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Tierschutzinitiative Haßberge appelliert: Warum Menschen "verwaiste" Jungtiere in der Natur lassen sollten
Ein einsames Hasenbaby im Feld, ein schreiender Jungvogel außerhalb seines Nests: Finger weg, sagt Britta Merkel. Was Menschen über Tierbabys wissen müssen.
Die Pflege für Feldhasenbabys ist kompliziert und nichts für Laien.  Um diese drei Häschen kümmerte sich Britta Merkel schon 2013, wie ein Archivbild zeigt.
Foto: Michael Mößlein | Die Pflege für Feldhasenbabys ist kompliziert und nichts für Laien.  Um diese drei Häschen kümmerte sich Britta Merkel schon 2013, wie ein Archivbild zeigt.
Johanna Heim
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:56 Uhr

Für die Tierschutzinitiative (TI) Haßberge ist es Jahr für Jahr das gleiche Spiel. Ab dem Frühjahr gehen täglich mehrere Anrufe von besorgten Bürgerinnen und Bürgern ein, die vermeintlich verwaiste Jungtiere gefunden haben. Doch in den allermeisten Fällen ist das Tier weder verwaist, noch braucht es menschliche Hilfe. Denn gerade die führt im schlimmsten Fall zum Tod des jungen Tieres. Was Britta Merkel von der TI Haßberge den Bürgerinnen und Bürgern deshalb rät, und warum bei falscher Hilfe auch rechtliche Konsequenzen drohen.

Welche Jungtiere gibt es aktuell in der Natur?

Zurzeit gibt es vor allem junge Feldhasen, sagt Merkel. In größeren Städten gebe es derzeit auch Eichhörnchenbabys. "Davon bleiben wir hier aber noch verschont." In den nächsten zwei bis drei Wochen gebe es dann außerdem vermehrt Jungvögel.

Ich habe ein Tierbaby gefunden. Ist es verwaist oder braucht es Hilfe?

Nein, macht Merkel klar. Die allermeisten Tierbabys sind weder verwaist noch in Not. Beispielsweise werden junge Feldhasen von ihren Müttern in sogenannten Sassen abgesetzt. Besorgte Bürgerinnen und Bürger sehen dann die Tierkinder, nicht jedoch das Muttertier, berichtet sie. Schnell ergebe sich daraus die Schlussfolgerung, dass der junge Hase verwaist sei.

Das stimmt jedoch nicht, erklärt die Vorsitzende der Tierschutzinitiative. Die meiste Zeit seien die Hasenkinder alleine. "Die Hasenmutter kommt nur ein bis zweimal für ein paar Minuten pro Tag vorbei. Ihre Milch ist sehr reichhaltig und sie säugt sehr schnell."

"Gar nichts zu machen ist hier besser, als etwas falsch zu machen."
Britta Merkel, Vorsitzende der Tierschutzinitiative Haßberge

Wer das Hasenkind aufliest, mache den ersten Fehler. Der Zweite tritt laut Merkel bei falscher Fütterung auf. Viele Jungtiere verenden dadurch in den ersten zwei Tagen. Die richtige Pflege, Aufzucht und Auswilderung der Tiere sei nichts für Laien. "Ich verlange nicht, dass jede Person Fachwissen in der Wildtierkunde hat", sagt Merkel und rät deshalb in diesem Fall: "Gar nichts zu machen ist hier besser, als etwas falsch zu machen."

Und wie sieht es bei Jungvögeln aus?

Auch bei Jungvögeln gebe es ein massives Problem, berichtet Merkel.  "Die Leute hören einen Vogel schreien. Der ist jedoch weder krank noch verwaist, sondern ruft ganz normal nach seiner Mutter." Auch dass ein junger Vogel nicht im Nest sitzt, sei bei den sogenannten Nestflüchtern kein Todesurteil. Die Vögel verlassen das Nest schon, wenn sie noch nicht komplett befiedert sind. Das sei bei fast allen Singvögeln der Fall, beispielsweise bei Amseln.

Die Amsel kümmert sich immer noch um den schon fast erwachsenen Jungvogel.
Foto: Josef Schröder | Die Amsel kümmert sich immer noch um den schon fast erwachsenen Jungvogel.

Die Vogelmutter sorge sich weiterhin um den jungen Vogel, auch wenn dieser am Boden sitzt. Wer allerdings einen Jungvogel dicht neben einer Straße findet, kann diesen freilich in einer sicheren Entfernung absetzen, sagt Merkel. "Beispielsweise an einer Hecke."

Anders bei Tauben, die aus dem Nest gefallen sind. "Die Vögel bleiben im Nest, bis sie selbstständig sind", erklärt Merkel. Taubenküken könne man deshalb wieder zurück ins Nest setzen – vorausgesetzt, es hängt nicht zu hoch. "Das macht mehr Sinn als wenn wir den Vogel aufziehen."

Ist es illegal, wenn ich beispielsweise einen jungen Feldhasen auflese?

Die gut gemeinte Hilfe bei vermeintlich verwaisten Tieren kann auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, merkt die Vorsitzende an. "Entnehme ich einen Feldhasen der Natur, begehe ich damit Wilderei", macht Merkel klar. Dasselbe gelte auch für die Entnahme von Rehkitzen, Jungfüchsen und Waschbärenkindern. Der Grund: Jagdbares Wild darf laut der Vorsitzenden nur mit dem Einverständnis des zuständigen Jägers entnommen werden.

Britta Merkel von der Tierschutzinitiative Haßberge warnt davor, vermeintlich verwaiste Tiere in der Natur aufzusammeln.
Foto: Johanna Heim | Britta Merkel von der Tierschutzinitiative Haßberge warnt davor, vermeintlich verwaiste Tiere in der Natur aufzusammeln.

Und auch wenn ein gefundenes Jungtier verletzt oder gar tot ist, müsse dies dem zuständigen Jäger gemeldet werden. Im Zweifelsfall kann die Polizei Auskunft geben, wer der passende jagdliche Ansprechpartner für den jeweiligen Ort ist, sagt Merkel.

Darf ich das Tierbaby anfassen?

Rehkitze dürfen auf keinen Fall angefasst werden, macht die Vorsitzende klar. Die Tiere hätten keinen Eigengeruch und nehmen den Geruch des Menschen auf, sobald sie angefasst werden. Die Folge: Die Mutter nimmt das Rehkitz nicht mehr an. Anders bei kleinen Feldhasen und Jungvögeln – hier nimmt die Mutter das Jungtier zurück. "Ich würde aber niemals empfehlen, das Tier anzufassen", sagt Merkel.

Was sollte ich beim Gassigehen mit dem Hund beachten?

Wer mit dem Hund in der Nähe von Wiesen und Feldern unterwegs ist, sollte ihn definitiv an der Leine lassen, rät Merkel. Der Grund: Flitzt der Hund beim Gassigehen durch das Feld, stört er das Gelege von Vögeln, die am Boden brüten – sogenannte Bodenbrüter. Oder der Hund reißt beim Gang über die Wiese im schlimmsten Fall ein Rehkitz oder Feldhasenbaby.

An wen soll ich mich wenden, wenn ich ein Jungtier finde?

Merkel bittet darum, dass sich Bürgerinnen und Bürger, bevor sie ein vermeintliches Tierbaby in Not auflesen, an die Notfall-Nummer der Tierschutzinitiative Haßberge wenden und ein Bild oder Video des Tieres per WhatsApp senden. Unter der Telefonnummer (0157) 74914689  gibt die Tierschutzinitiative Rat und kümmert sich gegebenenfalls um die notwendige Versorgung. Auch wer ein verletztes Tier findet, kann die Tierschutzinitiative kontaktieren.

 
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