Was früher "mal schnell googlen" war, ist heute das Nutzen von Künstlicher Intelligenz, kurz KI. Fix ein Rezept vorschlagen lassen, die Bewerbung schreiben lassen oder vielleicht doch die Hausaufgaben die KI beantworten lassen. Spätestens seitdem das US-amerikanische Unternehmen OpenAI seinen Chatbot "ChatGPT" im November 2022 veröffentlicht hat, hat so gut wie jede und jeder, egal wie technikaffin, schonmal von KI gehört. Und die Entwicklung in diesem Bereich schreitet rasend schnell voran. Aber wie gehen Schulen in Zeiten von Smartphone, Tabletcomputer und WLAN im Schulhaus mit der neuen Herausforderung um? Und sollte KI im Schulkosmos verboten werden?
Heike Flemming, Deutsch- und Englischlehrerin am Regiomontanus-Gymnasium Haßfurt, hat dazu eine klare Meinung: "Ich halte von einem Verbot gar nichts", sagt die 43-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion, auch wenn es Situationen gebe, in denen es in der Schule verboten werden müsse. Ein grundsätzliches Verbot von KI wäre ihrer Meinung nach ähnlich, als würde man Google verbieten. Die Lehrerin geht deshalb ganz anders vor: Statt die neue Technologie aus dem Alltag ihrer Schülerinnen und Schülern zu verbannen, bindet sie diese in ihren Unterricht ein und setzt sich gemeinsam mit ihnen damit kritisch auseinander. Die gleiche Strategie fahre sie auch bei sozialen Netzwerken.
Flemming ist über einen Post von Sam Altman, dem Chef von OpenAI, auf der Plattform X, vormals Twitter, auf ChatGPT und somit das Thema KI aufmerksam geworden. Das sei damals viel diskutiert worden, berichet sie. Sie wurde neugierig und habe Lust gehabt, es auszuprobieren. Erstmals mit Schülerinnen und Schüler habe sie darüber gesprochen, weil sie wissen wollte, welche Rolle ChatGPT bei ihnen bereits spiele. Sie habe dabei gleich gemerkt, dass die Twitter-Bubble schneller sei als die Realität.
Künstliche Intelligenz gemeinsam testen
Warum also nicht den Vorsprung nutzen? "Schön, dass man zusammen testen kann, wie man es für uns nutzen kann", sagt Flemming, die mit den Schülerinnen und Schülern der Oberstufe Ergebnisse, die mit sowie ohne KI entstanden sind, miteinander verglichen hat und überprüft, an welcher Stelle der Einsatz eines Tools wie ChatGPT sinnvoll sein kann und an welcher nicht. Ihr ist es ein Anliegen, dass die Jugendlichen versuchen zu verstehen, was da passiert. Sie sollen Medienkompetenz aufbauen.
Flemming ist ebenfalls wichtig, den Punkt Gerechtigkeit von KI in ihren Klassen zu thematisieren. Denn: Auch die neue Technologie und ein Tool wie beispielsweise ChatGPT kann dazu führen, dass Kinder und Jugendlichen ausgeschlossen werden. Das könne dabei beginnen, dass ein Schüler einen ChatGPT-Zugang hat, ein anderer aber nicht. Datenschutz spiele bei den Schülerinnen und Schülern zudem eine Rolle, da nicht alle bereitwillig bei der Anmeldung ihre E-Mail-Adresse und ihre Telefonnummer eingeben wollen.
Flemming hat den Weg gewählt, vieles mit ihren Schülerinnen und Schülern zu besprechen, auszuprobieren, und gemeinsam zu erarbeiten, um die Grenzen von KI zu erkennen. Die 43-Jährige sieht ihre Rolle als Begleiterin, Ideengeberin und möchte Orientierung geben. Am Regiomontanus-Gymnasium hätten ohnehin die meisten Schülerinnen und Schüler ein Tablet. Die Einbindung des Geräts und der Tools gehöre dazu, weil sie außerhalb des Schulumfelds eben auch eine Rolle spielen.
Herausforderung Künstliche Intelligenz
Es sei herausfordernd, wenn viele Kinder und Jugendlichen Geräte haben und dauerhaft im WLAN sind. Am Haßfurter Gymnasium bekommen Schülerinnen und Schüler von der fünften bis zur siebten Jahrgangsstufe von der Schule verwaltete Geräte und kommen dadurch auch immer ins Internet. Aber auch darüber hinaus haben viele Tablets, die sie im Unterricht nutzen dürfen – je nach Lehrervorgabe.
Da seien die Schule und die Eltern gefordert, was den Umgang mit KI, aber auch allgemein die Medienkompetenz betrifft. "Wir müssen die Balance finden und lernen, damit umzugehen", sagt Flemming. Der Umgang in der Schülerschaft sei da komplett unterschiedlich: Manche würden aussteigen, manche sich viel damit beschäftigten, wieder andere setzten sich nur ein bisschen damit auseinander. Die Lehrerin stellt aber klar, dass die Entwicklung in dem Bereich viel zu schnell voranschreite, als dass man warten könne, bevor man sich damit beschäftigt.
Durch Einbindung der Technologie in den Unterricht könne man Betrugsversuchen vorbeugen. Flemming lasse regelmäßig Aufsätze durch ChatGPT schreiben und bespreche diese dann. Durch einen offenen Umgang werde klar, dass vollständig von der KI geschriebene Texte erkannt würden. Auf der anderen Seite lernen die Schülerinnen und Schüler, dass KI genutzt werden kann, wenn sie kenntlich machen, welche Inhalte KI-generiert sind und darüber diskutieren, was diesem fehlt oder fehlen könnte.
Flemming weiß, dass sie und ihr Kollegium im Klassenzimmer Einfluss darauf haben, wie Schülerinnen und Schüler mit dem Thema umgehen, zu Hause aber nicht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass beispielsweise der Messengerdienst Snapchat, der viel von jungen Menschen genutzt wird, mit "My AI" einen eigenen Chatbot anbietet. Man müsse damit rechnen, dass Aufgaben für daheim damit lösbar sind, sagt sie.
Nicht nur Schüler werden gefordert, auch Lehrer müssen sich umstellen
Die neuen Möglichkeiten durch KI erfordern aber nicht nur eine gewisse Kompetenz, die sich Schülerinnen und Schüler aneignen müssen, um damit gut umzugehen. Auch die Lehrkräfte müssen sich anpassen und Aufgaben anders überdenken sowie ihre Klassen beim Umgang mit KI begleiten. Flemming berichtet zwar auch von Ablehnung im Lehrerkollegium gegenüber KI, diese sei aber wenig. Kolleginnen und Kollegen seien neugierig, wie sie diese selbst einsetzen könnten. Manche Lehrkräfte sind zwar interessiert, aber auch besorgt, wie sich KI beispielsweise auf Hausaufgaben auswirke.
Flemming erklärt, dass beispielsweise Wortschatzübungen mit den Lehrbuchvokabeln über KI generiert werden könnten. Das würde auf der einen Seite Lehrerinnen und Lehrer entlasten, auf der anderen einen individualisierten und an das Leistungsniveau einzelner Schülerinnen und Schüler angepassten Unterricht ermöglichen. "Wenn man es einzusetzen weiß, ist das eine gute Möglichkeit zur Entlastung", sagt Flemming. Das biete den Lehrkräften mehr Zeit für anderes, wie die persönliche Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Schülern, oder Feedback – es könne mehr aufeinander eingegangen werden.
Die KI aktiv einsetzen würden aktuell noch nicht viele ihrer Kolleginnen und Kollegen. "Das ist auch richtig so, dass man nicht einfach losprescht", sagt Flemming. Aber alle würden einen reflektierten Umgang mit der Technologie pflegen. Flemming gibt zu bedenken, dass das in ihren Fächern, Deutsch und Englisch, funktioniere, der Einsatz oder das Testen in anderen aber schwierig sei.