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Haßfurt
Digitale Wunderwaffe: Künstliche Intelligenz ChatGPT erreicht die Schulen im Haßbergkreis
Ob Aufsatz, Matheaufgaben oder Facharbeit: Schülerinnen und Schüler nutzen dafür bereits Künstliche Intelligenz wie ChatGPT. Was die Schulleiter in der Region davon halten.
Unsere Autorin ließ die Künstliche Intelligenz 'DALL-E' das Bild generieren. Ihr Vorschlag an die KI: Schülerinnen und Schüler, die im Klassenzimmer künstliche Intelligenzen verwenden.
Foto: Illustration: Johanna Heim mit Hilfe von DALL-E | Unsere Autorin ließ die Künstliche Intelligenz "DALL-E" das Bild generieren. Ihr Vorschlag an die KI: Schülerinnen und Schüler, die im Klassenzimmer künstliche Intelligenzen verwenden.
Johanna Heim
 |  aktualisiert: 15.07.2024 11:21 Uhr

Es sind Nachrichten, die sich vor einigen Jahren noch nach Science Fiction angehört haben: Eine Künstliche Intelligenz (KI) liefert in Sekundenschnelle Antworten auf fast jede Frage. Und anders als bei der Suchmaschine Google fallen bei der KI die Klicks durch mehrere Internetseiten weg. Stattdessen serviert sie die passende Antwort direkt auf dem Silbertablett. Darunter komplette Aufsätze über den Zweiten Weltkrieg, Übersetzungen in Fremdsprachen wie Spanisch oder Lösungen für schwierige Mathematikaufgaben.

Dass künstliche Intelligenzen, wie die Software "ChatGPT" des kalifornischen Herstellers OpenAI, die Bildungs- und Arbeitswelt in Zukunft verändern werden, darüber sind sich nicht nur Forscherinnen und Forscher einig. Erst kürzlich hat die Software die Prüfung eines amerikanischen Medizinexamens gemeistert – am bayerischen Abitur ist sie allerdings gescheitert. Auch den Schulleiterinnen und Schulleitern im Landkreis Haßberge ist bewusst: Künftig wird sich der Schulunterricht durch KIs wie ChatGPT ändern.

Haßfurter Gymnasium: Ein Zehntel der Schüler nutzt die Software bereits

"Unsere Schülerinnen und Schüler wissen dank Vernetzung in den Sozialen Medien bereits umfänglich über das Programm Bescheid und lernen rasch, wie man es für den schulischen Kontext nutzen kann", erklärt Maria Eirich, Schulleiterin des Regiomontanus-Gymnasiums Haßfurt, auf Nachfrage dieser Redaktion. Per Elternbrief hat die Schule die Eltern deshalb schon Ende Januar über die Möglichkeiten von ChatGPT informiert.

Schulleiterin Maria Eirich und Lehrer Michael Schuster diskutieren mit Kollegen aus dem Team für Digitales am Regiomontanus-Gymnasium über die Verwendung von KIs.
Foto: Sambor Stogowski | Schulleiterin Maria Eirich und Lehrer Michael Schuster diskutieren mit Kollegen aus dem Team für Digitales am Regiomontanus-Gymnasium über die Verwendung von KIs.

Sie schätzt, dass mittlerweile alle Schülerinnen und Schüler ihrer Schule die KI kennen – und diese von ungefähr einem Zehntel der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten genutzt wird, primär in der Oberstufe. Die Kinder und Jugendlichen verwenden ChatGPT laut Eirich zur Unterstützung bei Hausaufgaben, zur Vorbereitung auf den Unterricht und zur Korrektur eigener Texte. Sie erstellen mit der KI aber auch Stoffsammlungen, Inhaltsangaben, Zusammenfassungen, Charakterisierungen und lassen eigene Texte übersetzen oder ausführlicher formulieren.

ChatGPT wird vereinzelt auch von den Schülerinnen und Schülern der Wallburg-Realschule in Eltmann genutzt. "Unserem Eindruck nach ab der Mittelstufe", informiert die Schulleitung auf Nachfrage der Redaktion. Die Kinder der Mittelschule Hofheim hingegen nutzen ChatGPT laut Rektor Heribert Jäger bisher noch nicht. 

Künstliche Intelligenzen: Chance für das Schulsystem?

Dass künstliche Intelligenzen viel Gutes mit sich bringen, davon ist Gymnasialdirektorin Eirich fest überzeugt. "KI kann viel mehr als ChatGPT. KI ist eine Riesenchance." Und zwar nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für das Schulpersonal. "KI kann Lehrer und Lehrerinnen entlasten und wir können den Schwerpunkt auf das legen, was uns Menschen ausmacht", so die Rektorin. "Nämlich, dass wir denken können."

"KI kann Lehrer und Lehrerinnen entlasten."
Maria Eirich, Schulleiterin Regiomontanus-Gymnasium Haßfurt 

Sie sieht aber nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren: "Alles, was zu Hause erstellt wird, birgt die Gefahr, dass es nicht vom Schüler selbst ist", erläutert Maria Eirich. Sondern von ChatGPT. Sie und ihre Kollegen im Team für Digitales am Regiomontanus-Gymnasium schauen bereits jetzt nach vorne und wissen, künftig muss sich deshalb etwas ändern. Und zwar nicht nur bei den Prüfungsformaten, sondern auch bei den Hausaufgabenstellungen. 

KI kann nicht nur Aufsätze über die Folgen des Klimawandels schreiben, sondern sogar Illustrationen zum Thema erstellen. Und das innerhalb weniger Sekunden.
Foto: Illustration: Johanna Heim mit Hilfe von DALL-E | KI kann nicht nur Aufsätze über die Folgen des Klimawandels schreiben, sondern sogar Illustrationen zum Thema erstellen. Und das innerhalb weniger Sekunden.

Denn wo können Lehrkräfte eine Grenze ziehen, wenn die Aufgaben nicht von den Schülern, sondern von einer KI gelöst werden? Hier komme es ganz darauf an, um was genau es gehe. Und auch darauf, mit welchen Bewertungskriterien die Lehrkraft arbeite, heißt es vonseiten der Wallburg-Realschule Eltmann. Ein Beispiel: Sollen Schülerinnen und Schüler ohne die Verwendung von KI Fakten recherchieren und umfangreiche Informationen zusammenfassen, halten sich aber nicht daran, handelt es sich durch die Nutzung von unerlaubter Hilfe um Unterschleif.

ChatGPT: Die neue Wikipedia?

"Bei aller Aufregung über ChatGPT sollte man bedenken, dass das unreflektierte Kopieren, zum Beispiel von Wikipedia-Einträgen, bereits seit Jahren gängige Praxis in Schulen ist", macht die Schulleitung der Wallburg-Realschule klar. Und das falle den Lehrkräften freilich auf – auch aktuell bei der Verwendung von ChatGPT – beispielsweise, wenn das Sprachniveau für Alter und Kenntnisstand des Kindes zu hoch ist. Noch dazu sei die digitale Wundermaschine noch nicht fehlerfrei. Antworten müssten also auf Richtigkeit überprüft werden. 

"Den eigenen Lernprozess kann ChatGPT einem leider nicht abnehmen."
Schulleitung der Wallburg-Realschule Eltmann

"Insgesamt wird es darauf ankommen, seine Aufgabenformate so zu gestalten, dass ChatGPT keine Rolle spielen kann, oder es gezielt einzusetzen und dann mit den Ergebnissen zu arbeiten", erklärt Maria Eirich vom Regiomontanus-Gymnasium. Eine mögliche Lösung: "Wir werden mehr mündliche Prüfungen machen und es wird sicher weniger Hausaufgaben geben, bei denen Texte produziert werden."

ChatGPT kann auch mit Goethes Klassiker 'Faust – eine Tragödie' umgehen. Die Software hat den Text innerhalb weniger Sekunden geschrieben.
Foto: Screenshot von ChatGPT: Johanna Heim | ChatGPT kann auch mit Goethes Klassiker "Faust – eine Tragödie" umgehen. Die Software hat den Text innerhalb weniger Sekunden geschrieben.

Denn klar ist: Wer regelmäßig Hausaufgaben mithilfe einer künstlichen Intelligenz erledigt, schadet sich damit längerfristig selbst. "Den eigenen Lernprozess kann ChatGPT einem leider nicht abnehmen", bringt es die Wallburg-Realschule auf den Punkt. 

Bei der Erstellung von Arbeiten soll laut den beiden Schulleitungen künftig mehr Wert auf die Präsentation der Ergebnisse gelegt werden. Denn: Einen Vortrag vor der Lehrkraft und der Klasse halten, das müssen die Kinder und Jugendlichen immer noch selbst – eine KI kann das nicht übernehmen. 

Die Schulleitung der Wallburg-Realschule hat noch weitere Ideen in Form von kreativen Projekten parat. "Ein selbst gedrehtes Video, ein Podcast, aber vielleicht auch mal wieder ein liebevoll von Hand gestaltetes Poster." Möglich wären künftig auch Interviews mit Familienmitgliedern.

Und noch eine sinnvolle Möglichkeit gebe es: Lehrkräfte könnten die Software künftig im Unterricht aufgreifen oder sogar in Leistungsnachweisen thematisieren, statt gegen die KI anzukämpfen. "Beispielsweise, indem den Schülerinnen und Schülern eine Lösung von ChatGPT gegeben wird, deren Unzulänglichkeiten sie erkennen und verbessern sollen." 

Künftig soll es einen KI-Leitfaden geben

Einen Leitfaden, wie die bayerischen Schulen in Zukunft mit ChatGPT und weiteren künstlichen Intelligenzen umgehen sollen, gibt es dem bayerischen Kultusministerium zufolge aktuell noch nicht. Er befindet sich aber in der Vorbereitung, erklärt Daniel Otto, stellvertretender Pressesprecher des Ministeriums, auf Nachfrage der Redaktion. Denn derzeit sind noch so einige Dinge unklar.

Software, die Texte generiert, stellt das Ministerium vor neue technische, rechtliche und ethische Fragestellungen, informiert Otto. Und nicht nur die bayerische Schulbehörde: "Wesentliche Regelungen auf EU-Ebene sind noch in Vorbereitung." Nicht von ungefähr stehe ChatGPT nach seinen eigenen Nutzungsbedingungen ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten erst für Nutzerinnen und Nutzer ab 18 Jahren zur Verfügung, so der Pressesprecher.

"Außerdem besteht die Gefahr, dass Schüler und Schülerinnen, welche es sich leisten können, die Bezahlversion von ChatGPT anschaffen, während finanziell weniger gut Aufgestellte sie sich nicht leisten können", gibt die Schulleitung Eltmann zu bedenken.

Und Eirich befürchtet, dass sich hier nicht nur die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen könnte, sondern auch die zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern.  "Hier muss die einzelne Schule unbedingt auf Bildungsgerechtigkeit achten", macht auch die Leitung der Wallburg-Realschule klar.

Einsatz von KI könnte künftig ganz normal werden

Klappt das, so könne ChatGPT den Wandel der Schule zu einem neuen Lernort beschleunigen, so die Haßfurter Schulleiterin Eirich. Die Schülerinnen und Schüler müssten künftig zeigen, was menschliche von künstlicher Intelligenz unterscheidet, es schaffen, Zusammenhänge und Verknüpfungen herzustellen. Denn: "Reines Faktenwissen wird in Zukunft als Hilfsmittel abrufbar sein und muss daher nicht mehr auswendig gelernt werden", prognostiziert Eirich.

Soll Fan von faulen Äpfeln gewesen sein: der deutsche Dichter Friedrich Schiller. Auch dieses Bild wurde von einer künstlichen Intelligenz erstellt.
Foto: Illustration: Johanna Heim mit Hilfe von DALL-E | Soll Fan von faulen Äpfeln gewesen sein: der deutsche Dichter Friedrich Schiller. Auch dieses Bild wurde von einer künstlichen Intelligenz erstellt.

"ChatGPT ist ein weiteres Werkzeug, das man bereits jetzt in vielen schulischen Situationen sinnvoll einsetzen kann." Sie ist nicht nur davon überzeugt, dass die Kinder und Jugendlichen künftig davon profitieren werden, sondern ist sich auch sicher, "dass diese Form von KI für unsere Schülerinnen und Schüler bald genauso selbstverständlich sein wird wie der Einsatz des Taschenrechners".

 
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    Die Schüler sollen erst einmal natürliche Intelligenz lernen. Denen fehlt es oft am Benehmen und den einfachsten Dingen wie Orientierung. Man will doch weiterhin Menschen und keine Roboter. Es ist schon schlimm mit der Genderbewegung. Alles Quatsch.
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    Ja, immer wenn die oberen Etagen irgendetwas als "Chance" sehen, muss man auf der Hut sein. Das bedeutet in der Regel: "schaut zu, wie Ihr zurechtkommt, das ist nicht mein Bier".

    Dennoch: danke für den interessanten Artikel!

    Viele Grüße und schönes Wochenende, Frau Heim!
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    Jetzt haben die LehrerInnen wieder ein neues Gespenst, die nächste Bedrohung der abendländischen Bildung zieht auf: ChatGPT und künstliche Intelligenz. Vorher waren es Taschenrechner, PCs, Smartphones, WLAN, Google, Wikipedia, …
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  • J. H.
    Guten Morgen Floranus,
    nein, ganz so ist es nicht.
    Schulleiterin Maria Eirich vom Regiomontanus-Gymnasium beispielsweise sieht Künstliche Intelligenz und Software wie ChatGPT absolut nicht als Bedrohung - sondern als Chance für die Lehrkräfte, die Kinder und Jugendlichen.

    Und sie wagt den Blick nach vorn: Sie weiß, dass die Art zu lernen sich künftig ändern wird. Das ist ihrer Meinung nach aber nichts Schlechtes sondern, wie gesagt, eine Chance auf mehreren Ebenen.

    Bestimmt finden nicht alle Lehrkräfte Programme wie ChatGPT gut, auch das ist klar.
    Aber so ist es doch bei allen Themen ... nicht jedermann geht bei bestimmten Dingen d'accord. Und das ist auch gut so: Denn erst so können gute, nützliche Diskussionen entstehen - und im Fall von KI über künftige Einsatzart, Hilfsmöglichkeiten und Arbeitserleichterung gesprochen werden.

    Viele Grüße aus der Redaktion und einen schönen Freitag,
    Johanna Heim
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