
Sie nennen sich beim Vornamen. Sie fotografieren Drogenpakete mit Adressaufkleber. Sie erwähnen ihre tatsächliche Kontoverbindung. Die Drogendealer glauben sich völlig unbeobachtet. Schließlich nutzen sie einen verschlüsselten Messenger-Dienst, der als der sicherste der Welt gilt. Knapp 200 Euro monatlich muss man dafür ausgeben, dass einem die Polizei nicht über die Schulter schauen kann.
Mithilfe eines Krypto-Handys hält man Kontakt zum Lieferanten, zur Kundschaft und zu Komplizen. Nicht ganz fünf Monate kann man sich im geschäftlichen Erfolg sonnen. So kommen immerhin 19 Kilogramm Marihuana, zwei Kilogramm Speed, 150 Gramm Kokain und 100 Gramm Crystal Meth zusammen. Der Erlös sind knapp 40.000 Euro.
Messenger-Dienst gehackt: Die Ermittler lesen mit
Was die Drogenhändler nicht wissen: Seit einiger Zeit können Ermittler aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden alle Chats mitlesen. Sie haben den Messenger-Dienst gehackt und speichern fleißig Beweismittel ab. Im Zuge eines Prozesses in Aschaffenburg kommt man auch auf einige Tatverdächtige aus dem Landkreis Haßberge.
Es gibt Hausdurchsuchungen, Auswertung der Mobiltelefone, Befragungen. Es stellt sich heraus, dass die Ware im Herbst und Winter vor fünf Jahren entweder mit der Post oder einem kriminellen Kurier zu einem Abnehmer im Maintal gelangt ist. Inzwischen ist fast alles in fremden Nasen verschwunden oder hat sich buchstäblich in Rauch aufgelöst. Nur kleine Reste können noch sichergestellt werden.
Zwei Angeklagte, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten
Am Landgericht Bamberg sitzen nun zwei junge Männer, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Der eine Angeklagte, ein 29-jähriger Fitness-Trainer, ist der Drahtzieher. Er steckt, wie sein älterer Bruder auch, tief im Drogen-Milieu. Während der Straftaten sitzt er in einer vom Amtsgericht Würzburg angeordneten Unterbringung. Erst im Bezirksklinikum Parsberg, dann in Regensburg. Eigentlich soll er in den geschlossenen Einrichtungen von all den gefährlichen Substanzen loskommen. Doch dort kommt er mit Crystal Meth in Berührung und beginnt mit dem oben erwähnten schwunghaften Handel. Damit will er vor allem seine eigene Sucht finanzieren.

Mit ihm haben sich in den letzten 15 Jahren bereits die Amtsgerichte in Miltenberg, Würzburg, Obernburg am Main, Aschaffenburg, Haßfurt, Nürnberg, Bamberg, sowie Pößneck (Thüringen) befasst. Es geht um Diebstähle, Einbrüche, Sachbeschädigungen, Drogenhandel mit hunderten Ecstasy-Tabletten und Speed, falsche Verdächtigung, sowie wiederholtes Fahren ohne Fahrerlaubnis – er hatte nie einen Führerschein –, aber auch um zahlreiche Körperverletzungen.
Einzige Chance: Ein Deal mit Geständnis
Einige Jahre hat er schon im Gefängnis verbracht. Zudem hat er den schwunghaften Drogenhandel unter laufender Bewährung aufgezogen. Für ihn gibt es im aktuellen Verfahren am Landgericht Bamberg nur eine Chance: Einen Deal mit Geständnis, um nicht so lange hinter Gittern bleiben zu müssen. Ein Teil der Anklagevorwürfe wird danach eingestellt – das verkürzt das Verfahren enorm.
Am Ende wird er von der Jugendkammer unter dem vorsitzenden Richter Markus Reznik zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Eine erneute Unterbringung in einer Entziehungsanstalt findet nicht statt. Die Chancen auf einen Erfolg sind nach einhelliger Ansicht gleich Null. Sein Verteidiger hat bereits angekündigt, keine Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.
Ein Gehilfe, der nur dazugehören wollte
Der andere Angeklagte ist ein bislang unbeschriebenes Blatt. Genau deshalb hat man ihn ausgesucht. Man kennt sich aus dem Fitness-Studio und von kleinen Cannabis-Einkäufen. Er bewundert den Drahtzieher für dessen Coolness und will unbedingt dazugehören. Der Auszubildende soll als "Buchhalter" die illegalen Gelder aufbewahren. In einem Koffer auf dem Schrank in seinem Kinderzimmer. Ab und an kommt mal jemand, der die Einnahmen aus dem Weiterverkauf vorbeibringt oder sich die für den Ankauf der berauschenden Ware nötigen Barmittel aushändigen lässt.
Und das alles für ein lächerliches Honorar von insgesamt 600 Euro. Da er nicht tiefer ins Geschehen involviert ist und die Betäubungsmittel-Geschäfte nur unterstützt, wird er nicht als Mittäter, sondern nur als Gehilfe angesehen.
Ausbildung abgeschlossen, Familie gegründet und aus der Rauschgift-Szene verabschiedet
Der 24-jährige Mann hat die Zeit bis zum Verfahren genutzt, um seine Ausbildung abzuschließen, sich einen gutbezahlten Beruf zu suchen, eine Familie inklusive Nachwuchs zu gründen und sich aus der Rauschgift-Szene zu verabschieden. Zudem hat er noch in der fünfmonatigen Untersuchungshaft mit den Ermittlern zusammengearbeitet, während seine Komplizen geschwiegen haben. Er wird nach Jugendstrafrecht geahndet und muss eine Geldauflage von 600 Euro an den Verein für Jugendhilfe Bamberg zahlen. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.