Es ist geschafft: Am Mittwoch früh sind zwei Busse mit insgesamt 93 ukrainische Flüchtlinge in Wiesentheid eingetroffen. In der Steigerwaldhalle wurde die aus 57 Kindern im Alter von eins bis 17 Jahren und 36 Erwachsenen bestehende Gruppe kurz begrüßt und mit dem nötigsten versorgt. Dann folgte die Aufteilung in die Gastfamilien.
"Uns sind viele Steine von den Herzen gefallen, als wir die ukrainischen Gäste hier vor uns gesehen haben. Wir sind stolz auf die Schulfamilie, die beteiligten Gemeinden und alle, die mitgeholfen haben", fasste Harald Godron, Lehrer des Wiesentheider Gymnasium, später zusammen. Sichtlich erschöpft, aber erleichtert – so seien die Angekommenen gewesen, beschrieb er.
In einer beispielhaften Hilfsaktion hatte das Steigerwald-Landschulheim (LSH) ein Mammutprojekt innerhalb von nicht einmal einer Woche gestemmt. Dabei wurden nicht nur Busse organisiert und losgeschickt, um die Menschen an der polnischen Grenze abzuholen. Es galt auch, in kurzer Zeit für Unterkünfte zu sorgen.
Im ehemaligen Kloster einquartiert
Nun sind die 93 Geflüchteten zum Großteil bei privaten Gastgebern in der gesamte Umgebung untergebracht. Dazu ist eine Gruppe in einem Hotel, das kurzerhand Zimmer zur Verfügung stellte. Eine weitere Gruppe wurde durch Vermittlung der Stadt Prichsenstadt im ehemaligen Kloster in Kirchschönbach einquartiert.
Stressige und sorgenvolle Tage liegen hinter den Organisatoren, allen voran hinter Harald Godron. Unzählige Stunden und Telefonate hatte er hinter sich, bis alles so weit war. Denn bei dem Lehrer am Wiesentheider Gymnasium waren im Vorfeld die Fäden für das Ganze zusammen gelaufen. Godron koordiniert an der Schule die Austauschprogramme mit Osteuropa und verfügt deswegen über gute Kontakte nach Nowograd-Wolhynsk.
Die Hilfsaktion war aus der Verbindung der Wiesentheider mit der ukrainischen Schule zustande gekommen. Das LSH pflegt bereits seit 1999 eine Schulpartnerschaft mit einem Gymnasium in der 1500 Kilometer entfernten 50 000-Einwohner-Stadt in der Westukraine. Mehrfach fanden seitdem gegenseitige Besuche statt.
Vor gut einer Woche waren von dort erste Anfragen nach Hilfe in Wiesentheid eingegangen. Man besprach sich am LSH, mit dem Tenor, dass man als Partnerschule versuchen wolle, dem anderen gerade in solchen Zeiten zu helfen. Als Folge entstand in Wiesentheid ein Netzwerk mit möglichen Unterkünften. Gleichzeitig hatte ein früherer Lehrer aus Nowograd-Wolhynsk eine Liste mit Menschen aus dem Umfeld der Schule erstellt, die ausreisen wollen.
Harald Godron schilderte, was in die Wege geleitet wurde. Ein Vorabteam aus Karlsruhe, das ein dort lebender ehemaliger Wiesentheider organisiert hatte, machte sich am Montag früh auf den Weg in Richtung polnisch-ukrainischer Grenze. Zum Team, das mit Privatfahrzeugen fuhr, gehörte auch eine Krankenschwester, was sehr hilfreich war. Dort trafen sie die Gruppe aus Nowograd, die mit Bussen bis zur Grenze gekommen war. Im polnischen Grenzort Chelmo wurde für die 93 Personen ein großer Saal zum Übernachten gefunden.
Am nächsten Tag konnte es los gehen. Die in der Zwischenzeit aus Deutschland organisierten und angekommenen Busse starteten am Dienstag um 17 Uhr, um die Flüchtlinge herzubringen.
In Wiesentheid waren mittlerweile die Kommunen um Bürgermeister Klaus Köhler sowie auch sein Prichsenstädter Kollege Rene Schlehr mit im Boot. Von dort wurde nicht nur der Empfang organisiert. "Es war unglaublich, was auch die Gemeinden in kürzester Zeit auf die Beine stellten", lobte Organisator Harald Godron das Engagement von der Stelle. Er dankte vor allem Wiesentheids Verwaltungsleiter Christian Sturm, der vieles regelte.
Ankunft am Mittwochmorgen
Schließlich trafen die Flüchtlinge am Mittwochmorgen in der Steigerwaldhalle ein. Dort begrüßte Wiesentheids Bürgermeister Klaus Köhler die Ukrainer kurz offiziell und es gab Infomappen. Zwei Dolmetscher halfen zudem bei den ersten Fragen, dann ging es in ie Gastfamilien.
Die gesamte Aktion hat nicht nur Wiesentheids Bürgermeister Klaus Köhler schwer beeindruckt. Er würdigte im nachklang den Einsatz der Schule. "Das war menschlich großartig. Dass die Schulfamilie so viel Hilfsbereitschaft gezeigt hat, ist herzerwärmend." Köhler lobte auch die Hilfsbereitschaft der vielen aufnehmenden Familien. Von Geiselwind, über Prichsenstadt, Gerolzhofen, bis hin nach Volkach und Eisenheim sind die Flüchtlinge untergebracht. Nahezu alle Gastgeber sind aus dem Umfeld des Wiesentheider Gymnasiums.
Wie es weiter geht, werde man sehen, meinte Harald Godron. Eine schwierige Aufgabe habe man fürs Erste gelöst. Er sei "sehr stolz auf alle, die in den vergangenen Tagen dazu beigetragen haben."