Freischaffende Künstler und Solo-Selbständige leiden besonders unter der Corona-Krise, weil sie meist durch das Raster der Hilfen fallen. Sie müssten Hartz IV beantragen, doch da regt sich Widerstand, denn sie wollen ja am liebsten arbeiten. Der Grafikdesignerin Melina Müller aus Hofheim sind quasi von einem Tag auf den anderen Kurse und Workshops und damit auch Einnahmen weggebrochen. Mit kreativen Ideen versucht sie nun, sich dennoch über Wasser zu halten.
Handwerk in die Wiege gelegt
Das Handwerk wurde ihr anscheinend schon in die Wiege gelegt. "Ich war von klein auf auffällig künstlerisch tätig. Eine Lehrerin hat mein Potenzial erkannt und mich von Anfang an unterstützt. So habe ich schon in der Schule in der Aula Wände gestaltet", erinnerte sie sich. Die Mutter war Goldschmiedin und der Vater Zahntechniker. Sie kam mit ihren Eltern nach Pfaffendorf, weil diese dort im Jahre 1983 einen Reiterhof kauften.
Nach der Schulzeit war Melina Müller ein Jahr lang als Schauwerbegestalterin in England tätig, bevor sie dann den Beruf einer Raumausstatterin erlernte und als Jahrgangsbeste im Regierungsbezirk Oberfranken abschloss. Anschließend erfolgte ihre Ausbildung an der Akademie für Gestaltung und Denkmalpflege in Ebern, die mit einem Meistertitel gekrönt wurde. Im Jahre 2002 wurde sie auch noch mit dem Meisterpreis "Gestalterin im Handwerk" ausgezeichnet.
Die Menschen werden schreibfaul
Danach folgten Berufsjahre im Productdesign für Kindermöbel oder auch beim Marketingportal „marcapo“ in Ebern, bevor sie sich im Jahre 2005 selbständig machte und als Grafikdesignerin die Logos für Brillen Künzel, Vera Cruz, die Leseinsel oder für das Friedrich-Rückert-Gymnasium entwarf.
Im Jahre 2008 zog sie nach Königsberg und fand bei einem Kurs im Schüttbau in Rügheim den Weg zur Kalligrafie. Nahezu zehn Jahre lang besuchte sie dann immer wieder Workshops bei internationalen Lehrern wie Dennis Brown und hat die Kalligrafie, "die Kunst des Schönschreibens", zu einem ihrer Markenzeichen gemacht in einer Zeit, in der Menschen – wie sie sagt – nur noch selten zu Füller oder Feder greifen und durch den täglichen Einsatz von Handy und PC-Tastatur auch schreibfaul werden.
"Ich fand aber Schriften schon immer interessant und einer der klassischen Schriftzüge stammt ja von Coca-Cola", bemerkt Melina Müller dabei. Wer heute schreibe, tue das meistens schnell mit einer Notiz, aber wer schön schreiben wolle, müsse sich darauf einlassen. "Alle, die mit Schrift zu tun haben, ziehen sich gerne etwas zurück. Um die Harmonie nämlich auf die Fläche zu bringen, braucht man erst die innere Harmonie."
Genau das zeigt sie, als sie gerade konzentriert an einem Entwurf für einen schönen Ostergruß an die Hofheimer Bevölkerung arbeitet, der die Ostertage über in der Hauptstraße von Hofheim auf einer Fahne mit "Frohe Ostern" zu sehen ist.
"Mir sagen die Leute immer wieder, dass ich Schönheit in die Welt bringe. Das will ich auch, denn es gibt gerade jetzt auch so viel Angst und Frust. Die Menschen freuen sich über Schönheit." Dabei spürt man, dass sie das sehr wohntuend empfindet und sie erinnert im gleichen Atemzug an ein Schild vor ihrem Atelier mit den Worten "Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen", worüber sich viele Vorbeikommende gefreut hätten.
Kaum Aufträge in Corona-Zeiten
Natürlich sei die Kunst des Beschriftens von Werbetafeln an Metzgereien oder Wirtshäusern als Kunst etwas verblasst. Anwendungsmöglichkeiten sind dagegen noch immer die Gestaltung von Urkunden, Plakaten oder Eintragungen in das Goldene Buch von Städten. "Aber auch hier ist der letzte Eintrag lange zurück, weil durch das Abstandsgebot auch keine namhaften Politiker mehr empfangen werden."
Im Familienbereich erinnert sie an die Gestaltung von schönen Stammbäumen, die früher in Schlössern oder bei besonderen Familien nie fehlten, an Schriftstücken zur Hofübergabe, an Chroniken oder an Wandbemalungen und sogar Segenssprüchen an den Häusern, über die man sich heute in manchen kleineren Städten noch freuen kann.
Straßenmalerei mit wasserlöslicher Kreide
Über ihr "Faible" für Schriften kam sie in letzter Zeit auch zur "Asphaltkalligrafie", wo sie bei der Braumanufactur Weyermann, dem Weltmarktführer für Spezialmalz, auf dem Gelände fluoreszierende Schriften fertigte, die bei Nacht magische Effekte zeigen. Aber auch für Straßenmalereien bei "Parents4Future" in Haßfurt sei sie tätig gewesen – mit wasserlöslicher Kreide. Eine Besonderheit auf ihrem Werktisch sind sicherlich einige Schnapsflaschen, für die Melina Müller die Etikette mit ihrer Handschrift gestaltet und die unterschiedlichen Obstsorten und Prozente des Brandes festhält.
Inspiriert von historischer italienischer Klöppeltechnik habe sie auch als Beitrag zum Fasching „Carnevale di Venezia“ in Spitzen-Lettering-Optik mit weißem Acryl-Maker auf Leinwand gezaubert und gerade dieses Bild muss man ganz aus der Nähe betrachten und befühlen, um hier nicht einer wirklichen Spitzentechnik auf den Leim zu gehen.
Auf der anderen Seite begegnet der aufmerksame Wanderer Tafeln und Stelen im Naturpark Haßberge und auf dem "Burgenwinkel-Weg", welche durch das Design von Melina Müller entstanden sind. "Ich habe wirklich vieles gemacht, was das Bild vom Landkreis prägt, aber jetzt fehlen die Aufträge und ich darf ja nichts machen, obwohl ich viele Ideen habe", sagt sie etwas nachdenklich.
Eintauchen in den "Fluss des Lebens"
Hier zeigt sie in ihrem Atelier auf ein Werk aus der Reihe "Kalligrafie trifft Architektur" mit dem Alten Rathaus von Bamberg, wobei den Fluss Regnitz Schlagworte und Fließtexte akzentuieren oder bei einem anderen Bild zum Eintauchen in den "Fluss des Lebens" eingeladen wird – mit kurzen Textpassagen der Schrift "lapidar antiqua".
Melina Müller verweist darauf, dass ihr in diesem Jahr 26 Kurse abgesagt wurden, bis hin zu Firmen in München, Stuttgart oder Augsburg. "Auch mit Schriften im Raum kann man tolle Sachen machen", sagt sie. Vor Corona sei es gut gelaufen, "aber nun ist alles auf Eis gelegt. Dabei habe ich viele Ideen und bin auch offen für Impulse von Institutionen oder Firmen. So hoffe ich, dass bald wieder Kurse, Workshops und persönliches Schaffen möglich sind."
Um die Künstler und Kulturschaffenden in der Corona-Pandemie zu unterstützen, hat der Landkreis die besondere "Spendenaktion Kulturbeutel" ins Leben gerufen, bei der eine bedruckte Baumwolltasche für einen Stückpreis von fünf Euro erhältlich ist. Auch sie sei daraus mit einem kleinen Beitrag bedacht worden.