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Bamberg
Schweigen im Gerichtssaal: Messerangriff in Ebelsbach wirft viele offene Fragen auf
Hat ein 36-Jähriger seinen Cousin mitten in Ebelsbach niedergestochen? Das Landgericht Bamberg hat zum Auftakt des Prozesses Probleme bei der Zeugenbefragung.
Rechtsanwalt Jochen Kaller aus Bamberg und der Angeklagte.
Foto: Udo Güldner | Rechtsanwalt Jochen Kaller aus Bamberg und der Angeklagte.
Udo Güldner
 |  aktualisiert: 29.01.2025 02:40 Uhr

Es ist eine mysteriöse Geschichte, die sich da mitten in Ebelsbach ereignet hatte und die nun vor dem Landgericht Bamberg verhandelt wird. Um kurz nach 23 Uhr im Sommer letzten Jahres wählt eine hysterisch schreiende Frau den Polizeinotruf. Viel kann man nicht verstehen, weil ihre Stimme sich ständig überschlägt. Nur, dass jemand mit einem Messer verletzt worden ist.

"Ich brauche Hilfe, bitte schnell, er stirbt." Und dann, so erklärte es der Dolmetscher im Gerichtssaal, sagt sie eine Verwünschung in kurdischer Sprache: "Gott möge Dich töten." Dabei nennt sie den Namen des 36-jährigen Angeklagten. Es ist der erste Hinweis auf den mutmaßlichen Messerstecher.

Polizisten finden stark blutenden Verletzten vor

Als die Streifenpolizisten aus Haßfurt eintreffen, finden sie einen stark blutenden Verletzten vor. Eine Blutspur zieht sich von einem noch nicht eröffneten, im Umbau befindlichen Ladengeschäft rund 20 Meter über den Gehweg bis zur Wohnung, in der zwei Personen gerade dabei sind, Erste Hilfe zu leisten.

Das Opfer, ein damals 30-jähriger Mann, hat eine heftige Stichverletzung zwischen Hals und Schulter. Das Messer ist vier Zentimeter tief eingedrungen, hat aber keinerlei innere Organe oder große Blutgefäße getroffen. Rettungsdienst und Notarzt kümmern sich später um den Mann, der nicht in akuter Lebensgefahr schwebt. Er wird ins Krankenhaus in Haßfurt gebracht. Dort stellt man noch eine oberflächliche Schnittwunde im Gesicht fest.

Ein solches Vorgehen sei grundsätzlich lebensbedrohlich

Oberstaatsanwalt Michael Hoffmann geht von einem versuchten Totschlag und einer gefährlichen Körperverletzung aus. Die Absicht des Angreifers sei es gewesen, den Mann zu töten. Er habe dazu eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug benutzt. Zudem sei das Vorgehen mit dem Stich gegen den Hals grundsätzlich lebensbedrohlich gewesen. Beides Merkmale einer gefährlichen Körperverletzung.

Der psychiatrische Gutachter, Dr. Thomas Wenske (links), und Oberstaatsanwalt Michael Hoffmann.
Foto: Udo Güldner | Der psychiatrische Gutachter, Dr. Thomas Wenske (links), und Oberstaatsanwalt Michael Hoffmann.

Auf dem Krankenhausflur kann ein Polizist kurz mit dem Opfer reden. Der Mann erzählt eine kaum zu glaubende Geschichte. Er sei beim Verlassen des Gebäudes von einem unbekannten Mann wortlos attackiert worden. Gesehen habe er niemanden, nur einen Schlag von hinten verspürt. Dann habe er sich in Sicherheit gebracht.

Inzwischen laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Allerdings gibt es keinerlei Augenzeugen der Messerattacke. Auch eine Überwachungskamera einer Gärtnerei auf der anderen Straßenseite hat nichts aufgenommen, das Licht ins Dunkel bringen könnte. Ein Nachbar erzählt, dass die kurdische Familie ganz unauffällig in Ebelsbach gelebt habe. Nur wenn der 36-jährige Angeklagte, der Cousin des Opfers, aus Bad Berneck zu Besuch gewesen sei, habe es Streit gegeben. Die Gründe dafür sind vorerst unklar.

Auch zwei Tage später ereignen sich mysteriöse Dinge. Ein Polizeibeamter auf dem Heimweg sieht zufälligerweise den Bruder des Angeklagten. Der läuft mit einer Art Stecken in der Hand durch Ebelsbach. "Er verhielt sich auffällig unauffällig." Der Polizist verfolgt den Bruder und schaut sich die Sache näher an. Einige Straßen vom Tatort entfernt beobachtet er, wie der Bruder in einem Gebüsch herumstochert – offensichtlich auf der Suche nach etwas.

Der Verdacht kommt auf, es könne sich um das Messer handeln. Denn die Tatwaffe ist zu diesem Zeitpunkt noch spurlos verschwunden. Auch mehrere polizeiliche Spürhunde aus Bamberg haben die Klinge nicht finden können. Auch der Bruder scheint erfolglos danach gesucht zu haben. Jedenfalls läuft er danach nach Hause.

Viele Fragen, aber keine Antworten

Im Prozess am Landgericht Bamberg brach erst einmal das große Schweigen aus. Nicht nur der Angeklagte sagte kein Wort zu den Vorwürfen. Auch sein 44-jähriger Bruder und dessen 43-jährige Ehefrau machten von ihrem Recht Gebrauch, nicht gegen ein enges Familienmitglied aussagen zu müssen. Offenbar hat keiner aus der Familie ein Interesse daran, dass der Vorfall von der Justiz aufgeklärt und abgeurteilt wird.

"Damals sollten alle kommen und helfen. Und jetzt will keiner mehr etwas davon wissen."
Oberstaatsanwalt Michael Hoffmann

"Damals sollten alle kommen und helfen", ärgerte sich Oberstaatsanwalt Hoffmann. "Und jetzt will keiner mehr etwas davon wissen." Auch das heute 31-jährige Opfer, der Cousin des Angeklagten, kann oder will nicht. In einer sehr zähen Befragung beteuerte er immer wieder, den Angreifer nicht gesehen zu haben. Zudem sei ihm kurz nach der Attacke schwarz vor Augen geworden. Im Übrigen sei er nachtblind.

Prozess auf sechs Verhandlungstage angesetzt

Auf die Frage nach einem Motiv für den Messerangriff aus dem Nichts wusste das Opfer keine Antwort. Er habe mit niemanden Probleme – auch nicht mit seinem Cousin. Auch Angst vor einem erneuten Angriff hat er angeblich nicht. "Wir haben im Irak schon so viel erlebt. Wenige hundert Meter von uns entfernt sind Bomben explodiert." Der Prozess ist bis Mitte Februar auf insgesamt sechs Verhandlungstage angesetzt.

 
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