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MARKTBREIT
Marktbreiter Malerwinkelhaus gönnt dem Weihnachtsgebäck „Springerle“ eine Ausstellung
Springerle – unter anderem auch Reiterle, Würzburger Eiermarzipan oder Bamberger Marz genannt – gibt es vermutlich seit dem 17. Jahrhundert. Früher gab es sie zu fast allen kirchlichen Feiertagen und großen Festen im Leben, heute gehören sie zur Weihnachtsbäckerei. Das Museum Malerwinkelhaus stellt die in Vergessenheit geratende Tradition vor.
Foto: Daniela Röllinger | Springerle – unter anderem auch Reiterle, Würzburger Eiermarzipan oder Bamberger Marz genannt – gibt es vermutlich seit dem 17. Jahrhundert.
Daniela Röllinger
 |  aktualisiert: 07.01.2023 02:56 Uhr

Eigentlich gehört Anis hinein. „Kann man, aber muss man nicht“, hört man Hans Rupp sagen, während er Teig auf eine hölzerne Form legt, kurz andrückt, das Ganze umdreht und das Springerle entnimmt. Ein Weihnachtsgebäck sind die Springerle heute, und doch in Franken inzwischen selten geworden. Das Museum Malerwinkelhaus gibt an den Adventswochenenden Einblick in die Geschichte der Springerle – und der inzwischen verstorbene Marktbreiter Bäcker spielt dabei eine ganz besondere Rolle.

Springerle? Kenn' ich nicht, mögen vor allem jüngere Leute denken. Ältere dagegen verbinden sehr wohl etwas mit dem Wort, denn als sie jung waren, hingen die Springerle in vielen Familien als Weihnachtsschmuck am Christbaum. Ein Bildgebäck sind sie, wie Spekulatius auch, doch nicht mit Gewürzen wie Kardamom, Zimt und Gewürznelken verfeinert, sondern aus einfacherem Teig, mit Anis oder ohne, in harten Zeiten auch mit viel Wasser. Der Teig wird in die Modeln gedrückt, das Bild zeichnet sich später auf dem Gebäck ab.

Deutsche Gebäckmodel wurden im späten Mittelalter, Ende des 13. Jahrhunderts, zunächst aus Ton oder Kalkstein gefertigt, ab dem 16. Jahrhundert dann vor allem aus Holz. „Birne, Kirsche und Apfel waren besonders beliebt“, erzählt Simone Michel-von Dungern. „Das Holz ist hart und man konnte feinere Linien schnitzen.“ Wie filigran diese Arbeiten waren, davon zeugen viele Model, die die Museumsleiterin für die Ausstellung zusammengetragen hat. Sie belegen auch, wie die Motive sich wandelten. Zunächst waren sie biblischen Ursprungs, im 17. und 18. Jahrhundert nahmen profane Motive zu. Wappen, Berufe, Tiere, das Alltagsleben, aber auch die Themen Fruchtbarkeit, Glück und Liebe waren stark vertreten. „Gebäckmodel waren das erste Massenmedium ihrer Zeit“, so Michel-von Dungern. Mit den gebackenen Bildern vermittelten sie Wissen, als die Menschen weder lesen noch schreiben konnten. „Hast's gfressn?“, rühre daher, sagt die Museumsleiterin – also die Frage, ob man etwas kapiert und schließlich, im wahrsten Sinne des Wortes, verschlungen habe.

Früher waren fahrende Modelstecher mit ihrem Handwerksgerät von Ort zu Ort unterwegs, hatten fertige Ware dabei oder fertigten auf Bestellung Motive. Auch Lebküchner und Konditoren stachen selbst Model, „einst wurde ein solches sogar als Gesellenstück verlangt“.

Nicht nur in der Weihnachtszeit spielten die Springerle und die Model eine wichtige Rolle, sondern zu allen großen kirchlichen Festen sowie zu den wichtigsten Festen im Leben, wie Verlobung und Hochzeit. Beliebte Motive waren auch Reiter oder schöne Damen, „Docken“ genannt. Die Mode ihrer Zeit ist fein säuberlich in die Gewänder gearbeitet und ins Holz gestochen, wertvoller Schmuck am Hals und der Fächer in der Hand als Zeichen des Standes durften nicht fehlen. Solche „Docken“-Model bekamen Mädchen am Neujahrstag von ihren Patinnen geschenkt, während die Jungs von ihren Paten die prächtigen Reiter erhielten. Und auch der Fisch wurde als Neujahrsgebäck gern verschenkt – als Symbol für Leben und Fruchtbarkeit.

Wer oder was gab eigentlich den „Springerle“ ihren Namen? Der Reiter? Das ist nur eine von mehreren Erklärungen für die Herkunft des Wortes. Vielleicht rührt er auch daher, dass der Teig aus der Form springt, wenn man mit der flachen Hand auf die Rückseite des Holzmodels schlägt. Oder vom „Aufspringen“, also Aufgehen, des Teiges durch das Triebmittel Hirschhornsalz? So genau ist es nicht zu belegen.

Simone Michel-von Dungern hat in ihrem allerersten Jahr als Museumsleiterin im Malerwinkelhaus eine Ausstellung über Weihnachtsbäckerei gemacht. 2010 war das, und da hat sie sich die Unterstützung von Hans Rupp geholt. „Wir haben Springerle gebacken“, erzählt sie – und die wurden dann von Kindern im Museum bemalt, um sie an den Baum zu hängen. Essbarer Christbaumschmuck, wie er lange Tradition hatte.

Mehrere Stunden haben Rupp und Michel-von Dungern gewerkelt und gebacken, der längt im Ruhestand befindliche Bäcker gab Einblick in seine Arbeit, seine Backstube, die Traditionen wie eben das Springerle-Backen. Jede Menge Filmmaterial ist dabei entstanden. Im April 2020 ist das Marktbreiter Original verstorben. Jetzt, da nach Corona wieder Ausstellungen möglich sind, zeigt Michel-von Dungern den etwa 30-minütigen Film, den sie aus den Szenen geschnitten hat, an den Adventswochenenden (jeweils Samstag und Sonntag um 17 Uhr) und gibt zugleich mit vielen Ausstellungsstücken Einblick ins Leben und den Beruf von Hans Rupp. Es ist eine Ausstellung, die die Erinnerung an den humorvollen, engagierten Bäcker mit Informationen über eine fränkische Weihnachtstradition vereint.

Viel gesehen, viel gelernt, da will man auch wissen, wie so ein Springerle schmeckt. Und natürlich gibt es dieses bedeutungsvolle Gebäck, passend zur Ausstellung, im Museumscafé – dank der Nürnberger Künsterin Gisela Asseraf-Schulz, die Model gestaltet und der es wie Simone Michel-von Dungern ein Anliegen ist, das alte Handwerk neu zu entdecken.

„Wir warten aufs Christkind“ – Advent im Malerwinkelhaus

Ausstellung und Film: „Springerle und der Rupps Hans“ lautet die Ausstellung, die an den Adventswochenenden im Museum Malerwinkelhaus in Marktbreit zu sehen ist. Die Ausstellung ist jeweils von 14 bis 18 Uhr geöffnet, der Film wird immer um 17 Uhr gezeigt.

Handwerk und Verkauf: An jedem Wochenende steht eine andere alte Handarbeitstechnik im Mittelpunkt. Am Sonntag, 4. Dezember, gibt es eine Spinnstube mit Vorführung, Märchen und Geschichten. Am Sonntag, 11. Dezember steht Schönes aus Spitze, Filz und Seide im Mittelpunkt. Am Sonntag, 18. Dezember, gibt es eine Stickwerkstatt. Zudem sorgt die Musikschule Marktbreit am letzten Adventswochenende für musikalische Unterhaltung. Das Museumscafé und der Museumsshop haben an allen Adventswochenenden geöffnet. (len)

Die Herstellung von Springerle hat eine lange Tradition. Fotos: Simone Michel-von Dungern
Foto: Simone Michel-von Dungern | Die Herstellung von Springerle hat eine lange Tradition. Fotos: Simone Michel-von Dungern
Das Schneeballen- und Springerle-Rezept von Hans Rupps Großmutter.
Foto: Daniela Röllinger | Das Schneeballen- und Springerle-Rezept von Hans Rupps Großmutter.
Vor allem im 18. Jahrhundert stellten die Springerle auch Handwerksberufe dar.
Foto: Daniela Röllinger | Vor allem im 18. Jahrhundert stellten die Springerle auch Handwerksberufe dar.
Blick in vergangene Zeiten: Der verstorbene Bäcker Hans Rupp mit der etwa 200 Jahre alten Brötchenteigteilmaschine in seiner Backstube.
Foto: Simone Michel-von Dungern | Blick in vergangene Zeiten: Der verstorbene Bäcker Hans Rupp mit der etwa 200 Jahre alten Brötchenteigteilmaschine in seiner Backstube.
Blick in den alten Ofen der früheren Backstube.
Foto: Simone Michel-von Dungern | Blick in den alten Ofen der früheren Backstube.
Beim Backen erzählte Hans Rupp von der Springerle-Tradition. Museumsleiterin Dr. Simone Michel-von Dungern hat aus vielen Stunden Aufnahme einen Film geschnitten.
Foto: Simone Michel-von Dungern | Beim Backen erzählte Hans Rupp von der Springerle-Tradition. Museumsleiterin Dr. Simone Michel-von Dungern hat aus vielen Stunden Aufnahme einen Film geschnitten.
Der Marktbreiter Bäcker Hans Rupp war ein echtes Original.
Foto: Simone Michel-von Dungern | Der Marktbreiter Bäcker Hans Rupp war ein echtes Original.
Springerle gibt es mit den verschiedensten Motiven.
Foto: Simone Michel-von Dungern | Springerle gibt es mit den verschiedensten Motiven.
Utensilien und Bilder erzählen aus dem Leben und von der Arbeit des im April 2020 verstorbenen Marktbreiter Bäckers Hans Rupp.
Foto: DAniela Röllinger | Utensilien und Bilder erzählen aus dem Leben und von der Arbeit des im April 2020 verstorbenen Marktbreiter Bäckers Hans Rupp.
 
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