Was macht eine Deutsche mutterseelenallein in Korea auf dem Bahnsteig? Genau, sie vergleicht die Schriftzeichen und hofft, dass sie den richtigen Zug erwischt. Da ist es ganz egal, ob man Lieschen Müller oder die Deutsche Weinkönigin ist. "Als Weinkönigin ist man sehr oft auf sich allein gestellt", sagt Nicole Then zu ihrer Asienreise Anfang der 2000er Jahre. "Aber man wächst, reift und lernt." Die Sommeracherin wurde im Frühjahr 2003 zur 48. Fränkischen, im Herbst zur 55. Deutschen Weinkönigin gewählt.
Then erinnert sich gut an ihre Amtszeit, die noch Auswirkungen auf ihr heutiges Leben hat. "Ich wurde reinkatapultiert in eine komplett andere Welt. Plötzlich triffst du den Bundeskanzler", erzählt sie. Er war nicht der einzige Prominente, den sie getroffen hat. Sie zählt auf: "Hans-Dietrich Genscher, Jörg Pilawa, Henry Maske, Otto Rehagel, etliche Botschafter und Politiker in allen Variationen." Gerade die vielen Begegnungen in den unterschiedlichsten Konstellationen hätten sie geprägt. "Da saß ich am Abend neben Thomas Gottschalk beim Fernsehpreis und am nächsten Tag neben einem Winzer auf einem Weinfest", erzählt sie. "Diese Treffen waren für mich Höhepunkte meiner Amtszeit."
Ein anderer war die Weinprobe im Deutschen Haus bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen. "Das macht das Amt aus. Es ist eine Herausforderung, die man lieben muss", erklärt sie und man spürt auch lange nach ihrer Amtszeit, das Herzblut, das sie in die Aufgabe gesteckt hat. "Ich habe mich ins Zeug gelegt und bin mit Reisen und Treffen belohnt worden." Etwa 250 Termine hat die damals 20-Jährige als Deutsche Weinkönigin absolviert. "Ohne Eltern im Rücken ist das schwierig", sagt sie. Die Mutter bügelte die Kleider auf, der Vater tankte das Auto und auch der damalige Sommeracher Bürgermeister Elmar Henke hatte eine wichtige Rolle.
Das Amt ist ein Türöffner
Er, Lehrer und Gemeinderäte übten mit der Winzertochter für die Fragerunde bei der Wahl. "Fachwissen, Allgemeinwissen und Aktuelles – alles haben sie mich gefragt", sagt Then lachend. Viel lernte sie auch im Gespräch mit Winzern und Funktionären, denn: "Das Fachwissen ist zentral." Dazu kommen Ausstrahlung, Charme, Eloquenz und Bühnenpräsenz. "Das Gesamtpaket muss stimmen, denn eine Weinkönigin ist mehr als das nette dekorative Objekt auf dem Foto", sagt die 40-Jährige. "Dieses Amt ist keine Verkleidung und mehr als eine Symbolfigur." Für das Ansehen, das die Deutsche Weinkönigin heute genießt, hätten Thens Vorgängerinnen lange gekämpft. Während bei der Wahl von Nicole Then, die BWL studiert hat, auch angehende Lehrerinnen und Kauffrauen antraten, sind es heute nur fast nur noch Winzerinnen, Weinbau-Studentinnen oder Weinbau-Technikerinnen.
Damals wie heute gilt: Es wird die gewählt, die am besten geeignet ist. Then räumt mit dem Vorurteil auf, dass Franken bei der Wahl regelmäßig übergangen wird. Viel hänge von der Tagesform ab. "Bei der Wahl wird das gemacht, was man auch im Amt macht: Infotainment", erklärt Then, die schnell merkte, dass sie sich auf der Bühne wohl fühlte. So wohl, dass sie auch heute noch als Moderatorin arbeitet – sowohl im Radio also auch bei Shows und Veranstaltungen. 2004 moderierte sie das erste Mal die Wahl der Fränkischen Weinkönigin und "seitdem jedes Jahr wieder". Zunächst waren Moderationen nur ein Hobby, aber: "Es machte mir Spaß und es kamen immer mehr Anfragen. Wer weiß, ob ich das ohne das Amt auch gemacht hätte."
Oder wie sie es anders formuliert: "Das Amt bietet viele Einblicke und ist ein Türöffner." Nicht umsonst seien etliche Weinköniginnen in die Politik gegangen. Für Then war das nie eine Option. Nach dem Amt machte sie ein Auslandssemester in Kanada. "Ich musste erstmal runterfahren", erinnert sie sich. "Das Jahr hatte eine wahnsinnige Geschwindigkeit, mein Kopf war voll und ich hatte keine Zeit, alles zu verarbeiten." Über dem großen Teich war sie mit 800 Studierenden im Wohnheim einfach eine von vielen. "Da wusste keiner etwas von der Deutschen Weinkönigin."
Im Rückblick ist Then stolz, auf das, was sie erreicht hat und weiß als Moderatorin bei der Wahl zur Fränkischen Weinkönigin, wie sich die Kandidatinnen auf der Bühne fühlen. Ihr Tipp fürs Leben und vor allem an zukünftige Hoheiten: "Bleibt euch treu und schlüpft in keine Rolle."
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