
"Geschäftsbericht für das Kreisjugendamt Haßberge 2019" hört sich recht trocken an. Hinter den vielen Zahlen, Daten und Fakten, die Amtsleiter Christoph Schramm in diesem Werk zusammengefasst hat und dem Jugendhilfeausschuss vorlegte, stecken aber unzählige persönliche Schicksale. In dem 174 Seiten starken Geheft sind erfreuliche Komponenten wie die vergleichsweise niedrige Jugendarbeitslosigkeit oder die gute Abdeckung an Kinderbetreuungsplätzen zu finden, aber eben auch Dinge wie Jugendstraftaten oder Kindeswohlgefährdung.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie spielen im jüngsten Geschäftsbericht noch keine Rolle, da das Virus die Welt erst seit Anfang des laufenden Jahres fest im Griff hat. Die Auswirkungen der neuartigen Lungenkrankheit mit den einher gehenden Folgen beschäftigen die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses aber erheblich. Daher nahm Christoph Schramm ausführlich Stellung zu den Veränderungen, die sich durch den Ausbruch der Pandemie in den vergangenen Monaten ergeben haben.
Herausragende Arbeit in den Kindertagesstätten
Der Lockdown und dessen Folgen bedeuteten, so Schramm, einen enormen Mehraufwand für seine Behörde. Extrem stark gefragt sei die KiTa-Fachaufsicht gewesen, da hier ständig tief greifende Veränderungen umgesetzt werden mussten. "Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den KiTas haben Herausragendes geleistet", lobte Schramm. Ihnen sei viel abverlangt worden, aber sie hätten sich immer wieder hervorragend auf die neuen Vorschriften und Gegebenheiten eingestellt, um die Betreuung der 3500 Kinder in Haßgau, Maintal und Steigerwald sicherzustellen.
Problemfamilien ohne Struktur
Einen Wunsch an die Politik hatte er: "KiTas und Schulen sollten offen bleiben." Aus dem einfachen Grund, dass der gewohnte Tagesablauf erhalten bleibt. Dies sei nämlich in den Zeiten des Lockdowns im Frühjahr das große Problem gewesen. Vor allem, wenn die Heranwachsenden "in Problemfamilien mit wenig Struktur" leben.
Das habe sich auch in den Fallzahlen der möglichen Kindeswohlgefährdungen niedergeschlagen. Von März bis Mitte September, also in Zeiten des Lockdowns und unregelmäßiger Präsenz in Schulen und KiTas, seien die Meldungen massiv zurückgegangen - und nach den Sommerferien exorbitant angestiegen. Schramm berichtete, dass allein bis Ende Oktober 89 Kindeswohlgefährdungen mit 134 betroffenen Buben und Mädchen angezeigt worden seien. 28 Kinder habe das Jugendamt in Obhut nehmen müssen. Er rechnet also mit einer Steigerung im Vergleich zum Vorjahr (2019 waren es 103 Meldungen mit 153 Kindern).
In vielen Fällen haben "die Unterstützungssysteme für die gefährdeten Kinder" gefehlt, sagte Schramm. Geöffnete Schulen und KiTas gehören für ihn an vorderster Front dazu. Sie so lange wie möglich offen zu halten, sei "die beste Gesamtprophylaxe für die Gesellschaft".
Wie lassen sich Jugendliche davon abhalten, die klassischen Einstiegsdrogen Cannabis und Legal Highs (synthetische Substanzen) auszuprobieren? Das gemeinsame Projekt "Flashback" von Polizei, den Ämtern für Schule, Gesundheit und Jugend sowie den Beratungsstellen und der Jugendsozialarbeit will zumindest Aufklärungsarbeit leisten, um die Heranwachsenden von der vielleicht in den Köpfen herumschwirrenden Idee abzuhalten, das "einfach mal auszuprobieren". Theresa Fleischmann vom Kreisjugendamt machte vor den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Denn in den vergangenen zehn Jahren habe sich die Anzahl der Rauschgiftdelikte in Unterfranken gerade bei den 14- bis 17-Jährigen mehr als verdreifacht.
Testlauf an den Schulen in Haßfurt, Zeil und Ebern
In vielen Landkreisen des Regierungsbezirks gibt es das Projekt schon, der Landkreis zieht nach und wird "Flashback" laut Theresa Fleischmann zunächst an den drei Mittelschulen Haßfurt, Zeil und Ebern testen. Es ist geplant, dass die Schüler mehrere Station durchlaufen, informiert werden, aber auch sich selbst reflektieren und ihr eigenes Verhalten inklusive ihrer persönlichen Suchtgefahr überprüfen können. Verspricht der Einsatz Erfolg, wird das Projekt auf alle anderen Schulen ausgeweitet.
Der Jugendhilfeausschuss verabschiedete zudem seinen Teilhaushalt für das kommende Jahr. Kreiskämmerer Marcus Fröhlich stellte das Werk vor und berichtete von sinkenden Aufwendungen und gleichzeitig steigenden Erträgen. In der Summe sank der Ansatz um rund 1,5 Prozent auf knapp zehn Millionen Euro. Knapp 2,2 Millionen Euro werden eingenommen, der Landkreis Haßberge muss für die Jugendhilfe gut 7,8 Millionen Euro ausgeben. "Wir haben knapp, aber realistisch kalkuliert", fasste Kämmerer Fröhlich den Entwurf zusammen. Bei unvorhergesehenen Ereignissen "können wir ja immer noch nachsteuern". Dem schlossen sich folglich auch die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses an.
