
Es gibt Worte aus einer Fremdsprache, die für immer im Gedächtnis bleiben. "Hochsitz" ist ein solches Wort für Wayne Boyd. "Kaffee und Kuchen" solch eine Formulierung für seine Frau Margo. Auch wenn ihr Leben längst wieder amerikanisch ist und die frühere Heimat Franken weit weg, tauchen diese Worte in ihren Sätzen plötzlich auf wie leuchtender Löwenzahn am Straßenrand – und lassen das Ehepaar lächeln.
Es sind nicht einfach die Erinnerungen an ihre Zeit in Unterfranken in den 1980er Jahren, als Wayne Boyd, Soldat der US-Army, hier stationiert war. Diese deutschen Worte sind vielmehr wie die Samen hartnäckiger Pflanzen, die schließlich ganze Straßen aufblühen lassen können – und die Menschen dort gleich mit.
Schicksalhafte Begegnung in der Notaufnahme in Würzburg
Als US-Soldat Wayne Boyd 1985 mit seiner Familie nach Kitzingen kommt, leben sie neun Monate lang in der Kaserne Marshall Heights. Eine Wohnung außerhalb zu finden ist leichter gesagt als getan mit zwei Zwillingsjungs und zwei Zwillingsmädchen. Als Margo Boyd mit einem der vier Kinder in die Notaufnahme nach Würzburg muss, kommt es zu einer Begegnung, über die die 72-Jährige heute noch sagt: "Gott hat uns hierher geführt."
In Würzburg trifft sie eine Amerikanerin, die einige Monate später zurück muss in die USA und ihr von der Wohnung in Großlangheim (Lkr. Kitzingen) vorschwärmt – und von den netten Vermietern. Die Boyds ziehen dort ein, zum Sohn der Vermieter und seiner Frau entwickelt sich eine lebenslange Freundschaft. Die drei Töchter von Bernhard und Pia Schmitt und die beiden Töchter der Boyds wachsen miteinander auf.
Wayne Boyd macht den Jagdschein, die Töchter gehen in den deutschen Kindergarten
Die Zwillingsmädchen, 1983 geboren, gehen in den Großlangheimer Kindergarten, Margo Boyd freundet sich mit anderen Müttern an, wird zu "Kaffee und Kuchen" eingeladen. Und ihr Mann sieht erlebt seine erste "Treibjagd". Noch so ein Wort, das der 73-Jährige auch heute auf Deutsch sagt. "Da will ich auch dabei sein", habe er damals gleich gedacht. Den deutschen Jagdschein hatte er schon, viel Zeit auf dem "Hochsitz" folgt, neue Freundschaften kommen dazu – und weinselige Abende mit fränkischem Schoppen.

Als die Boyds 1989 in die USA zurückkehren müssen, weil der Munitionsoffizier der 3. Infanterie Division seinen Dienst in Kitzingen nicht noch einmal verlängern kann, bilden die Freundschaftsblumen immer neue Samen auf beiden Seiten des Atlantiks: Schuljahr in den USA, Studienjahr in Deutschland, zahlreiche Besuche, gemeinsame Hochzeitsfeste. Eine Rückkehr nach Deutschland aber ist vor allem wegen ihrer Kinder – und mittlerweile zwölf Enkel – keine Option für die Boyds, auch nicht nach Waynes Ausscheiden aus der Army 1992.
Margo Boyd importiert Bocksbeutel in die USA
Dafür holt Margo Boyd später den Frankenwein in die USA. Nach ihrem Umzug nach Huntsville in Alabama wird sie 2006 zur Importeurin von Bocksbeuteln. Anfangs vertreibt die Geschäftsfrau nur Weinflaschen der Gebietswinzergenossenschaft Franken (GWF), später hat sie auch französische und italienische Weine im Sortiment.
Das Geschäft bleibt eine Nische für Liebhaber. Als 2011 die großen Supermarkt-Ketten einsteigen, habe es ihr kleines Unternehmen auf Dauer zu schwer gehabt. Den gewerblichen Import von Frankenwein stellte sie deshalb 2015 ein.
In diesem Sommer nun machten die Boyds "endlich mal wieder Urlaub in der zweiten Heimat". 2017 seien sie zuletzt hier in Gr0ßlangheim gewesen, sagt die 72-Jährige. Jetzt waren sie glücklich, so viele liebgewonnene Menschen wiederzusehen, das echte Weinfest mitfeiern zu können – und die Geschichte von der "Franken Alley" zu erzählen.

Als die Nachbarn der Boyds im Frühjahr 2019 in Huntsville, Alabama von der Arbeit nach Hause kommen, sehen sie Wayne Boyd ein Loch buddeln - an einer von der Stadt markierten Stelle. Sehen, wie er eine Stange darin befestigt und schließlich dieses Schild anbringt: "Franken Alley". Die Stadt Huntsville hatte den Boyds die Erlaubnis erteilt, die kleine Straße hinter ihrem Haus in der Clinton Avenue East so nennen zu dürfen.
Neue Idee für Huntsville: Ein echtes Weinfest in der "Franken Alley"
Das Aufstellen des Schildes "endete natürlich mit einem kleinen Weinfest", erzählt Wayne Boyd. Die Nachbarn wussten da längst, was ein fränkisches Weinfest ist. Bei den Boyds im Garten wird es öfters mal gefeiert – als Mitbring-Party, stilecht auf Biertischgarnituren.
Aus seinem jüngsten Urlaub in Großlangheim hat das Ehepaar eine neue Idee nach Huntsville mitgebracht: Gemeinsam mit den anderen Anwohnern möchte es ein richtiges, großes "Franken Alley Weinfest" veranstalten.
Das Foto vom frisch aufgestellte Straßenschild zeigt übrigens: Die "Franken Alley" beginnt inmitten von Blumen.
Das aber beide Autos in Seattle mit Würzburger Nummernschildern herumfahren fand ich doch sehr heimatverbunden … (selbstverständlich nur vorne – denn in USA wird nur hinten am Fahrzeug ein offizielles Nummernschild benötigt).
Gern stelle ich der Main-Post ein entsprechende Foto zur Verfügung.