Michael Griebel ist außer sich. Seit Jahren kämpft er nicht gegen Windmühlen, sondern gegen den Schwerlastverkehr, der sich an seinem Haus in Knetzgau vorbeiquält. Was ihn besonders aufregt, sagt er dieser Redaktion, ist nicht nur der Schwerlastverkehr an sich, er würde nämlich so manche Fuhre lieber aufs Schiff verfrachten. Vielmehr stört er sich sehr am massiven Auftreten von Lastwagen, die für die Südzucker AG unterwegs sind. Das Unternehmen führt täglich von der Fabrik in Ochsenfurt Transporte von Zucker in die Silos nach Zeil durch. Auch am Sonntag. Und das wundert Michael Griebel, denn sonntags gilt ja ein Fahrverbot für Lastwagen, es sei denn sie transportieren verderbliche Ware. Und dazu zählt seiner Ansicht nach Zucker wohl kaum.
Stetes Thema in Bürgerversammlungen
In Bürgermeister Stefan Paulus hat er einen starken Mitstreiter gefunden. "Wie in allen Kommunen ist auch das Thema Verkehr in unseren Bürgerversammlungen das am meisten diskutierte Thema", so Paulus im Gespräch mit dieser Redaktion. "Weit mehr als Klimawandel, Artensterben, Flächenverbrauch oder Klärschlamm. Die Westheimer Straße ist ein besonders gefährlicher Bereich, denn dort rasen die Lkw nur wenige Zentimeter an den Häusern vorbei. Gehsteige gibt es dort nicht. Der Ärger der dort lebenden Menschen ist berechtigt, daher unterstützen wir als Kommune jedwede Initiative, die hier für Entlastung sorgt." Schon im Jahre 2017 habe sich die Kommune "an die Südtrans in Mannheim mit der Bitte gewandt, den Lkw-Verkehr doch auf die A 70 zu führen". Dies schien auch einige Zeit funktioniert zu haben, so Paulus, "aber leider nicht dauerhaft". Im vergangenen Jahr habe der Bürgermeister nach eigener Aussage über die Gemeindenachrichten einen Aufruf gestartet, Bürger, die mit hohen Verkehrsbelastungen konfrontiert sind, sollten sich melden. Von diesem Angebot hätten im Oktober 2018 rund 30 Personen Gebrauch gemacht..
Bürgermeister ruft auf zu zivilem Ungehorsam
In der Folgezeit seien Briefe an die zuständigen Behörden geschrieben worden, das Straßenbauamt habe eine Verkehrszählung unternommen. "Nur geändert hat sich nichts", so Paulus. Es handele sich meist um Staats- und Kreisstraßen, die von dem hohen Verkehrsaufkommen belastet seien. Deshalb könne die Gemeinde nur wenig dagegen ausrichten. "Unsere einzige Möglichkeit ist es", sagt Paulus, "die Bürger zu motivieren, mit Eingaben, Appellen und Briefen an die zuständigen Stellen und Politiker für ein Umdenken zu sorgen. Je mehr sich hier engagieren, desto eher ändert sich vielleicht etwas. Es wäre schon viel erreicht, wenn wir in unseren Orten die Möglichkeit hätten, auf Kreis- und Staatsstraßen verkehrsberuhigende Maßnahmen umzusetzen oder mal ein Verkehrsschild aufzustellen." Als einzige erfolgsversprechende Maßnahme ruft Bürgermeister Paulus quasi zum zivilen Ungehorsam auf. Die Bürger sollten ihre Autos so auf den betroffenen Straßen parken, dass die Lkw-Fahrer die Lust verlören, auf dieser Abkürzung zu fahren, sondern den Weg über die Maintalautobahn wählten.
Dazu sagt Hauptkommissar Stefan Scherrer, Verkehrssachbearbeiter bei der Polizeiinspektion Haßfurt, dass dagegen nichts einzuwenden sei, solange die parkenden Autos den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung nicht zuwider handelten. Die "abkürzenden" Lastwagen kann auch die Polizei nicht verhindern. Lediglich sonntags müssten die Fahrzeuge eine Ausnahmegenehmigung besitzen, die reine Verkehrsbelastung sei dagegen kein Hinderungsgrund. Er hält persönlich einen Sonntagstransport von Zucker ebenfalls für ein "Paradoxon", es lägen jedoch keine Aufzeichnungen vor, dass ein Lkw durch verbotene Transporte aktenkundig geworden sei. Die Inspektion habe aber bislang auch keine gezielten Kontrollen von am Sonntag fahrenden Lastwagen durchgeführt.
Anke Sostmann, Sprecherin der Südzucker AG in Mannheim, bestätigt nicht nur die täglichen Transporte von Ochsenfurt nach Zeil, sondern betont, dass dafür auch eine Ausnahmegenehmigung angemessen sei. "Zuckerrüben sind nur ein beschränkt haltbares Naturprodukt und müssen deshalb innerhalb relativ kurzer Teil verarbeitet werden. Die Lagerkapazitäten in Ochsenfurt sind bei weitem nicht ausreichend, um die in Kampagnezeiten (Ende September bis Ende Dezember) produzierte Menge an losem Zucker zwischenzulagern. Allein die Reduzierung der Transporte in dieser Zeit auf lediglich sechs Werktage birgt schon das Risiko, dass die Zuckerproduktion eingestellt werden muss." Wenn die Transporte nach Zeil nicht mit der aktuellen Intensität durchgeführt werden könnten, wäre es erforderlich, am Werk Ochsenfurt neue Zwischenlager zu errichten.
Eindeutige Vorgaben für Transportunternehmen
Allerdings weist Anke Sostmann darauf hin, "bei den Umfuhren zwischen Ochsenfurt und Zeil ist zwingend die Strecke Donnersdorf – BAB Auffahrt Haßfurt bis BAB Ausfahrt Knetzgau zu nutzen. Leider können wir dies jedoch nicht überwachen" und anscheinend gebe es immer wieder Fahrer, die sich nicht an diese Vorgabe halten. "Wir haben nun nochmals explizit jedes einzelne Transportunternehmen diesbezüglich gemahnt," macht die Südzuckerfrau den Anwohnern in den Dörfern Mut, dass die Fahrten nun spürbar weniger würden. Die Erteilung der notwendigen Ausnahmegenehmigungen, so Sostmann, werde durch das Transportunternehmen bei seiner dafür zuständigen Verkehrsbehörde beantragt.
Im Raum Ochsenfurt wäre dafür das Landratsamt Würzburg zuständig. Dagmar Hofmann
stellvertretende Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an dieser Behöre, konkretisiert auf Anfrage dieser Redaktion, unter welchen Umständen eine solche Genehmigung erteilt wird. "Ausnahmen von den Bestimmungen des § 30 StVO über das Sonn- und Feiertagsfahrverbot für den gewerblichen Güterverkehr können für die Beförderung von bestimmten Gütern genehmigt werden. Hierzu zählen insbesondere lebende Tiere und Pflanzen, frische und leicht verderbliche Lebensmittel, Ausrüstungs- und Ausstellungsgegenstände für Veranstaltungen sowie Hilfsgüter für Notstandsregionen." Darüber hinaus könne eine Ausnahmegenehmigung in besonders begründeten Ausnahmefällen erteilt werden, "sofern eine Beförderung weder mit anderen Verkehrsmitteln noch außerhalb der Verbotszeit möglich ist".
Landratsamt Würzburg sieht Voraussetzungen nicht erfüllt
Für den Transport von Zucker von Ochsenfurt nach Zeil am Main sind nach Auffassung des Landratsamts Würzburg die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht erfüllt. "Somit wurde eine solche durch das Landratsamt Würzburg auch nicht erteilt", erklärt Dagmar Hofmann. "Es wurde zwar von einem Unternehmen mit Sitz im Landkreis Würzburg ein entsprechender Antrag gestellt, dieser wurde aber aus dem genannten Grund abgelehnt. Es ist jedoch denkbar, dass anderen Unternehmen eine Ausnahmegenehmigung erteilt wurde, weil sich die örtliche Zuständigkeit wahlweise nach dem Verladeort oder dem Betriebssitz des Spediteurs richtet. Somit können Anträge auf eine Ausnahmegenehmigung auch bei anderen Behörden gestellt worden sein."
Die Regierung von Unterfranken - selbst nicht als Behörde in Sachen Zuckertransporte zuständig - ist nach der Anfrage dieser Redaktion selbst aktiv geworden und recherchiert, welche Behörden Ausnahmegenehmigungen erteilt haben könnten. Zuständig sei die Straßenverkehrsbehörde, in deren "Bezirk die Ladung aufgenommen wird oder die Straßenverkehrsbehörde, in deren Bezirk der Antragsteller seinen Wohnort, seinen Sitz oder eine Zweigniederlassung hat".
Hinweis auf Landratsamt Bamberg
Johannes Hardenacke, Pressesprecher der Regierung von Unterfranken, teilt mit, dass seine Behörde "nach verschiedenen Rückfragen" Folgendes habe ermitteln können: "Die Disposition der Zuckertransporte erfolgt über die Zentrale in Mannheim. Auch hat sich ergeben, dass wohl eine Straßenverkehrsbehörde außerhalb Unterfrankens - das Landratsamt Bamberg - eine Ausnahmegenehmigung vom Sonntagsfahrverbot erteilt hat."
Die Redaktion hat sich inzwischen mit einer eigenen Anfrage an diese Behörde gewandt. Die Antwort des Landratsamtes Bamberg lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor.