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Kreis Haßberge
Illegale Jagd: Gibt es noch Wilderer im Landkreis Haßberge?
Auch heute wird noch manchmal wegen Jagdwilderei ermittelt. Mit dem romantischen Bild vom Wildschütz aus alten Geschichten haben diese Straftaten aber nur wenig zu tun.
Rechtlich kein Problem: Der Jäger, der dieses Wildschwein erlegt hat, hatte auch die Berechtigung dazu. Aber wie häufig sind in der heutigen Zeit Fälle von Wilderei?
Foto: Patrick Pleul, dpa | Rechtlich kein Problem: Der Jäger, der dieses Wildschwein erlegt hat, hatte auch die Berechtigung dazu. Aber wie häufig sind in der heutigen Zeit Fälle von Wilderei?
Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:54 Uhr

Beim Begriff "Wilderei" denken wohl die meisten Menschen vor allem an alte Geschichten, besonders aus dem bayerischen Alpenraum. Sie erzählen von Menschen, die verbotenerweise auf die Jagd gehen, um ihre Familie vor dem Hungertod zu bewahren, und dafür hohe Strafen bis hin zum Tod riskieren. Als Straftatbestand gibt es die Wilderei auch heute noch. Da stellt sich die Frage: Existiert dieses Phänomen weiterhin? Oder lebt die Erinnerung an die Wilderei nur in romantisierten Erzählungen weiter? Und: Wie ist eigentlich die Situation im Landkreis Haßberge?

Ein sehr seltener Straftatbestand

Um die Jagdwilderei geht es in Paragraph 292 des Strafgesetzbuchs. Demnach stehen darauf Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder Geldstrafen. In besonders schweren Fällen kommen auch Haftstrafen von bis zu fünf Jahren in Betracht, beispielsweise bei gewerbs- oder gewohnheitsmäßiger Wilderei. "Ich bin jetzt seit 17 Jahren Rechtsanwalt und hatte noch keinen entsprechenden Fall", sagt Steffen Vogel. Der Landtagsabgeordnete (CSU) ist selbst Jäger und stellvertretender Vorsitzender der Kreisgruppe Haßfurt des Bayerischen Jagdverbandes. "Es ist ein Straftatbestand, der sehr selten vorkommt."

Dennoch: Gelegentlich gibt es Ereignisse, die zumindest nach dem Gesetz als Jagdwilderei gewertet werden. "Wilderei geht ja schon dann los, wenn ich als Jäger ins Nachbarrevier gehe", sagt Vogel. Als Beispiel nennt er den Fall, dass ein Jäger am Rand seines eigenen Reviers ein Tier anschießt, das, bevor es zusammenbricht, noch die letzten 200 Meter laufen kann und so erst auf der anderen Seite der Reviergrenze stirbt. In diesem Fall würde das tote Tier dem Nachbarn gehören. "Ich gehe natürlich davon aus, dass sich unsere Jäger alle korrekt verhalten", sagt Vogel.

Auch das Aufstellen von Fallen zählt als Wilderei

Das Landratsamt Haßberge nennt auf Anfrage dieser Redaktion weitere Szenarien, die zwar mit dem klassischen Bild von einem Wilderer wenig zu tun haben, aber dennoch den Tatbestand erfüllen. So könne es vorkommen, dass jemand "vermeintliche Schädlinge" wie Marder, Füchse oder Waschbären bekämpfen will und deshalb Fallen aufstellt. "Hier wird die Jagdbehörde oft vom betroffenen Revierinhaber oder besorgten Bürgern darauf aufmerksam gemacht", heißt es aus der Behörde. "Einen Täter zu ermitteln ist hier oft schwer, da meist entsprechende Hinweise fehlen."

Auch das fällt unter Wilderei: Manchmal finden Jäger Schlagfallen wie diese, die Unbefugte aufgestellt haben. Doch die Täter lassen sich in solchen Fällen kaum ermitteln.
Foto: Achter Martin | Auch das fällt unter Wilderei: Manchmal finden Jäger Schlagfallen wie diese, die Unbefugte aufgestellt haben. Doch die Täter lassen sich in solchen Fällen kaum ermitteln.

Zwei derartige Fälle hat die Polizei Ebern innerhalb der letzten zehn Jahre aufgenommen, berichtet der Polizeibeamte Georg Klarmann. Beide konnten er und seine Kollegen nicht aufklären. Der erste ereignete sich im Jahr 2012 im Bereich Pfarrweisach. Dort sei ein Fuchs in eine widerrechtlich aufgestellte Tellerfalle gegangen, ein Jäger habe das Tier "mit einem Gnadenschuss erlöst", sagt Klarmann. Im zweiten Fall fand ein Jäger zwischen Brünn und Frickendorf im Jahr 2016 eine gespannte Schlagfalle - allerdings noch bevor diese ein Tier verletzen konnte.

Merkwürdiger Fall: Ein Reh ohne Kopf

Der Polizist berichtet noch von einem dritten, besonders ungewöhnlichen Fall: 2018 fand eine Spaziergängerin in der Nähe der Ruine Bramberg ein totes Reh, dem der Kopf fehlte. Sie fotografierte es, meldete den Vorfall der Polizei und schickte den Beamten die Bilder. "Es gab keine Bissspuren, der Kopf war sauber abgetrennt", sagt Klarmann. Somit war klar, dass sich ein Mensch an dem Reh zu schaffen gemacht haben muss. Doch bereits am darauffolgenden Tag sei das tote Tier nicht mehr auffindbar gewesen. Geklärt wurde auch dieser Fall nicht.

Aus dem Bereich der Haßfurter Polizei ist dagegen kein Fall bekannt, bei dem einem toten Tier anzusehen war, dass ein Mensch beteiligt gewesen sein muss. "Man findet immer wieder mal tote Wildtiere, aber es gab nie einen Anfangsverdacht", sagt Jan Stoll von der Polizei Haßfurt. Letztlich sei einem toten Tier eben doch nicht immer anzusehen, woran es gestorben ist. "Man weiß halt doch nicht: War es ein Wolf? War es ein ausgerissener Hund? Oder war es doch ein Wilderer?"

Wenn Jäger selbst nicht wissen, wo sie jagen dürfen

Das Landratsamt beschreibt eine weitere Situation, in der der Tatbestand der Wilderei erfüllt wäre: So könne es vorkommen, dass ein Jäger eine Jagderlaubnis für ein fremdes Revier hat, dort aber ein Stück Wild erlegt, das durch die Erlaubnis nicht freigegeben wurde. Außerdem sei es möglich, dass ein Jäger in einem fremden Revier jagen geht, weil er fälschlicherweise annimmt, dort eine Jagderlaubnis zu haben. "Solche Fälle kommen hin und wieder vor, sie beruhen aber in den meisten Fällen auf mangelhafter Kommunikation bzw. Missverständnissen", teilt das Landratsamt mit. "Auf dem Gebiet des Landkreises wurde ein solcher Fall noch nicht bekannt."

Auch mit dem dritten Szenario, das das Landratsamt beschreibt, habe sich die Jagdbehörde "zumindest in den vergangene Jahren" nicht befassen müssen. So könne es bei einer Bewegungsjagd vorkommen, dass sich ein Jagdgast mit schlechter Ortskenntnis in ein fremdes Revier verirrt.

Wenn tote Tiere nach einem Wildunfall geklaut werden

"Die typische Wilderei zur Nahrungsbeschaffung, wie in der Zeit nach dem Krieg, gibt es so wohl nicht mehr", sagt Hermann Languth aus Haßfurt. Er ist Revierpächter in einem Gemeinschaftsjagdrevier und war lange der Leiter der Jungjägerausbildung. Es gebe aber tatsächlich noch eine Form von Wilderei, "die im Moment zu Buche schlägt". Dabei handelt es sich um Fälle, in denen der Täter ein Tier nicht selbst getötet hat, aber einen Leichnam mitnimmt, der beispielsweise bei einem Wildunfall zu Tode kam. Denn laut Strafgesetzbuch fällt es auch unter den Wilderei-Paragraphen, wenn sich jemand Wild widerrechtlich zueignet.

Franz Xaver Kroetz als Wilderer im Film 'Die Geschichte vom Brandner Kaspar': Mit diesem romantisierten Bild von der Wilderei haben heutige Fälle kaum noch etwas zu tun.
Foto: picture-alliance/dpa | Franz Xaver Kroetz als Wilderer im Film "Die Geschichte vom Brandner Kaspar": Mit diesem romantisierten Bild von der Wilderei haben heutige Fälle kaum noch etwas zu tun.

Der letzte Fall, an den sich Langguth erinnert, in dem tatsächlich eine unberechtigte Person auf Tiere geschossen hatte, ist schon mehrere Jahrzehnte her. Damals hätte ihn jemand auf verletzte Fasane in seinem Revier aufmerksam gemacht. Als er sich die Tiere ansah, bemerkte er, dass diese mit einer Kleinkaliberwaffe angeschossen worden waren. "Zu der Zeit durfte noch jeder einen Zimmerstutzen haben", erzählt der Jäger - also eine Kleinkaliberwaffe, die eine Zeit lang nicht waffenscheinpflichtig war.

Schwer nachzuweisen - oder doch nicht?

Langguth meint allerdings auch: Sollte es noch Fälle von klassischer Jagdwilderei geben, wären diese wohl schwer nachzuweisen. Da Leute mit Nachtsichtgeräten zu jeder beliebigen Tages- oder Nachtzeit jagen könnten, wäre es wohl auch leicht, genau dann in den Wald zu gehen, wenn kaum Gefahr besteht, dass es jemand mitbekommt. "Und wenn man einen Schuss hört, weiß man ja auch nicht, ob vielleicht der Nachbar jagt", meint Langguth. Steffen Vogel verweist hingegen darauf, dass die Wälder mittlerweile auch viel stärker überwacht würden als früher: Viele Jäger haben Kameras aufgestellt.

 
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