
Alexander von Dungern steht in der Küche des Kitzinger Bürgerzentrum. Sein langes, graues Haar zum Zopf zusammengebunden, Brille auf der Nase. Er hat ein schlichtes, schwarzes Hemd mit roten Hosenträgern an, darüber trägt er eine rote Schürze. Auf der Anrichte ausgebreitet liegen seine mitgebrachten Küchenutensilien – unter anderem mehrere Messer und eine Fleischgabel. Der 62-Jährige kreiert ein Weihnachtsgericht, das sich jeder leisten kann und wenig Kochkenntnisse voraussetzt: den Weihnachtlichen Hühnerschmaus.
Er ist gut vorbereitet, hat zu Hause schon getüftelt, probiert, eingekauft. Die Zutaten stehen fein säuberlich aufgereiht auf der Arbeitsplatte, weitere Sachen sind in einer mitgebrachten Box verstaut. Er beginnt aufzuzählen, was man braucht. Man merkt sofort, dass er genau weiß, was nun nacheinander geschehen soll.
Die ersten Schritte sind gemacht, der Bräter samt Hühnchen, Kartoffeln und Brühe auf dem Weg in den Ofen. "Halt. Zurück. Wir haben etwas vergessen", unterbricht der Profi. "Die Rosinen. Peinlich", schiebt er leicht verschämt, aber auch grinsend nach. Beim Probekochen gesteht er: "Noch einfacher kann ich nicht. Für mich ist das schon brutal." Man merkt dem Marktbreiter an, dass er Spaß an der Sache hat.
Schon immer Sterneküche? Von wegen!
In seinen eigenen Restaurants hat er eine andere Art Küche angeboten. Eine andere Klientel bedient. Von 2000 bis 2007 in Marktbreit im "Alter Esel". Und vorher von 1990 bis 1999 im "Restaurant von Dungern" in Sommerhausen. Da hat er sich sogar Mitte der 90er-Jahre einen Stern erkocht – ist quasi in den Himmel der Sterneköche aufgestiegen. Von Dungern ist aber auf dem Boden geblieben, nicht abgehoben. Er stellt auch klar: "Unabhängig vom Waren-Geldeinsatz, es kann alles lecker schmecken."
Der 62-Jährige stammt aus "der Klasse des vollkommen verarmten Landadels", wie er selbst sagt. Wohl auch daher rührt seine Bodenständigkeit. Geboren und groß geworden ist er im Schloss in Oberschwappach im Steigerwald, bis zur Scheidung seiner Eltern. Ab 1973 lebte er mit seiner Mutter in Marktbreit. "Meine Mutter war alleinerziehend, was damals eine Sensation war", erzählt der Kochprofi. "Wir lebten damals zu zweit von 600 Mark im Monat." Die Miete habe 180 Mark gekostet.
Von Dungern ging zu der Zeit auf die Realschule, seine Mutter holte auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nach. "Wenn man von 600 Mark lebt, dann war das vollkommen normal, dass man äußerst bescheiden und äußerst sparsam wirtschaftet", so der 62-Jährige. "Wir sind da gut zurechtgekommen. Mir hat auch nie irgendetwas gefehlt", schiebt er nach.
Beim Einkaufen wurde stets auf Angebote geachtet
Immer wieder kommt er ins Erzählen, wenn die Zubereitung des Gerichts es zulässt. Je mehr er berichtet, umso besser versteht man Sätze wie "mit dem erhobenen Zeigefinger mache ich nicht herum". Von Dungern erinnert sich: "Auf Angebote beim Einkaufen achten, das war Pflicht." Er erzählt, dass seine Mutter an der Wursttheke bei Edeka regelmäßig Wurstabschnitte gekauft hat, "also im Prinzip, das, was übrig geblieben ist".
Einmal habe eine Verkäuferin seine Mutter gefragt, ob das für den Hund sei. "Dann hat meine Mutter geantwortet: 'Nein, das essen wir selber.' Das war wirklich happig", berichtet der Marktbreiter. "Das verinnerlicht man als Heranwachsender so sehr, dass ich heute noch so geprägt bin, dass ich unmöglich ein Produkt in den Einkaufswagen legen kann, ohne aufs Preisschild zu schauen."
Alexander von Dungern: Erster Kochkurs mit 16 Jahren
Für Essen habe sich von Dungern schon immer interessiert. "Meine frühsten Erinnerungen, die ich als Kind habe, drehen sich ums Essen", erzählt er. Beispielsweise, als er das erste Mal bei Nachbarn Tomatenmark gegessen hatte, damals auf einem Brot mit Kochkäse. "Das ist irre, wenn man es nicht gekannt hat – und das merkt man sich dann."
Seinen ersten Kochkurs absolviert von Dungern mit 16 Jahren, zusammen mit seinem Opa in Würzburg. Dem Essen ist er treu geblieben. Wenn er darüber spricht, ist ihm die Begeisterung anzumerken, auch beim Probekochen des Weihnachtgerichts mit dieser Redaktion.
Dabei haben es ihm die vermeintlich einfachen Dinge angetan, zum Beispiel: "Fränkisches Soulfood", wie er es nennt. "Das finde ich total klasse." Bohnenspeck zählt dazu, was im Winter bei den Bauern auf den Tisch kam. Als "größtenteils genial einfach", beschreibt er das.
Warum von Dungern keine Sterneküche mehr betreibt?
Aktuell verfolgt von Dungern zwei Projekte. Einmal bietet er die "Tafelrunde", ein "sehr hochwertiges Gourmet-Essen für zwölf Personen" an und den "Spielraum", einen Raum in seinem Haus samt einer Bühne für kleine Veranstaltungen. Und das alles gemeinsam mit seiner Frau, Simone Michel-von Dungern. Außerdem hegt er eine Passion fürs Renovieren alter Häuser, unter anderem hat er die Gebäude, in denen seine Restaurants waren, erneuert.

Die Sterneküche in Sommerhausen und sein späteres Restaurant "Alter Esel" in Marktbreit hat er derweil schon länger hinter sich gelassen. "Das ist nicht nur eine Entscheidung", erklärt er seinen Schritt, aufzuhören. "Ich war mit 40 völlig ausgebrannt. Man dreht sich dann halt wirklich nur noch im Kreis." Von früh um neun bis nachts um zwei stand er damals in der Küche, jeden Tag. Wenn es gut lief, gab es eine halbe Stunde Pause am Nachmittag. Einmal habe er drei Wochen am Stück das Haus nicht verlassen, so ausgebucht war das Restaurant.
"Aber anders konnte ich es auch nicht betreiben, weil wir gar nicht die Umsätze erzielt haben, dass man sagt, man stellt sich Leute ein. Dazu waren wir finanziell nicht in der Lage", erklärt er. Im Normalfall stünde hinter einem Sternerestaurant irgendein Sponsorbetrieb, wie ein großes Hotel, ein großes Weingut oder auch ein Industriebetrieb, wie von Dungern weiß. "Hatte ich alles nicht und dann wird es halt schwierig."
"Je teurer das wird, umso schwieriger wird das Publikum."
"Und das zweite ist, je teurer das wird, umso schwieriger wird das Publikum." Man müsse zwar unterscheiden, sagt von Dungern, denn es gebe sehr vermögende, reiche Leute, die sehr angenehm als Gäste seien. Und es gibt andere. "Und das wissen Sie vorher halt nicht, wer da kommt."
Ganz aufgegeben hat er das Kochen aber nicht. Einmal im Monat bereitet der Profi im Kitzinger Bürgerzentrum Essen für Bedürftige zu. Schon seit 30 Jahren, mit Pausen, hat von Dungern sowas gemacht. Die Idee für Kitzingen kam ihm und Reinhard Knieß, dem Vorsitzenden, schon vor Corona, doch die beiden wurden von der Pandemie ausgebremst. "Sonst hätten wir das schon vorher gemacht", sagt von Dungern. "Ich mache das total gerne", fügt er an. "Es macht saumäßig Spaß. Es ist so geil, für Leute zu kochen, die Hunger haben. Das kennen wir gar nicht", erklärt er. Dem Koch mit dieser Lebensgeschichte nimmt man das ab.
Ich war damals von ihm beeindruckt und bin es heute noch