zu kämpfen haben. "Das ist alles nicht mehr finanzierbar", sagt Kreisbäuerin Göpfert. "Wir brauchen höhere Erzeugerpreise, um das Überleben unserer kleinen landwirtschaftlichen Betriebe zu sichern."
Harald Schleichert hat diesen Überlebenskampf aufgegeben. Was er mit dem leeren Stall jetzt macht, ist noch unklar. Vielleicht verkaufen, verpachten oder als Lagerhalle nutzen. Schweinemast ist für ihn jedenfalls keine Option mehr.
Nicht immer über die Politik schimpfen. Hauptproblem ist der Verbraucher. Geiz is geil.
"Wenn das Schnitzel 50 Cent mehr kostet drohte in meinem Gasthof der Volksaufstand. Die Typen zahlen aber ohne mit der Wimper zu zucken 500€ für einen neuen Stahlgürtelreifen". O - Zitat eines mir bekannten, pensionierten Gastronoms.
Ich erinnere mich gerne an "Franz Josef Strauß" wie er diesen Berufstand seine größte Aufmerksamkeit schenkte, aber das scheint Geschichte zu sein und die jetzigen Akteure der Politik, können wohl auch ohne diesen "Bauernstand" auskommen?
Hoffentlich kommen nicht wieder diese Zeiten, wo die Menschen auf dem Land strömten und nach Nahrung bettelten?
Verlasst nicht die Absicherung unserer Eigenversorgung, wie schnell die EU auseinanderbricht, hat nicht zuletzt der Abgang der Briten gezeigt und am Ende seit ihr um jeden Produzenten dankbar!